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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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fremden Nationalitäten, welche die Einwanderung in Massen ins Land gießt, im
Aankeethnme. Es war der Wille des Schöpfers, als er die plastischen Umrisse
der neuen Welt im Gegensatze zur Structur der alten formte, nur einer Race,
der kräftigsten unter den übrigen, die Herrschaft zu geben und nur einer Na¬
tionalität ein dauerndes Dasein zu vergönnen.

Fragen wir die Geschichte, so erhalten wir eine ähnliche Antwort. Allerdings
sind mehr als einmal, und von den verschiedensten Gliedern des großen Republiken-
bundes ausgesprochen, Trennungsgelüste laut geworden, aber stets gingen die
Gespenster, die sie heraufbeschworen, wie drohend sie auch aussahen, zuletzt in un¬
gefährlichen Rauch auf. Nun läßt sich zwar daraus, daß diese Versuche bisher
immer mißglückter, nicht mit widerspruchsloser Gewißheit schließen, sie müßten
auch künftig immer vereitelt werden; wol aber gibt die Art, wie sie mißlangen,
ein Recht zu der Erwartung, die Union werde, den Feinden gegenüber, die sie
bedrohen, erhalten bleiben.

Wir beabsichtigen nicht, die bisherige Fruchtlosigkeit separatistischer Bestre¬
bungen durch eine Darstellung ihrer aller in chronologischer Folge nachzuweisen.
Unser Zweck ist, die erste derselben zu schildern, die in die Jugendzeit des Staates
siel, die gefährlichste, war, und, weil zu ihrem Verständnisse keine so tiefe Kennt>
uiß des Landes und seiner Entwickelung als bei den spätern gehört, die am
leichtesten darstellbare ist: die Verschwörung des Exvicepräsidenten
Aaron Burr zur Errichtung eines von der Centrcilregierung zu
Washington getrennten Staates im Südwesten.

Aaron Burr war einer der Dämonen, wie sie bisweilen in der Geschichte
der Völker auftreten, sein Leben in der Periode, in welcher es Gegenstand unserer
Darstellung sein wird, eine großartige Tragödie, wie die amerikanische Welt keine
zweite zeigt. Von Neuyork gebürtig, war er zu Anfang seiner Laufbahn Offizier
im Heer Washingtons gewesen und hatte sich dann der Politik zugewendet, die
seinem ungezügelten Ehrgeize ein weites Feld bot und glänzende Erfolge verhieß.
Von hohen Fähigkeiten, rücksichtslos zur Anlegung jedes Gewandes bereit, wenn
die Umstände es forderten, einer der umsichtigste", aber zugleich einer der grnnd-
satzlosesten Demagogen, welche die Geschichte Amerikas ausweist, hatte er sich
rasch zum Leirer der Demokraten in Neuyork emporgearbeitet und seiner Partei
nach dem Vorbilde militärischer Disciplin eine Organisation gegeben, aus der sich
zum guten Theile die Siege erklären, welche dieselbe seitdem fast ununterbrochen
erfochten hat. Dieses Verdienst bewirkte, daß er nahe daran war, statt Jeffersons
zum Präsidenten der Union gewählt zu werden, und daß er, als eine geringe
Majorität sich für letzteren entschied, wenigstens die Stelle eines Vicepräsidenten
und Vorsitzenden des Senats erhielt. Als solcher überwarf er sich mit seinem
glücklicheren Nebenbuhler, und da er insgeheim mit der Gegenpartei, den Föderalisten,
liebäugelte, bald auch mit der Mehrheit seiner bisherigen Freunde. Dennoch


fremden Nationalitäten, welche die Einwanderung in Massen ins Land gießt, im
Aankeethnme. Es war der Wille des Schöpfers, als er die plastischen Umrisse
der neuen Welt im Gegensatze zur Structur der alten formte, nur einer Race,
der kräftigsten unter den übrigen, die Herrschaft zu geben und nur einer Na¬
tionalität ein dauerndes Dasein zu vergönnen.

Fragen wir die Geschichte, so erhalten wir eine ähnliche Antwort. Allerdings
sind mehr als einmal, und von den verschiedensten Gliedern des großen Republiken-
bundes ausgesprochen, Trennungsgelüste laut geworden, aber stets gingen die
Gespenster, die sie heraufbeschworen, wie drohend sie auch aussahen, zuletzt in un¬
gefährlichen Rauch auf. Nun läßt sich zwar daraus, daß diese Versuche bisher
immer mißglückter, nicht mit widerspruchsloser Gewißheit schließen, sie müßten
auch künftig immer vereitelt werden; wol aber gibt die Art, wie sie mißlangen,
ein Recht zu der Erwartung, die Union werde, den Feinden gegenüber, die sie
bedrohen, erhalten bleiben.

Wir beabsichtigen nicht, die bisherige Fruchtlosigkeit separatistischer Bestre¬
bungen durch eine Darstellung ihrer aller in chronologischer Folge nachzuweisen.
Unser Zweck ist, die erste derselben zu schildern, die in die Jugendzeit des Staates
siel, die gefährlichste, war, und, weil zu ihrem Verständnisse keine so tiefe Kennt>
uiß des Landes und seiner Entwickelung als bei den spätern gehört, die am
leichtesten darstellbare ist: die Verschwörung des Exvicepräsidenten
Aaron Burr zur Errichtung eines von der Centrcilregierung zu
Washington getrennten Staates im Südwesten.

Aaron Burr war einer der Dämonen, wie sie bisweilen in der Geschichte
der Völker auftreten, sein Leben in der Periode, in welcher es Gegenstand unserer
Darstellung sein wird, eine großartige Tragödie, wie die amerikanische Welt keine
zweite zeigt. Von Neuyork gebürtig, war er zu Anfang seiner Laufbahn Offizier
im Heer Washingtons gewesen und hatte sich dann der Politik zugewendet, die
seinem ungezügelten Ehrgeize ein weites Feld bot und glänzende Erfolge verhieß.
Von hohen Fähigkeiten, rücksichtslos zur Anlegung jedes Gewandes bereit, wenn
die Umstände es forderten, einer der umsichtigste«, aber zugleich einer der grnnd-
satzlosesten Demagogen, welche die Geschichte Amerikas ausweist, hatte er sich
rasch zum Leirer der Demokraten in Neuyork emporgearbeitet und seiner Partei
nach dem Vorbilde militärischer Disciplin eine Organisation gegeben, aus der sich
zum guten Theile die Siege erklären, welche dieselbe seitdem fast ununterbrochen
erfochten hat. Dieses Verdienst bewirkte, daß er nahe daran war, statt Jeffersons
zum Präsidenten der Union gewählt zu werden, und daß er, als eine geringe
Majorität sich für letzteren entschied, wenigstens die Stelle eines Vicepräsidenten
und Vorsitzenden des Senats erhielt. Als solcher überwarf er sich mit seinem
glücklicheren Nebenbuhler, und da er insgeheim mit der Gegenpartei, den Föderalisten,
liebäugelte, bald auch mit der Mehrheit seiner bisherigen Freunde. Dennoch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/370>, abgerufen am 03.07.2024.