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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Denkmal der Septembergefallcnen der belgischen Revolution, dann den Platz
vor dem Hotel de Ville, auf welchem Herzog Alba die Grasen Egmont und
Hoorn nebst den andern brabantischen und flandrischen Edlen enthaupten ließ
und auf welchem man jetzt noch das große prächtige Palais zeigt, aus welchem
Alba der Hinrichtung zuschaute, und endlich den Place royal mit seinen herrlichen
Monumenten erwähnen wollen. Da wir einmal beim Place royal sind, so
können wir, zumal es in den Nachmittagstunden zwischen 2--i Uhr ist, es
nicht versäumen, den dicht am Place royal und den Boulevards gelegenen
Park, den Versammlungsort der vornehmen und diplomatischen Welt Brüssels
zu besuchen . . . Hier sieht man die elegantesten, geschmakvollsten und frischesten
Damentoiletten, die Männer der hohen Finanz und des diplomatischen Corps;
insbesondere ist es unter letzterem die russische Colonie, welche hier zahlreich
vertreten ist und durch Pracht und Eleganz glänzt. Diese sogenannte russische
Colonie Brüssels besteht aus einer Menge Diplomaten verschiedenen Ranges
und Geschlechts, die sich nach Abberufung der Gesandten aus Paris und London
hier zusammengefunden haben. Baron Kiselcff, der frühere Vertreter des
Zaren am Tuileriencabinet, die Fürstin Lieven, Guizots langjährige Freundin,
die schöne Gemahlin des Herrn von Brünnow, früheren russischen Gesandten
in England, das sind die Mittelpunkte, um welche sich die übrigen Moskoviter
gruppiren. Indessen die höheren Gesellschaftskreise ähneln sich überall mehr
oder minder und bieten selten Originalitäten dar, wir durchstreifen daher nur
flüchtig den Park, steigen wieder aus den oberen Quatieren der Stadt
herab und lenken, indem wir die Rue Madelaine passiren, unsre Schritte nach
der großen Frucht- und Blumenhalle Brüssels. Man denke sich eine ungeheure
ovale, mit Glasfenstern überdeckte Halle, deren Umfang vielleicht größer ist,
wie der Markt mancher kleinen Stadt, und in dem inneren Raum dieser
Rundung Hunderte von Verkäufern und Verkäuferinnen vor ihren großen Obst-
und Gemüsekörben sitzend und in französischer, flamländischer und holländischer
Zunge durcheinanderrufen, schreien und kreischen. Hier sieht man zwischen
Bergen von Melonen und Pfirsichen den phlegmatischen holländischen Bauer
mit seinem lange" blauen Rock, der rothen Weste mit den großen runden, stark¬
versilberten Knöpfen und dem dreieckigen Hut, die beliebte nationale Thonpfeife
im Munde, beschaulich umherwandeln, wartend bis die Käufer zu ihm kommen;
dort preiset eine runde, derbe Flamländerin in ihrer eigenthümlichen, viel Ähn¬
lichkeit mit dem Plattdeutschen habenden Sprache, einer flamländischen Köchin
-- die Flamländerinnen sind in Brüssel als Dienstboten grade so gesucht
wie in Paris die Mädchen aus der Normandie und Picardie oder in Leipzig
die thüringischen Mädchen -- ihren Blumenkohl und Artischocken an; hier
rufen uns brabantische Landmädchen mit den kleinen, weißen Mützchen, welche
kaum die dichten schwarzen Flechten bedecken, in ihrem französischen, etwas breit


Denkmal der Septembergefallcnen der belgischen Revolution, dann den Platz
vor dem Hotel de Ville, auf welchem Herzog Alba die Grasen Egmont und
Hoorn nebst den andern brabantischen und flandrischen Edlen enthaupten ließ
und auf welchem man jetzt noch das große prächtige Palais zeigt, aus welchem
Alba der Hinrichtung zuschaute, und endlich den Place royal mit seinen herrlichen
Monumenten erwähnen wollen. Da wir einmal beim Place royal sind, so
können wir, zumal es in den Nachmittagstunden zwischen 2—i Uhr ist, es
nicht versäumen, den dicht am Place royal und den Boulevards gelegenen
Park, den Versammlungsort der vornehmen und diplomatischen Welt Brüssels
zu besuchen . . . Hier sieht man die elegantesten, geschmakvollsten und frischesten
Damentoiletten, die Männer der hohen Finanz und des diplomatischen Corps;
insbesondere ist es unter letzterem die russische Colonie, welche hier zahlreich
vertreten ist und durch Pracht und Eleganz glänzt. Diese sogenannte russische
Colonie Brüssels besteht aus einer Menge Diplomaten verschiedenen Ranges
und Geschlechts, die sich nach Abberufung der Gesandten aus Paris und London
hier zusammengefunden haben. Baron Kiselcff, der frühere Vertreter des
Zaren am Tuileriencabinet, die Fürstin Lieven, Guizots langjährige Freundin,
die schöne Gemahlin des Herrn von Brünnow, früheren russischen Gesandten
in England, das sind die Mittelpunkte, um welche sich die übrigen Moskoviter
gruppiren. Indessen die höheren Gesellschaftskreise ähneln sich überall mehr
oder minder und bieten selten Originalitäten dar, wir durchstreifen daher nur
flüchtig den Park, steigen wieder aus den oberen Quatieren der Stadt
herab und lenken, indem wir die Rue Madelaine passiren, unsre Schritte nach
der großen Frucht- und Blumenhalle Brüssels. Man denke sich eine ungeheure
ovale, mit Glasfenstern überdeckte Halle, deren Umfang vielleicht größer ist,
wie der Markt mancher kleinen Stadt, und in dem inneren Raum dieser
Rundung Hunderte von Verkäufern und Verkäuferinnen vor ihren großen Obst-
und Gemüsekörben sitzend und in französischer, flamländischer und holländischer
Zunge durcheinanderrufen, schreien und kreischen. Hier sieht man zwischen
Bergen von Melonen und Pfirsichen den phlegmatischen holländischen Bauer
mit seinem lange» blauen Rock, der rothen Weste mit den großen runden, stark¬
versilberten Knöpfen und dem dreieckigen Hut, die beliebte nationale Thonpfeife
im Munde, beschaulich umherwandeln, wartend bis die Käufer zu ihm kommen;
dort preiset eine runde, derbe Flamländerin in ihrer eigenthümlichen, viel Ähn¬
lichkeit mit dem Plattdeutschen habenden Sprache, einer flamländischen Köchin
— die Flamländerinnen sind in Brüssel als Dienstboten grade so gesucht
wie in Paris die Mädchen aus der Normandie und Picardie oder in Leipzig
die thüringischen Mädchen — ihren Blumenkohl und Artischocken an; hier
rufen uns brabantische Landmädchen mit den kleinen, weißen Mützchen, welche
kaum die dichten schwarzen Flechten bedecken, in ihrem französischen, etwas breit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/430>, abgerufen am 24.08.2024.