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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Militärische Landschaftsbilder ans der Türkei.
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Zins dem Marmara-Meer.

Die jetzigen Tage find es nicht, die man wählen muß, um von Konstantinopel
einen Gesammtüberblick und einen möglichst langbleibenden Eindruck zu erhalten.
Fast wie in Deutschland sind auch hier im Januar und Februar die heiteren
Morgen, Mittage und Abende spärlich gezählt. Am Himmel behaupten in dieser
Jahreszeit die grauen, bleichen, sturmgetriebenen Wolken die Oberhand, die sonst
so tiefblaue Flut des Bospors und der Propontiö verblassen unter ihrem Wider¬
schein und kaum reicht, von den südlichen Hängen des Perahngels aus, das
Auge bis zu den Prinzeninseln und den jenseit derselben gelegenen Gestaden
des Busens von Jsmid. Die sonst spiegelglatte Meeresfläche ist in Bewegung
und rollt in hohen Wogen; man sieht die Brandung die einsame Klippe des
Leanderthnnnes umtosen und an der Serailspitze den Schaum bis zu den
Fenstern des "Sommerharems" (eigentliche poww an seiail) spritzen. Wer
Stambul in seiner ganzen, hinreißenden, majestätischen Pracht schauen will, der
möge im Herbst hierherkommen, zur Zeit, wo die Nächte bereits merklich länger
geworden sind und die Lust reiner zu sein pflegt vom wirbelnden Staub der
heißen Jahreszeit. Nachdem ich hundertmal den Anblick genossen und im An¬
schauen der über die Grenzen zweier Welttheile, da, wo sie am schönsten sind,
hinausgreifenden Landschaft geschwelgt, verbleibt nach wie vor das sehnende
verlangen in mir, immer aufs neue die Augen daran zu weiden. Mit den
glühendsten Farben aber haben sich in meinem Gedächtniß die Erinnerungen an
die Tage verewigt, wo ich die Kaiserstadt (Czarigrad nennt der Nüsse Konstan-
tuwpel), sei es auf längere oder kürzere Zeit, verließ, und vom schnellen Dampf¬
schiff rasch entführt, ihr magisches, traumhaftes Bild nach und nach hinter den


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Militärische Landschaftsbilder ans der Türkei.
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Zins dem Marmara-Meer.

Die jetzigen Tage find es nicht, die man wählen muß, um von Konstantinopel
einen Gesammtüberblick und einen möglichst langbleibenden Eindruck zu erhalten.
Fast wie in Deutschland sind auch hier im Januar und Februar die heiteren
Morgen, Mittage und Abende spärlich gezählt. Am Himmel behaupten in dieser
Jahreszeit die grauen, bleichen, sturmgetriebenen Wolken die Oberhand, die sonst
so tiefblaue Flut des Bospors und der Propontiö verblassen unter ihrem Wider¬
schein und kaum reicht, von den südlichen Hängen des Perahngels aus, das
Auge bis zu den Prinzeninseln und den jenseit derselben gelegenen Gestaden
des Busens von Jsmid. Die sonst spiegelglatte Meeresfläche ist in Bewegung
und rollt in hohen Wogen; man sieht die Brandung die einsame Klippe des
Leanderthnnnes umtosen und an der Serailspitze den Schaum bis zu den
Fenstern des „Sommerharems" (eigentliche poww an seiail) spritzen. Wer
Stambul in seiner ganzen, hinreißenden, majestätischen Pracht schauen will, der
möge im Herbst hierherkommen, zur Zeit, wo die Nächte bereits merklich länger
geworden sind und die Lust reiner zu sein pflegt vom wirbelnden Staub der
heißen Jahreszeit. Nachdem ich hundertmal den Anblick genossen und im An¬
schauen der über die Grenzen zweier Welttheile, da, wo sie am schönsten sind,
hinausgreifenden Landschaft geschwelgt, verbleibt nach wie vor das sehnende
verlangen in mir, immer aufs neue die Augen daran zu weiden. Mit den
glühendsten Farben aber haben sich in meinem Gedächtniß die Erinnerungen an
die Tage verewigt, wo ich die Kaiserstadt (Czarigrad nennt der Nüsse Konstan-
tuwpel), sei es auf längere oder kürzere Zeit, verließ, und vom schnellen Dampf¬
schiff rasch entführt, ihr magisches, traumhaftes Bild nach und nach hinter den


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[0289] Militärische Landschaftsbilder ans der Türkei. e',^!i,^ N!-.^ j-,^ ^n Zins dem Marmara-Meer. Die jetzigen Tage find es nicht, die man wählen muß, um von Konstantinopel einen Gesammtüberblick und einen möglichst langbleibenden Eindruck zu erhalten. Fast wie in Deutschland sind auch hier im Januar und Februar die heiteren Morgen, Mittage und Abende spärlich gezählt. Am Himmel behaupten in dieser Jahreszeit die grauen, bleichen, sturmgetriebenen Wolken die Oberhand, die sonst so tiefblaue Flut des Bospors und der Propontiö verblassen unter ihrem Wider¬ schein und kaum reicht, von den südlichen Hängen des Perahngels aus, das Auge bis zu den Prinzeninseln und den jenseit derselben gelegenen Gestaden des Busens von Jsmid. Die sonst spiegelglatte Meeresfläche ist in Bewegung und rollt in hohen Wogen; man sieht die Brandung die einsame Klippe des Leanderthnnnes umtosen und an der Serailspitze den Schaum bis zu den Fenstern des „Sommerharems" (eigentliche poww an seiail) spritzen. Wer Stambul in seiner ganzen, hinreißenden, majestätischen Pracht schauen will, der möge im Herbst hierherkommen, zur Zeit, wo die Nächte bereits merklich länger geworden sind und die Lust reiner zu sein pflegt vom wirbelnden Staub der heißen Jahreszeit. Nachdem ich hundertmal den Anblick genossen und im An¬ schauen der über die Grenzen zweier Welttheile, da, wo sie am schönsten sind, hinausgreifenden Landschaft geschwelgt, verbleibt nach wie vor das sehnende verlangen in mir, immer aufs neue die Augen daran zu weiden. Mit den glühendsten Farben aber haben sich in meinem Gedächtniß die Erinnerungen an die Tage verewigt, wo ich die Kaiserstadt (Czarigrad nennt der Nüsse Konstan- tuwpel), sei es auf längere oder kürzere Zeit, verließ, und vom schnellen Dampf¬ schiff rasch entführt, ihr magisches, traumhaftes Bild nach und nach hinter den Grenzboten. I. <8si. 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/289>, abgerufen am 22.07.2024.