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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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gegen findet man diese Gattung von Menschen entweder gar nicht oder doch
nur in sehr kleiner Anzahl. Die Straßen von Brüssel sind auch sehr lebhaft,
aber es ist eine andere Lebendigkeit als die der Pariser. Man .sieht eS allen
den Leuten in den Brüsseler Straßen an, daß sie nicht aus Müßiggang, aus
Langweile oder des Vergnügens halber auf dem Pflaster herumlaufen, son¬
dern daß sie in Geschäften sind und eilig haben. Selbst in der prächtigen
Passage Saint-Hubert mit der Galerie du Roi und de la Reine, vielleicht
der schönsten und herrlichsten, die es gibt und welche die berühmten Pariser
Passagen weit übertrifft, sieht man, so lebhaft und voll von Menschen die
Passage auch von früh bis spät am Abend, wo sie im Lichterglanze funkelt,
ist, nur wenig Leute vor den hohen Fenstern, hinter welchen die Kunst und
Industrie ihre Schätze aufgebaut, stehen bleiben -- sie werfen einen flüchtigen
Blick hinein und eilen vorüber, dem Geschäft, der Arbeit nach. Wenn man
Paris die Stadt des Vergnügens nennt , so möchten wir Brüssel die Stadt der
Arbeit, der Industrie nennen . . . Aber man findet in Brüssel auf den
Straßen auch nicht jene so herabgekommenen Gestalten und Erscheinungen, wie
sie sonst gewöhnlich in großen Städten auftauchen. Solche zerlumpte, ab¬
gerissene Vagabondenfiguren, denen man ansieht, daß sie die Nacht unter der
Vorhalle einer Kirche oder Schauspielhauses zugebracht haben, wie man sie so
häufig in Paris, vorzüglich aber an den Brücken und den Quais sehen kann,
solche wüste Eckenstehergestalten, wie man sie in den Straßen Berlins erblickt,
muß man in Brüssel such en, um sie zu finden, während sie sich dort fortwährend
vor unsre Blicke schieben . . . Ebenso ist es auch mit den Straßenbettlern.
Wir waren zu einer Zeit in Brüssel, wo die Theuerung der nothwendigsten
Lebensbedürfnisse, des Brotes und der Kartoffeln, auf eine für die Armen ent¬
setzliche Höhe gestiegen und Brvdkrawalle vor dem Hotel de Ville an der Tages¬
ordnung waren, aber wir müßten lügen, wenn wir behaupteten, außer von ein
paar kleinen Gassenbuben, von irgendeinem Armen nur um ein paar Centimes
oder Sous angesprochen worden zu sein, während man in andern großen Städten
die Hand nicht aus der Tasche bringen kann. --,

Eine andere Annehmlichkeit, welche Brüssel vor vielen Städten gleichen
Ranges und gleicher Größe voraushat und die jeden Fremden bei dem ersten
Eintritt und Gang durch die Stadt angenehm überrascht, ist die Sauberkeit in
allen Straßen und in den mit Mosaik ausgelegten äußern Hausfluren. Wie
angenehm wird der Fremde überrascht, wenn er von dem alten Köln mit seinen
hohen Häusern, engen, dunklen Gassen und dem in den Gossen fließenden, oft
übelriechenden Wasser, in die hellen, breiten Straßen Brüssels'mit ihren
eleganten Häusern und prächtigen Hotels kommt. Und dann diese weiten freien
Plätze, von welchen wir nur den Place de Monnaie mit seiner Menge
brillanter Cafvs und dem Theater royal, dann den Place des Martyrs mit dem


gegen findet man diese Gattung von Menschen entweder gar nicht oder doch
nur in sehr kleiner Anzahl. Die Straßen von Brüssel sind auch sehr lebhaft,
aber es ist eine andere Lebendigkeit als die der Pariser. Man .sieht eS allen
den Leuten in den Brüsseler Straßen an, daß sie nicht aus Müßiggang, aus
Langweile oder des Vergnügens halber auf dem Pflaster herumlaufen, son¬
dern daß sie in Geschäften sind und eilig haben. Selbst in der prächtigen
Passage Saint-Hubert mit der Galerie du Roi und de la Reine, vielleicht
der schönsten und herrlichsten, die es gibt und welche die berühmten Pariser
Passagen weit übertrifft, sieht man, so lebhaft und voll von Menschen die
Passage auch von früh bis spät am Abend, wo sie im Lichterglanze funkelt,
ist, nur wenig Leute vor den hohen Fenstern, hinter welchen die Kunst und
Industrie ihre Schätze aufgebaut, stehen bleiben — sie werfen einen flüchtigen
Blick hinein und eilen vorüber, dem Geschäft, der Arbeit nach. Wenn man
Paris die Stadt des Vergnügens nennt , so möchten wir Brüssel die Stadt der
Arbeit, der Industrie nennen . . . Aber man findet in Brüssel auf den
Straßen auch nicht jene so herabgekommenen Gestalten und Erscheinungen, wie
sie sonst gewöhnlich in großen Städten auftauchen. Solche zerlumpte, ab¬
gerissene Vagabondenfiguren, denen man ansieht, daß sie die Nacht unter der
Vorhalle einer Kirche oder Schauspielhauses zugebracht haben, wie man sie so
häufig in Paris, vorzüglich aber an den Brücken und den Quais sehen kann,
solche wüste Eckenstehergestalten, wie man sie in den Straßen Berlins erblickt,
muß man in Brüssel such en, um sie zu finden, während sie sich dort fortwährend
vor unsre Blicke schieben . . . Ebenso ist es auch mit den Straßenbettlern.
Wir waren zu einer Zeit in Brüssel, wo die Theuerung der nothwendigsten
Lebensbedürfnisse, des Brotes und der Kartoffeln, auf eine für die Armen ent¬
setzliche Höhe gestiegen und Brvdkrawalle vor dem Hotel de Ville an der Tages¬
ordnung waren, aber wir müßten lügen, wenn wir behaupteten, außer von ein
paar kleinen Gassenbuben, von irgendeinem Armen nur um ein paar Centimes
oder Sous angesprochen worden zu sein, während man in andern großen Städten
die Hand nicht aus der Tasche bringen kann. —,

