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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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grünen Hängen der Bosporusufer, oder, wenn ich der Dardanellenseeenge
zusegelte, am fernen Meereshorizont verschwinden sah.

Das Panorama, welches der nach Süden Steuernde um sich hat, ist ohne
Frage das großartigere von beiden. Sobald vom Hafen, (dem "goldenen Horn")
ans die Spitze des Serails umschifft ist, hat mau jenen und den Bospor zugleich
verlassen. Der Bug des Fahrzeugs ist auf die Juseln Antigonia und Axia hin¬
gewendet. Gewaltig greifen die mächtige" Schaufelräder des Dampfers in die
tiefblaue Flut ein und führen uns im Fluge am Leanderthurm, an der großen,
weißschimmernden Caserne von Skutari und dem stadtartig gebauten Dorfe Ka-
dikoy vorüber. Dort, in der Nähe, stand einst der Palast des Belisar. Es ist
derselbe Punkt, auf welchem vor Jahrtausenden die alte megarische Pflanzstadt
Chalkedon sich erhoben; noch führt der kleine Fluß, welcher ganz nahe bei dem
Dorfe mündet, im Munde der griechischen Bevölkerung diesen Namen. Die
Türken nennen ihn Knrbali.

Eine halbe Stunde darnach hat man die Prinzeninseln zur linken und
Stambul, mit seinen hochragenden Kuppeln und Minarets schon weit hinter sich.
Mit einem Blick vermag man das langgedehnte, mauerbewehrte, häuserbedeckte
Gestade, von der Citadelle Jeti-Knicker (Sieben-Thürme) bis zum Sercü-Hu-
majuu (Serail) zu umfassen. Die Kuppel zunächst dem Serail, welche vier
riesenhohe, himmelanragende Minarets umstehen, ist die der Aga Sophia. Links
von ihr ragt Sultan Achmeds Moschee; der Raum zwischen beiden aber ist alt¬
classischer Boden. Unmittelbar vor dem letztgedachten muselmännischen Tempel
breitet sich ein länglicher von stattlichen Konacks (türkischen Häusern) umstandener
Platz, den die Bekenner Muhameds At-Meidan (Pferdemarkt) nennen. Es ist
der alte Hippodrom. Der gewaltige Obelisk, den Theodosius vom Nil nach
Bvzanz schassen ließ, steht dort noch hoch aufrecht. Peik-scholl eSki (Sehr, sehr
alt!) sagen die Türken, wenn man sie um ihre Meinung über die Herkunft des
Monvlython fragt. -- Das Schiff ist eben jetzt zu der Stelle gelangt, ans wel¬
cher Admiral Duckworth im Jahre 18V7 mit der englischen Flotte vor Anker lag.
Damals agirten die beiden Nationen, welche sich gegenwärtig zur Erhaltung des
türkischen Reiches aufrichtig die Hände reichen, ans diesem Felde feindlich wider
einander. Aus der ganzen seewärts gewendeten Seite des byzantinischen Dreiecks
hatte General Sebastiani seine Offiziere vertheilt; Batterien erhoben sich bei der
Sieben-Thurm-Citadelle, bei Jeui-Mahalle, am Kra-Kaxa (Sand-Thor) und
im Garten des Kiosks (sprich Köschy von Gut-Hane (Serail). Die Röhre der
am letzteren Ort placirt gewesenen Geschütze liegen wol noch jetzt dort, unter
Schutt und Trümmern.

Inzwischen dampft der Steamer ohne Aufenthalt vorwärts. Es ist Abend
geworden. Grau schimmern links rückwärts die hohen Inseln Kalki und Prinkipv,
schon halb in der Dämmerung verschwimmend, die hier, namentlich in der guten


grünen Hängen der Bosporusufer, oder, wenn ich der Dardanellenseeenge
zusegelte, am fernen Meereshorizont verschwinden sah.

Das Panorama, welches der nach Süden Steuernde um sich hat, ist ohne
Frage das großartigere von beiden. Sobald vom Hafen, (dem „goldenen Horn")
ans die Spitze des Serails umschifft ist, hat mau jenen und den Bospor zugleich
verlassen. Der Bug des Fahrzeugs ist auf die Juseln Antigonia und Axia hin¬
gewendet. Gewaltig greifen die mächtige» Schaufelräder des Dampfers in die
tiefblaue Flut ein und führen uns im Fluge am Leanderthurm, an der großen,
weißschimmernden Caserne von Skutari und dem stadtartig gebauten Dorfe Ka-
dikoy vorüber. Dort, in der Nähe, stand einst der Palast des Belisar. Es ist
derselbe Punkt, auf welchem vor Jahrtausenden die alte megarische Pflanzstadt
Chalkedon sich erhoben; noch führt der kleine Fluß, welcher ganz nahe bei dem
Dorfe mündet, im Munde der griechischen Bevölkerung diesen Namen. Die
Türken nennen ihn Knrbali.

