Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.ken bekämpfen mögen. Diese Art Parität fordern wir von allen deutschen Staaten, Grenzdoieu IV. >I8ö4> 55
ken bekämpfen mögen. Diese Art Parität fordern wir von allen deutschen Staaten, Grenzdoieu IV. >I8ö4> 55
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0441" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98755"/> <p xml:id="ID_1398" prev="#ID_1397"> ken bekämpfen mögen. Diese Art Parität fordern wir von allen deutschen Staaten,<lb/> ohne daß damit der individuelle Religionscharakter der einzelnen aufgehoben wäre;<lb/> Preußen bleibt nach wie vor ein protestantischer Staat, so gut wie England, wenn<lb/> es auch den Katholiken völlig gleiche Rechte einräumt. Es vermag das letztere<lb/> eben nicht in seiner kirchlichen, sondern in seiner rechtlich-politischen Function. —<lb/> Auch über den eigentlichen Kern der Frage, ob nämlich der Protestantismus revo¬<lb/> lutionär oder conservativ sei, können wir Herrn Stahl nur theilweise beipflichten.<lb/> Zwar hat er insofern mit seinen Gegnern leichtes Spiel, da diese mit mehr Be¬<lb/> hagen als Witz ihren Absehen gegen den Protestantismus an den Tag legen, ohne<lb/> irgendwie nach den historischen Thatsachen zu fragen. Die Revolution und den<lb/> Absolutismus aus der Reformation herzuleiten, ist schon insofern eine Thorheit,<lb/> als das Princip der Revolution sich vorzugsweise bei den katholischen Völkern ent¬<lb/> wickelt hat; als ferner die Reformation im strengen Gegensatz gegen den Jesuitis¬<lb/> mus eine bestehende göttliche Rechtsordnung neben der kirchlichen anerkennt. Aber<lb/> wenn Herr Stahl weiter geht und es als ein charakteristisches Kennzeichen der evan¬<lb/> gelischen Kirche ausstellt, daß sie die Gewalt der Obrigkeit überhaupt aus ein un¬<lb/> mittelbares Gebot Gottes gründe, so müssen wir uns auf Seite seiner Gegner<lb/> stellen. Diese haben vollkommen recht, wenn sie die Feststellung jenes Grundsatzes<lb/> innerhalb der lutherischen Kirche aus der Mitwirkung der Unistände herleiten, und<lb/> Herr Stahl hätte seine Entrüstung über diese Herleitung wol sparen können, da<lb/> er wissen muß, daß auch dle göttlichste Thatsache unter endlichen Bedingungen<lb/> in die Erscheinung tritt und von ihnen modificirt wird, und daß die Protestanten<lb/> in Schottland, in Frankreich ze., bei denen andere Umstände obwalteten, jenen<lb/> Grundsatz nicht ausgestellt haben. In unsern Tagen, wo das Princip der Legi¬<lb/> timität thatsächlich nnr in äußerst wenigen Fällen durchzuführen sein dürfte, darf<lb/> man Gott nicht mehr bei einer Einrichtung ins Spiel bringen, die, wie alles Ir¬<lb/> dische, dem Wechsel der Zeiten unterworfen ist. — Eine interessante Monographie<lb/> ist der Vortrag des Prof. Hirsch: Das Handwerk und die Zünfte in der christ¬<lb/> lichen Gesellschaft, vornämlich in Deutschland. Der Verfasser benutzt seine um¬<lb/> fassende Kenntniß von der innern Geschichte Deutschlands zu geistvollen und an¬<lb/> ziehenden Combinationen, die aber alle an dem Fehler leiden,, daß mit Gewalt<lb/> alle bürgerlichen Einrichtungen aus die Religion bezogen werden. Das Christen¬<lb/> thum hat im römischen Reich nicht vermocht, jene rechtliche Rehabilitation des<lb/> Handwerks, deren sich Deutschland in so hohem Grade erfreute, anzubahnen; es<lb/> ist also augenscheinlich, daß das eine ans dem andern nicht herzuleiten ist, und<lb/> daß man eine Causalverbindung nnr durch sophistische Trugschlüsse herstellen kann.<lb/> — — Ein dritter Vortrag: über das religiöse Leben im Islam, von Abeken<lb/> zeichnet sich durch unparteiische Würdigung dieser eingreifenden religiösen Erschei¬<lb/> nung aus. — Die übrigen Abhandlungen, die uns zu keiner Bemerkung Veranlas¬<lb/> sung geben , führen wir einfach an l Die göttliche Stuseuordnung im alten Testa¬<lb/> ment, vom Generalsuperiutendent Hoffman n in Berlin; Jerusalem, seine Vor¬<lb/> zeit, Gegenwart und Zukunft in der Zeit und nach der Zeit und des evangelischen<lb/> Christen Stellung zu ihr, von Dr. Friedrich Liebetrut; über die Stellung der<lb/> Frauen im Alterthum und in der christlichen Zeit, von Dr. Wiese; und die Be¬<lb/> wohner der Ostküste Südafrikas, vom Missionar Schultheis. —</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzdoieu IV. >I8ö4> 55</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0441]
ken bekämpfen mögen. Diese Art Parität fordern wir von allen deutschen Staaten,
ohne daß damit der individuelle Religionscharakter der einzelnen aufgehoben wäre;
Preußen bleibt nach wie vor ein protestantischer Staat, so gut wie England, wenn
es auch den Katholiken völlig gleiche Rechte einräumt. Es vermag das letztere
eben nicht in seiner kirchlichen, sondern in seiner rechtlich-politischen Function. —
Auch über den eigentlichen Kern der Frage, ob nämlich der Protestantismus revo¬
lutionär oder conservativ sei, können wir Herrn Stahl nur theilweise beipflichten.
