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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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zu schwächen oder gar in gesammter Stärke nach einem entlegenen Kriegsschau¬
platz zu führen.

Seit Ausbruch des Krieges haben England und Frankreich beständig Com-
missäre im Hauptquartier Omer Paschas gehabt, und neuerdings hat auch
Oestreich einen solchen in der Person des Oberstlieutenants Kalik gesendet.

Sie kennen den Colonel Dien, welcher an der besagten Stelle Frankreich
zu vertreten hat, aus vielfachen biographischen Notizen, die zur Zeit der falschen
Nachricht von seinem Tode (April 183i) in den französischen Journalen abge¬
druckt waren. Es ist ein kleiner Mann, von nicht eben einnehmenden Zügen,
aber eher gewinnend in seinem Benehmen, wie abstoßend, spricht ruhig und
überlegsam, scheint ein guter Zeichner zu sein und besitzt jedenfalls schätzens-
werthe militärische Kenntnisse. Seine beiden Adjutanten sind Capitains vom
französischen Generalstab und liebenswürdige Offiziere.

Eine wesentlich andere Persönlichkeit ist der, in gleicher Eigenschaft wie
Oberst Dien bei Omer Pascha commandirte Bevollmächtigte Englands, der
frühere Hauptmann (Capitain) und jetzige Oberstlieutenant Siemers. Er ist
eine hohe Gestalt, mit offenem, aber sehr klugem Gesicht, im Auftreten von ge¬
ringerer Zurückhaltung, als der Franzose, fast lebhafter als dieser, der Waffe
nach Ingenieur, aber erst seit Ausbruch des Krieges wieder reactivirt, nach¬
dem er vorher den Abschied genommen und sich viele Jahre hindurch dem Eisen¬
bahnwesen gewidmet hatte. Er steht in directer Correnspondenz mit dem eng¬
lischen Ministerium und dem Lord Stratford zu Konstantinopel, hat aber kein
gutes Einvernehmen zwischen sich und dem Chef der britischen Operalivnöarmee,
Lord Raglan, zu vermitteln gewußt.

,, Oberstlieutenant Siemers ist im allgemeinen wenig beliebt, und wenn
Omer Pascha eine gewisse Affection für ihn kundgibt, handelt er dabei wol
lediglich politisch und nicht aufrichtig. Ueberhaupt ist es ihm wol nur lästig,
in solcher Gesellschaft zubringen zu müssen, und er wünscht die Rathgeber und
Berichterstatter, welche ihm officiell zur Seite gestellt worden sind, über alle
Berge.

Oberstlieutenant Kalik hat letztlich ein Trio voll gemacht, in welches man
als dritten nicht füglich einen mit den beiden ersten weniger stimmenden
Mann hineinstellen konnte. Wie ich höre, ist er nicht beständig im os-
manischen Hauptquartier, sondern macht dann und wann Reisen. Ich kenne
ihn persönlich nur flüchtig vom Ansehen her, und mein Urtheil, soweit es
hierauf beruhen könnte, wäre darum äußerst begrenzt; allein mir ist vieles
von unterrichteter Seite her über ihn mitgetheilt worden, was mir zu einer
gewissen Anschauung über seine Carriere, .seinen Charakter, und seine Fähig¬
keiten verholfen hat. Die letzteren wurden mir von mehren Seiten als ganz
bedeutend geschildert, und man bemerkte dabei übereinstimmend: Kalik sei die


zu schwächen oder gar in gesammter Stärke nach einem entlegenen Kriegsschau¬
platz zu führen.

Seit Ausbruch des Krieges haben England und Frankreich beständig Com-
missäre im Hauptquartier Omer Paschas gehabt, und neuerdings hat auch
Oestreich einen solchen in der Person des Oberstlieutenants Kalik gesendet.

Sie kennen den Colonel Dien, welcher an der besagten Stelle Frankreich
zu vertreten hat, aus vielfachen biographischen Notizen, die zur Zeit der falschen
Nachricht von seinem Tode (April 183i) in den französischen Journalen abge¬
druckt waren. Es ist ein kleiner Mann, von nicht eben einnehmenden Zügen,
aber eher gewinnend in seinem Benehmen, wie abstoßend, spricht ruhig und
überlegsam, scheint ein guter Zeichner zu sein und besitzt jedenfalls schätzens-
werthe militärische Kenntnisse. Seine beiden Adjutanten sind Capitains vom
französischen Generalstab und liebenswürdige Offiziere.

Eine wesentlich andere Persönlichkeit ist der, in gleicher Eigenschaft wie
Oberst Dien bei Omer Pascha commandirte Bevollmächtigte Englands, der
frühere Hauptmann (Capitain) und jetzige Oberstlieutenant Siemers. Er ist
eine hohe Gestalt, mit offenem, aber sehr klugem Gesicht, im Auftreten von ge¬
ringerer Zurückhaltung, als der Franzose, fast lebhafter als dieser, der Waffe
nach Ingenieur, aber erst seit Ausbruch des Krieges wieder reactivirt, nach¬
dem er vorher den Abschied genommen und sich viele Jahre hindurch dem Eisen¬
bahnwesen gewidmet hatte. Er steht in directer Correnspondenz mit dem eng¬
lischen Ministerium und dem Lord Stratford zu Konstantinopel, hat aber kein
gutes Einvernehmen zwischen sich und dem Chef der britischen Operalivnöarmee,
Lord Raglan, zu vermitteln gewußt.

,, Oberstlieutenant Siemers ist im allgemeinen wenig beliebt, und wenn
Omer Pascha eine gewisse Affection für ihn kundgibt, handelt er dabei wol
lediglich politisch und nicht aufrichtig. Ueberhaupt ist es ihm wol nur lästig,
in solcher Gesellschaft zubringen zu müssen, und er wünscht die Rathgeber und
Berichterstatter, welche ihm officiell zur Seite gestellt worden sind, über alle
Berge.

Oberstlieutenant Kalik hat letztlich ein Trio voll gemacht, in welches man
als dritten nicht füglich einen mit den beiden ersten weniger stimmenden
Mann hineinstellen konnte. Wie ich höre, ist er nicht beständig im os-
manischen Hauptquartier, sondern macht dann und wann Reisen. Ich kenne
ihn persönlich nur flüchtig vom Ansehen her, und mein Urtheil, soweit es
hierauf beruhen könnte, wäre darum äußerst begrenzt; allein mir ist vieles
von unterrichteter Seite her über ihn mitgetheilt worden, was mir zu einer
gewissen Anschauung über seine Carriere, .seinen Charakter, und seine Fähig¬
keiten verholfen hat. Die letzteren wurden mir von mehren Seiten als ganz
bedeutend geschildert, und man bemerkte dabei übereinstimmend: Kalik sei die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/381>, abgerufen am 22.07.2024.