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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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rechte Hand des Feldzeugmeisters Heß im Bereich der Fürstenthümer. Was
eine directe und beschleunigte Ausführung erheische, gehe durch ihn. Er ist
'übrigens noch jung und mag mit Siemers in einem Alter stehen, d. h. etwa
sechsunddreißig Jahre zählen.

Kalik war bis zu Beginn der orientalischen Wirren im östreichischen Ge¬
neralstab angestellt, und darnach Chef derjenigen Abtheilung der Wiener Ope¬
rationskanzlei, welche alle auf die Türkei Bezug nehmenden militärischen An¬
gelegenheiten zu bearbeiten hat. Das Feld, auf welches er sich jetzt hingewiesen
findet, war ihm mithin bereits durch längere Arbeiten bekannt.

Wie es heißt, will Omer Pascha auf zehn Tage hierher kommen. Wenn
es geschieht, ist es ein letzter Versuch, den der Serdar Ekrem macht, um seinem
Ansehen, welches seit dem Donauübergang der Russen unbestritten gelitten hat
und durch das Verhalten, welches er dem bedrängten Silistria gegenüber inne¬
hielt, mindestens Abbruch erlitt, wieder aufzuhelfen und dem drohenden Sturze
vorzubeugen. Natürlich betrachtet er die ganze Frage nur von dem Stand¬
punkte der Ehre, die er als angetastet erachten würde, wenn es seinen Feinden
gelingen sollte, seine förmliche Absetzung zu bewirken. Das hohe Gehalt eines
Oberfeldherrn hat kein Gewicht in seinen Augen, und auch seine Gegner wissen
sehr wohl, daß Gewinnsucht nie das Motiv irgend seiner Handlungen gewesen
ist. Er gilt für keinen guten Wirth, und nach türkischer Großen Weise mögen
manche Forderungen, welche Handwerker, Kaufleute und Lieferanten an seine
Privalkasse zu machen hatten, längere Zeit hindurch unberichtigt geblieben sein;
aber im allgemeinen sind seine finanziellen Verhältnisse regulirt, und wenn ich
recht unterrichtet bin, hat er den Anfang zur Begründung eines unabhängigen
Vermögens gemacht, dessen Belauf man auf die, für die in Rede stehenden
Verhältnisse nur geringfügige Summe von dreimalhunderttausend Gulden Con¬
ventionsmünze veranschlagen kann.

Die hier herrschende Witterung ist erschrecklich schlecht und hat die meisten
Straßen in breite Kothrinnen verwandelt. Seit etwa vierzehn Tagen regnet
es fast ununterbrochen, und nur dann und wann blickt auf die Dauer einer
Viertel- oder halben Stunde die Sonne durch die finsteren Wolkenschleier. Das
sind äußerst üble Verhältnisse sür die. Fußgänger, und zu diesen gehören die
bei weitem meisten auch der bemittelten Classen, denn Wagen sind nur von
wenigen Reichen gehalten und können in den meisten Stadtgegenden nicht be-
nutzt werden, weil die Straßen theils zu steil, theils zu eng und winklig sind
-- aber der Vegetation wird mächtig durch den starken Zufluß von Feuchtigkeit
Vorschub geleistet. Die Abhänge aller Berge sind aufs neue mit dem frische¬
sten Grün bedeckt, und nachdem in den jüngsten Tagen der Wind, welcher
lange Zeit beständig aus Norden wehte und es so rauh machte, daß die Kohlen¬
pfanne, welche man hier Mangal nennt, in allen Zimmern, auch der Aermsten,


rechte Hand des Feldzeugmeisters Heß im Bereich der Fürstenthümer. Was
eine directe und beschleunigte Ausführung erheische, gehe durch ihn. Er ist
'übrigens noch jung und mag mit Siemers in einem Alter stehen, d. h. etwa
sechsunddreißig Jahre zählen.

Kalik war bis zu Beginn der orientalischen Wirren im östreichischen Ge¬
neralstab angestellt, und darnach Chef derjenigen Abtheilung der Wiener Ope¬
rationskanzlei, welche alle auf die Türkei Bezug nehmenden militärischen An¬
gelegenheiten zu bearbeiten hat. Das Feld, auf welches er sich jetzt hingewiesen
findet, war ihm mithin bereits durch längere Arbeiten bekannt.

Wie es heißt, will Omer Pascha auf zehn Tage hierher kommen. Wenn
es geschieht, ist es ein letzter Versuch, den der Serdar Ekrem macht, um seinem
Ansehen, welches seit dem Donauübergang der Russen unbestritten gelitten hat
und durch das Verhalten, welches er dem bedrängten Silistria gegenüber inne¬
hielt, mindestens Abbruch erlitt, wieder aufzuhelfen und dem drohenden Sturze
vorzubeugen. Natürlich betrachtet er die ganze Frage nur von dem Stand¬
punkte der Ehre, die er als angetastet erachten würde, wenn es seinen Feinden
gelingen sollte, seine förmliche Absetzung zu bewirken. Das hohe Gehalt eines
Oberfeldherrn hat kein Gewicht in seinen Augen, und auch seine Gegner wissen
sehr wohl, daß Gewinnsucht nie das Motiv irgend seiner Handlungen gewesen
ist. Er gilt für keinen guten Wirth, und nach türkischer Großen Weise mögen
manche Forderungen, welche Handwerker, Kaufleute und Lieferanten an seine
Privalkasse zu machen hatten, längere Zeit hindurch unberichtigt geblieben sein;
aber im allgemeinen sind seine finanziellen Verhältnisse regulirt, und wenn ich
recht unterrichtet bin, hat er den Anfang zur Begründung eines unabhängigen
Vermögens gemacht, dessen Belauf man auf die, für die in Rede stehenden
Verhältnisse nur geringfügige Summe von dreimalhunderttausend Gulden Con¬
ventionsmünze veranschlagen kann.

Die hier herrschende Witterung ist erschrecklich schlecht und hat die meisten
Straßen in breite Kothrinnen verwandelt. Seit etwa vierzehn Tagen regnet
es fast ununterbrochen, und nur dann und wann blickt auf die Dauer einer
Viertel- oder halben Stunde die Sonne durch die finsteren Wolkenschleier. Das
sind äußerst üble Verhältnisse sür die. Fußgänger, und zu diesen gehören die
bei weitem meisten auch der bemittelten Classen, denn Wagen sind nur von
wenigen Reichen gehalten und können in den meisten Stadtgegenden nicht be-
nutzt werden, weil die Straßen theils zu steil, theils zu eng und winklig sind
— aber der Vegetation wird mächtig durch den starken Zufluß von Feuchtigkeit
Vorschub geleistet. Die Abhänge aller Berge sind aufs neue mit dem frische¬
sten Grün bedeckt, und nachdem in den jüngsten Tagen der Wind, welcher
lange Zeit beständig aus Norden wehte und es so rauh machte, daß die Kohlen¬
pfanne, welche man hier Mangal nennt, in allen Zimmern, auch der Aermsten,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/382>, abgerufen am 22.07.2024.