Zwar hat er insofern mit seinen Gegnern leichtes Spiel, da diese mit mehr Be¬
hagen als Witz ihren Absehen gegen den Protestantismus an den Tag legen, ohne
irgendwie nach den historischen Thatsachen zu fragen. Die Revolution und den
Absolutismus aus der Reformation herzuleiten, ist schon insofern eine Thorheit,
als das Princip der Revolution sich vorzugsweise bei den katholischen Völkern ent¬
wickelt hat; als ferner die Reformation im strengen Gegensatz gegen den Jesuitis¬
mus eine bestehende göttliche Rechtsordnung neben der kirchlichen anerkennt. Aber
wenn Herr Stahl weiter geht und es als ein charakteristisches Kennzeichen der evan¬
gelischen Kirche ausstellt, daß sie die Gewalt der Obrigkeit überhaupt aus ein un¬
mittelbares Gebot Gottes gründe, so müssen wir uns auf Seite seiner Gegner
stellen. Diese haben vollkommen recht, wenn sie die Feststellung jenes Grundsatzes
innerhalb der lutherischen Kirche aus der Mitwirkung der Unistände herleiten, und
Herr Stahl hätte seine Entrüstung über diese Herleitung wol sparen können, da
er wissen muß, daß auch dle göttlichste Thatsache unter endlichen Bedingungen
in die Erscheinung tritt und von ihnen modificirt wird, und daß die Protestanten
in Schottland, in Frankreich ze., bei denen andere Umstände obwalteten, jenen
Grundsatz nicht ausgestellt haben. In unsern Tagen, wo das Princip der Legi¬
timität thatsächlich nnr in äußerst wenigen Fällen durchzuführen sein dürfte, darf
man Gott nicht mehr bei einer Einrichtung ins Spiel bringen, die, wie alles Ir¬
dische, dem Wechsel der Zeiten unterworfen ist. — Eine interessante Monographie
ist der Vortrag des Prof. Hirsch: Das Handwerk und die Zünfte in der christ¬
lichen Gesellschaft, vornämlich in Deutschland. Der Verfasser benutzt seine um¬
fassende Kenntniß von der innern Geschichte Deutschlands zu geistvollen und an¬
ziehenden Combinationen, die aber alle an dem Fehler leiden,, daß mit Gewalt
alle bürgerlichen Einrichtungen aus die Religion bezogen werden. Das Christen¬
thum hat im römischen Reich nicht vermocht, jene rechtliche Rehabilitation des
Handwerks, deren sich Deutschland in so hohem Grade erfreute, anzubahnen; es
ist also augenscheinlich, daß das eine ans dem andern nicht herzuleiten ist, und
daß man eine Causalverbindung nnr durch sophistische Trugschlüsse herstellen kann.
— — Ein dritter Vortrag: über das religiöse Leben im Islam, von Abeken
zeichnet sich durch unparteiische Würdigung dieser eingreifenden religiösen Erschei¬
nung aus. — Die übrigen Abhandlungen, die uns zu keiner Bemerkung Veranlas¬
sung geben , führen wir einfach an l Die göttliche Stuseuordnung im alten Testa¬
ment, vom Generalsuperiutendent Hoffman n in Berlin; Jerusalem, seine Vor¬
zeit, Gegenwart und Zukunft in der Zeit und nach der Zeit und des evangelischen
Christen Stellung zu ihr, von Dr. Friedrich Liebetrut; über die Stellung der
Frauen im Alterthum und in der christlichen Zeit, von Dr. Wiese; und die Be¬
wohner der Ostküste Südafrikas, vom Missionar Schultheis. —
Grenzdoieu IV. >I8ö4> 55
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