Eine halbe Stunde darnach hat man die Prinzeninseln zur linken und
Stambul, mit seinen hochragenden Kuppeln und Minarets schon weit hinter sich.
Mit einem Blick vermag man das langgedehnte, mauerbewehrte, häuserbedeckte
Gestade, von der Citadelle Jeti-Knicker (Sieben-Thürme) bis zum Sercü-Hu-
majuu (Serail) zu umfassen. Die Kuppel zunächst dem Serail, welche vier
riesenhohe, himmelanragende Minarets umstehen, ist die der Aga Sophia. Links
von ihr ragt Sultan Achmeds Moschee; der Raum zwischen beiden aber ist alt¬
classischer Boden. Unmittelbar vor dem letztgedachten muselmännischen Tempel
breitet sich ein länglicher von stattlichen Konacks (türkischen Häusern) umstandener
Platz, den die Bekenner Muhameds At-Meidan (Pferdemarkt) nennen. Es ist
der alte Hippodrom. Der gewaltige Obelisk, den Theodosius vom Nil nach
Bvzanz schassen ließ, steht dort noch hoch aufrecht. Peik-scholl eSki (Sehr, sehr
alt!) sagen die Türken, wenn man sie um ihre Meinung über die Herkunft des
Monvlython fragt. — Das Schiff ist eben jetzt zu der Stelle gelangt, ans wel¬
cher Admiral Duckworth im Jahre 18V7 mit der englischen Flotte vor Anker lag.
Damals agirten die beiden Nationen, welche sich gegenwärtig zur Erhaltung des
türkischen Reiches aufrichtig die Hände reichen, ans diesem Felde feindlich wider
einander. Aus der ganzen seewärts gewendeten Seite des byzantinischen Dreiecks
hatte General Sebastiani seine Offiziere vertheilt; Batterien erhoben sich bei der
Sieben-Thurm-Citadelle, bei Jeui-Mahalle, am Kra-Kaxa (Sand-Thor) und
im Garten des Kiosks (sprich Köschy von Gut-Hane (Serail). Die Röhre der
am letzteren Ort placirt gewesenen Geschütze liegen wol noch jetzt dort, unter
Schutt und Trümmern.

Inzwischen dampft der Steamer ohne Aufenthalt vorwärts. Es ist Abend
geworden. Grau schimmern links rückwärts die hohen Inseln Kalki und Prinkipv,
schon halb in der Dämmerung verschwimmend, die hier, namentlich in der guten


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[0290] grünen Hängen der Bosporusufer, oder, wenn ich der Dardanellenseeenge zusegelte, am fernen Meereshorizont verschwinden sah. Das Panorama, welches der nach Süden Steuernde um sich hat, ist ohne Frage das großartigere von beiden. Sobald vom Hafen, (dem „goldenen Horn") ans die Spitze des Serails umschifft ist, hat mau jenen und den Bospor zugleich verlassen. Der Bug des Fahrzeugs ist auf die Juseln Antigonia und Axia hin¬ gewendet. Gewaltig greifen die mächtige» Schaufelräder des Dampfers in die tiefblaue Flut ein und führen uns im Fluge am Leanderthurm, an der großen, weißschimmernden Caserne von Skutari und dem stadtartig gebauten Dorfe Ka- dikoy vorüber. Dort, in der Nähe, stand einst der Palast des Belisar. Es ist derselbe Punkt, auf welchem vor Jahrtausenden die alte megarische Pflanzstadt Chalkedon sich erhoben; noch führt der kleine Fluß, welcher ganz nahe bei dem Dorfe mündet, im Munde der griechischen Bevölkerung diesen Namen. Die Türken nennen ihn Knrbali. Eine halbe Stunde darnach hat man die Prinzeninseln zur linken und Stambul, mit seinen hochragenden Kuppeln und Minarets schon weit hinter sich. Mit einem Blick vermag man das langgedehnte, mauerbewehrte, häuserbedeckte Gestade, von der Citadelle Jeti-Knicker (Sieben-Thürme) bis zum Sercü-Hu- majuu (Serail) zu umfassen. Die Kuppel zunächst dem Serail, welche vier riesenhohe, himmelanragende Minarets umstehen, ist die der Aga Sophia. Links von ihr ragt Sultan Achmeds Moschee; der Raum zwischen beiden aber ist alt¬ classischer Boden. Unmittelbar vor dem letztgedachten muselmännischen Tempel breitet sich ein länglicher von stattlichen Konacks (türkischen Häusern) umstandener Platz, den die Bekenner Muhameds At-Meidan (Pferdemarkt) nennen. Es ist der alte Hippodrom. Der gewaltige Obelisk, den Theodosius vom Nil nach Bvzanz schassen ließ, steht dort noch hoch aufrecht. Peik-scholl eSki (Sehr, sehr alt!) sagen die Türken, wenn man sie um ihre Meinung über die Herkunft des Monvlython fragt. — Das Schiff ist eben jetzt zu der Stelle gelangt, ans wel¬ cher Admiral Duckworth im Jahre 18V7 mit der englischen Flotte vor Anker lag. Damals agirten die beiden Nationen, welche sich gegenwärtig zur Erhaltung des türkischen Reiches aufrichtig die Hände reichen, ans diesem Felde feindlich wider einander. Aus der ganzen seewärts gewendeten Seite des byzantinischen Dreiecks hatte General Sebastiani seine Offiziere vertheilt; Batterien erhoben sich bei der Sieben-Thurm-Citadelle, bei Jeui-Mahalle, am Kra-Kaxa (Sand-Thor) und im Garten des Kiosks (sprich Köschy von Gut-Hane (Serail). Die Röhre der am letzteren Ort placirt gewesenen Geschütze liegen wol noch jetzt dort, unter Schutt und Trümmern. Inzwischen dampft der Steamer ohne Aufenthalt vorwärts. Es ist Abend geworden. Grau schimmern links rückwärts die hohen Inseln Kalki und Prinkipv, schon halb in der Dämmerung verschwimmend, die hier, namentlich in der guten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/290>, abgerufen am 24.08.2024.