Eine andere Annehmlichkeit, welche Brüssel vor vielen Städten gleichen
Ranges und gleicher Größe voraushat und die jeden Fremden bei dem ersten
Eintritt und Gang durch die Stadt angenehm überrascht, ist die Sauberkeit in
allen Straßen und in den mit Mosaik ausgelegten äußern Hausfluren. Wie
angenehm wird der Fremde überrascht, wenn er von dem alten Köln mit seinen
hohen Häusern, engen, dunklen Gassen und dem in den Gossen fließenden, oft
übelriechenden Wasser, in die hellen, breiten Straßen Brüssels'mit ihren
eleganten Häusern und prächtigen Hotels kommt. Und dann diese weiten freien
Plätze, von welchen wir nur den Place de Monnaie mit seiner Menge
brillanter Cafvs und dem Theater royal, dann den Place des Martyrs mit dem


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[0429] gegen findet man diese Gattung von Menschen entweder gar nicht oder doch nur in sehr kleiner Anzahl. Die Straßen von Brüssel sind auch sehr lebhaft, aber es ist eine andere Lebendigkeit als die der Pariser. Man .sieht eS allen den Leuten in den Brüsseler Straßen an, daß sie nicht aus Müßiggang, aus Langweile oder des Vergnügens halber auf dem Pflaster herumlaufen, son¬ dern daß sie in Geschäften sind und eilig haben. Selbst in der prächtigen Passage Saint-Hubert mit der Galerie du Roi und de la Reine, vielleicht der schönsten und herrlichsten, die es gibt und welche die berühmten Pariser Passagen weit übertrifft, sieht man, so lebhaft und voll von Menschen die Passage auch von früh bis spät am Abend, wo sie im Lichterglanze funkelt, ist, nur wenig Leute vor den hohen Fenstern, hinter welchen die Kunst und Industrie ihre Schätze aufgebaut, stehen bleiben — sie werfen einen flüchtigen Blick hinein und eilen vorüber, dem Geschäft, der Arbeit nach. Wenn man Paris die Stadt des Vergnügens nennt , so möchten wir Brüssel die Stadt der Arbeit, der Industrie nennen . . . Aber man findet in Brüssel auf den Straßen auch nicht jene so herabgekommenen Gestalten und Erscheinungen, wie sie sonst gewöhnlich in großen Städten auftauchen. Solche zerlumpte, ab¬ gerissene Vagabondenfiguren, denen man ansieht, daß sie die Nacht unter der Vorhalle einer Kirche oder Schauspielhauses zugebracht haben, wie man sie so häufig in Paris, vorzüglich aber an den Brücken und den Quais sehen kann, solche wüste Eckenstehergestalten, wie man sie in den Straßen Berlins erblickt, muß man in Brüssel such en, um sie zu finden, während sie sich dort fortwährend vor unsre Blicke schieben . . . Ebenso ist es auch mit den Straßenbettlern. Wir waren zu einer Zeit in Brüssel, wo die Theuerung der nothwendigsten Lebensbedürfnisse, des Brotes und der Kartoffeln, auf eine für die Armen ent¬ setzliche Höhe gestiegen und Brvdkrawalle vor dem Hotel de Ville an der Tages¬ ordnung waren, aber wir müßten lügen, wenn wir behaupteten, außer von ein paar kleinen Gassenbuben, von irgendeinem Armen nur um ein paar Centimes oder Sous angesprochen worden zu sein, während man in andern großen Städten die Hand nicht aus der Tasche bringen kann. —, Eine andere Annehmlichkeit, welche Brüssel vor vielen Städten gleichen Ranges und gleicher Größe voraushat und die jeden Fremden bei dem ersten Eintritt und Gang durch die Stadt angenehm überrascht, ist die Sauberkeit in allen Straßen und in den mit Mosaik ausgelegten äußern Hausfluren. Wie angenehm wird der Fremde überrascht, wenn er von dem alten Köln mit seinen hohen Häusern, engen, dunklen Gassen und dem in den Gossen fließenden, oft übelriechenden Wasser, in die hellen, breiten Straßen Brüssels'mit ihren eleganten Häusern und prächtigen Hotels kommt. Und dann diese weiten freien Plätze, von welchen wir nur den Place de Monnaie mit seiner Menge brillanter Cafvs und dem Theater royal, dann den Place des Martyrs mit dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/429>, abgerufen am 29.12.2024.