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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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ist schwer vorauszusetzen, da uns die Hilfsmittel der einfallenden Partei und
die Stimmung der Bewohner der Insel nur wenig bekannt sind. Haben sich
die Amerikaner erst glücklich auf der Insel festgesetzt, so wird es ihnen an
Nachzug nicht fehlen, denn für ein solches Unternehmen finden sich immer
Abenteurer genug in den Vereinigten Staaten, und amerikanische Büchsen¬
schützen sind keine zu verachtenden Gegner. Die Spanier dagegen verlassen
sich auf die 20--23,000 guten Truppen, die sie auf der Insel haben, und auf
ihr Uebergewicht an Reiterei und Artillerie, in welchen beiden Waffen die Ein¬
dringlinge jedenfalls sehr schwach sein werden. Der spanische Soldat ficht,
wenn er gut geführt wird, mit großer Tapferkeit, und gutdisciplinirte Truppen
werden auf freier Ebene und wo es gilt sich in größerer Masse zu bewegen,
immer mehr Aussicht auf den Sieg haben, als Freischärler, mögen diese auch
so tapfer und kaltblütig wie die Amerikaner sein. Was die einheimische Be¬
völkerung betrifft, so werden die verweichlichten Creolen weder dem Angreifer
noch dem Vertheidiger von besonderem Nutzen sein; der Theil, der wirklich
die amerikanische Herrschaft herbeiwünscht, soll ein kleiner sein. Was von
Angloamerikanern auf der Insel eristirt, würde sich selbstverständlich um das
Sternenbanner scharen. Unbedingte Anhänger der spanischen Regierung da¬
gegen sind die europäischen Spanier, meistens Basken und Katalanen, 30,000
an der Zahl, die eine sehr tüchtige Miliz abgeben würden. Die zahlreiche
Negerbevölkerung endlich, die ihre spanischen Herrn durchaus nicht mit ameri¬
kanischen zu vertauschen wünscht, und die recht gut weiß, wie schlimmer gestellt
sogar die freien Farbigen in socialer Hinsicht in den Vereinigten Staaten
sind, würde wie ein Mann aufstehen, wenn man den Versuch wagt, sie zu be¬
waffnen. Die eigenthümliche Art des Negers zu fechten macht ihn zu einem
äußerst gefährlichen Gegner. Die Neger geben eine Salve, warten das feind¬
liche Feuer ab, werfen die Musketen weg, und stürzen dann wie Verzweifelte
mit dem Messer zum Handgemenge.

In der Wahl General Conchas zum Generalcapitän ist die spanische Re¬
gierung sehr glücklich gewesen. Er ist ein gescheidter und entschlossener Mann,
reich an Hilfsmitteln und besitzt das Vertrauen der Truppen im höchsten
Grade. Außerdem erfreut er sich einer großen Popularität bei der Mehrzahl
der Bewohner Cubas, und die Spanier daselbst schwärmen für ihn und sind
bereit, alles für ihn zu opfern. Demnach dürften also die Amerikaner auf
schnelle Erfolge nicht rechnen können, solange die gegenwärtigen Verhältnisse
bleiben. Aber wie lange wird das altersschwache Spanien eine solche Fort¬
dauer der Anstrengung gegen seinen jugendkräftigen und umsichgreifenden
Nachbqr aushalten, ohne von einer der europäischen Seemächte unterstützt zu
werden? Allerdings livgt es nicht im Interesse Englands oder Frankreichs,
daß sich die Vereinigten Staaten Cubas und damit der unbedingten Herrschaft


Grenzboten. IV. 48Si. , i/t

ist schwer vorauszusetzen, da uns die Hilfsmittel der einfallenden Partei und
die Stimmung der Bewohner der Insel nur wenig bekannt sind. Haben sich
die Amerikaner erst glücklich auf der Insel festgesetzt, so wird es ihnen an
Nachzug nicht fehlen, denn für ein solches Unternehmen finden sich immer
Abenteurer genug in den Vereinigten Staaten, und amerikanische Büchsen¬
schützen sind keine zu verachtenden Gegner. Die Spanier dagegen verlassen
sich auf die 20—23,000 guten Truppen, die sie auf der Insel haben, und auf
ihr Uebergewicht an Reiterei und Artillerie, in welchen beiden Waffen die Ein¬
dringlinge jedenfalls sehr schwach sein werden. Der spanische Soldat ficht,
wenn er gut geführt wird, mit großer Tapferkeit, und gutdisciplinirte Truppen
werden auf freier Ebene und wo es gilt sich in größerer Masse zu bewegen,
immer mehr Aussicht auf den Sieg haben, als Freischärler, mögen diese auch
so tapfer und kaltblütig wie die Amerikaner sein. Was die einheimische Be¬
völkerung betrifft, so werden die verweichlichten Creolen weder dem Angreifer
noch dem Vertheidiger von besonderem Nutzen sein; der Theil, der wirklich
die amerikanische Herrschaft herbeiwünscht, soll ein kleiner sein. Was von
Angloamerikanern auf der Insel eristirt, würde sich selbstverständlich um das
Sternenbanner scharen. Unbedingte Anhänger der spanischen Regierung da¬
gegen sind die europäischen Spanier, meistens Basken und Katalanen, 30,000
an der Zahl, die eine sehr tüchtige Miliz abgeben würden. Die zahlreiche
Negerbevölkerung endlich, die ihre spanischen Herrn durchaus nicht mit ameri¬
kanischen zu vertauschen wünscht, und die recht gut weiß, wie schlimmer gestellt
sogar die freien Farbigen in socialer Hinsicht in den Vereinigten Staaten
sind, würde wie ein Mann aufstehen, wenn man den Versuch wagt, sie zu be¬
waffnen. Die eigenthümliche Art des Negers zu fechten macht ihn zu einem
äußerst gefährlichen Gegner. Die Neger geben eine Salve, warten das feind¬
liche Feuer ab, werfen die Musketen weg, und stürzen dann wie Verzweifelte
mit dem Messer zum Handgemenge.

