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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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zur östlichen Spitze Amerikas war unbekannt. Die Wallfischfänger kannten die
Westküste Grönlands,, und die Händler der Hudsonbaigesellschaft die Bucht dieses
Namens. Das Vorhandensein der Bafstnsbai ward mehr behauptet als geglaubt;
und damit war die damalige Bekanntschaft mit den hydrographischen Verhältnissen
jener Regionen zu Ende. Die Admiralität beschloß 1818, zwei Expeditionen ab¬
zusenden; die eine sollte die Davisstraße hinauf soweit als möglich nach Norden
segeln, und sich dann nach Westen wenden; die andere auf dem Meridian von
Greenwich grade nordwärts segeln. Die erste Expedition führte Capitän John
Noß, ohne aber seinen Jnstructionen genügend nachzukommen. Er kam nördlich
blos bis Smithsnnd, segelte ans dem Rückwege ruhig an Jonessund vorbei, und
ließ sich durch vermeintliche Berge, die gar nicht existirten, abhalten, in dem Lan-
castersnnd nach Westen vorzudringen. Die ganze Frucht seiner Reise war eine
genauere Bekanntschaft mit den Usern der Bafstnsbai. Die zweite Expedition
unter Capitän Buchan hatte keine andern Resultate als ein angenehmes und
unterhaltendes Buch, aber nicht infolge der Untüchtigkeit des Capitäns, sondern
weil jenseits Spitzbergen in der That nichts zu finden zu sein scheint. Die große
Epoche der Nvrdpvlarentdecknngen beginnt mit ParryS erster Fahrt. Der uner¬
schrockene Muth, die kühle Umsicht, die unermüdliche Ausdauer dieses Seefahrers
und das unbegrenzte Vertrauen, welches infolge dieser Eigenschaften seine Unter-
gebenen auf ihn setzten, machten ihn zu solchen mühevollen Unternehmungen beson¬
ders geeignet. Auch hat er sich in der Geschichte der Nordpolarentdeckungen ein
schönes Denkmal gesetzt, denn er ist immer noch derjenige, welcher zu Schiffe am
weitesten westlich vorgedrungen ist, und deu Weg zur Entdeckung der nordwest¬
lichen Durchfahrt hat er zuerst gewiesen. Was später entdeckt worden ist, liegt
theils in südlicher, theils in nördlicher Richtung von der von ihm eingeschlagenen
Bahn: es siud die Küsten des Priuzrcgcutenkauals, Northsomerset und Prinz von
Walesland, und nördlich der Wellingtoukcinal; die neuerdings entdeckte Durchfahrt
ist viel weiter südlich, und noch kein Schiff hat sie befahren.

Nach der Rückkehr von seiner dritten Reise unternahm Parry eine Schlitten¬
bootreise von Spitzberge" nach Norden. Das Resultat, so interessant es ist, ist in
wenig Worten gegeben. Am 26. Juli erreichten die Reisenden 82" 40' 23" n. B.
19" 2S' söll. L. Der Thermometer stand im Schatten 31"--36" und 57" in
der Sonne; mit 600 Faden war kein Grund zu finden. Die Reiseuden waren
von der Stelle, wo sie dle Hecla, ihr Schiff, verlasse" hatten, nur 172 englische
Meilen nach Norden vorgedrungen, und im ganzen 292 Meilen. Nach Parrys
Berechnung hatten sie jedoch in Wirklichkeit 668 Meilen zurückgelegt, aber manche
Meile drei und sogar fünfmal machen müssen, weil eine gewaltige, südwestlich
gehende Strömung das Eis viel schneller nach Süden treibt, als die Schlitten
nach Norden vordringen konnten.

Capitän Lyon trat seine Reise mit einem einzigen Schiff an, was die Gefahren


, 21 *

zur östlichen Spitze Amerikas war unbekannt. Die Wallfischfänger kannten die
Westküste Grönlands,, und die Händler der Hudsonbaigesellschaft die Bucht dieses
Namens. Das Vorhandensein der Bafstnsbai ward mehr behauptet als geglaubt;
und damit war die damalige Bekanntschaft mit den hydrographischen Verhältnissen
jener Regionen zu Ende. Die Admiralität beschloß 1818, zwei Expeditionen ab¬
zusenden; die eine sollte die Davisstraße hinauf soweit als möglich nach Norden
segeln, und sich dann nach Westen wenden; die andere auf dem Meridian von
Greenwich grade nordwärts segeln. Die erste Expedition führte Capitän John
Noß, ohne aber seinen Jnstructionen genügend nachzukommen. Er kam nördlich
blos bis Smithsnnd, segelte ans dem Rückwege ruhig an Jonessund vorbei, und
ließ sich durch vermeintliche Berge, die gar nicht existirten, abhalten, in dem Lan-
castersnnd nach Westen vorzudringen. Die ganze Frucht seiner Reise war eine
genauere Bekanntschaft mit den Usern der Bafstnsbai. Die zweite Expedition
unter Capitän Buchan hatte keine andern Resultate als ein angenehmes und
unterhaltendes Buch, aber nicht infolge der Untüchtigkeit des Capitäns, sondern
weil jenseits Spitzbergen in der That nichts zu finden zu sein scheint. Die große
Epoche der Nvrdpvlarentdecknngen beginnt mit ParryS erster Fahrt. Der uner¬
schrockene Muth, die kühle Umsicht, die unermüdliche Ausdauer dieses Seefahrers
und das unbegrenzte Vertrauen, welches infolge dieser Eigenschaften seine Unter-
gebenen auf ihn setzten, machten ihn zu solchen mühevollen Unternehmungen beson¬
ders geeignet. Auch hat er sich in der Geschichte der Nordpolarentdeckungen ein
schönes Denkmal gesetzt, denn er ist immer noch derjenige, welcher zu Schiffe am
weitesten westlich vorgedrungen ist, und deu Weg zur Entdeckung der nordwest¬
lichen Durchfahrt hat er zuerst gewiesen. Was später entdeckt worden ist, liegt
theils in südlicher, theils in nördlicher Richtung von der von ihm eingeschlagenen
Bahn: es siud die Küsten des Priuzrcgcutenkauals, Northsomerset und Prinz von
Walesland, und nördlich der Wellingtoukcinal; die neuerdings entdeckte Durchfahrt
ist viel weiter südlich, und noch kein Schiff hat sie befahren.

Nach der Rückkehr von seiner dritten Reise unternahm Parry eine Schlitten¬
bootreise von Spitzberge» nach Norden. Das Resultat, so interessant es ist, ist in
wenig Worten gegeben. Am 26. Juli erreichten die Reisenden 82" 40' 23" n. B.
19» 2S' söll. L. Der Thermometer stand im Schatten 31"—36" und 57" in
der Sonne; mit 600 Faden war kein Grund zu finden. Die Reiseuden waren
von der Stelle, wo sie dle Hecla, ihr Schiff, verlasse« hatten, nur 172 englische
Meilen nach Norden vorgedrungen, und im ganzen 292 Meilen. Nach Parrys
Berechnung hatten sie jedoch in Wirklichkeit 668 Meilen zurückgelegt, aber manche
Meile drei und sogar fünfmal machen müssen, weil eine gewaltige, südwestlich
gehende Strömung das Eis viel schneller nach Süden treibt, als die Schlitten
nach Norden vordringen konnten.

Capitän Lyon trat seine Reise mit einem einzigen Schiff an, was die Gefahren


, 21 *
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/171>, abgerufen am 22.07.2024.