In der Wahl General Conchas zum Generalcapitän ist die spanische Re¬
gierung sehr glücklich gewesen. Er ist ein gescheidter und entschlossener Mann,
reich an Hilfsmitteln und besitzt das Vertrauen der Truppen im höchsten
Grade. Außerdem erfreut er sich einer großen Popularität bei der Mehrzahl
der Bewohner Cubas, und die Spanier daselbst schwärmen für ihn und sind
bereit, alles für ihn zu opfern. Demnach dürften also die Amerikaner auf
schnelle Erfolge nicht rechnen können, solange die gegenwärtigen Verhältnisse
bleiben. Aber wie lange wird das altersschwache Spanien eine solche Fort¬
dauer der Anstrengung gegen seinen jugendkräftigen und umsichgreifenden
Nachbqr aushalten, ohne von einer der europäischen Seemächte unterstützt zu
werden? Allerdings livgt es nicht im Interesse Englands oder Frankreichs,
daß sich die Vereinigten Staaten Cubas und damit der unbedingten Herrschaft


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[0353] ist schwer vorauszusetzen, da uns die Hilfsmittel der einfallenden Partei und die Stimmung der Bewohner der Insel nur wenig bekannt sind. Haben sich die Amerikaner erst glücklich auf der Insel festgesetzt, so wird es ihnen an Nachzug nicht fehlen, denn für ein solches Unternehmen finden sich immer Abenteurer genug in den Vereinigten Staaten, und amerikanische Büchsen¬ schützen sind keine zu verachtenden Gegner. Die Spanier dagegen verlassen sich auf die 20—23,000 guten Truppen, die sie auf der Insel haben, und auf ihr Uebergewicht an Reiterei und Artillerie, in welchen beiden Waffen die Ein¬ dringlinge jedenfalls sehr schwach sein werden. Der spanische Soldat ficht, wenn er gut geführt wird, mit großer Tapferkeit, und gutdisciplinirte Truppen werden auf freier Ebene und wo es gilt sich in größerer Masse zu bewegen, immer mehr Aussicht auf den Sieg haben, als Freischärler, mögen diese auch so tapfer und kaltblütig wie die Amerikaner sein. Was die einheimische Be¬ völkerung betrifft, so werden die verweichlichten Creolen weder dem Angreifer noch dem Vertheidiger von besonderem Nutzen sein; der Theil, der wirklich die amerikanische Herrschaft herbeiwünscht, soll ein kleiner sein. Was von Angloamerikanern auf der Insel eristirt, würde sich selbstverständlich um das Sternenbanner scharen. Unbedingte Anhänger der spanischen Regierung da¬ gegen sind die europäischen Spanier, meistens Basken und Katalanen, 30,000 an der Zahl, die eine sehr tüchtige Miliz abgeben würden. Die zahlreiche Negerbevölkerung endlich, die ihre spanischen Herrn durchaus nicht mit ameri¬ kanischen zu vertauschen wünscht, und die recht gut weiß, wie schlimmer gestellt sogar die freien Farbigen in socialer Hinsicht in den Vereinigten Staaten sind, würde wie ein Mann aufstehen, wenn man den Versuch wagt, sie zu be¬ waffnen. Die eigenthümliche Art des Negers zu fechten macht ihn zu einem äußerst gefährlichen Gegner. Die Neger geben eine Salve, warten das feind¬ liche Feuer ab, werfen die Musketen weg, und stürzen dann wie Verzweifelte mit dem Messer zum Handgemenge. In der Wahl General Conchas zum Generalcapitän ist die spanische Re¬ gierung sehr glücklich gewesen. Er ist ein gescheidter und entschlossener Mann, reich an Hilfsmitteln und besitzt das Vertrauen der Truppen im höchsten Grade. Außerdem erfreut er sich einer großen Popularität bei der Mehrzahl der Bewohner Cubas, und die Spanier daselbst schwärmen für ihn und sind bereit, alles für ihn zu opfern. Demnach dürften also die Amerikaner auf schnelle Erfolge nicht rechnen können, solange die gegenwärtigen Verhältnisse bleiben. Aber wie lange wird das altersschwache Spanien eine solche Fort¬ dauer der Anstrengung gegen seinen jugendkräftigen und umsichgreifenden Nachbqr aushalten, ohne von einer der europäischen Seemächte unterstützt zu werden? Allerdings livgt es nicht im Interesse Englands oder Frankreichs, daß sich die Vereinigten Staaten Cubas und damit der unbedingten Herrschaft Grenzboten. IV. 48Si. , i/t

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/353>, abgerufen am 01.07.2024.