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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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die Botschaft keine große Wirkung hervor, umsoweniger, als man damals noch
in der vollen Aufregung der eben vollbrachten Revolution war. Selbst die¬
jenigen, welche über die Erscheinungen des Tages hinauszublicken gewohnt
waren, fühlten sich von der polternden Sprache des Präsidenten wenig beängstigt.
Sie sahen darin mehr ein Bestreben des Präsidenten, sich die Volksgunst wieder¬
zugewinnen, indem er den Annerationsgelüsten des Südens schmeichelte, und
Spanien durch die beständige Aussicht auf einen Krieg sozusagen mürbe und
geneigt zu machen, Cuba'friedlich gegen eine gute runde Summe abzutreten.
Diesem letzten Plan ist Herr Sonis selbst nun abhold, und er hat im Congreß
sich laut dagegen erklärt, da Cuba in nicht allzuferner Zeit ohne einen Dollar
aufzuwenden der Union von selbst in den Schoß fallen müsse, d. h. daß eine
günstige Gelegenheit kommen müsse, wo die Vereinigten Staaten das mit
Gewalt nehmen könnten, was sie nicht mit Geld bezahlen wollen. Dennoch
mag der amerikanische Gesandte wegen der friedlichen Abtretung Cubas in
Madrid unterhandelt haben, und wir trauen dem Ministerium San Luis schon
die Kühnheit zu, dem Stolze der spanischen Nation diese Demüthigung
zu bieten.

In Madrid wird in der That behauptet, Soulv habe, um den Zweck
seines Lebens zu erreichen, seine republikanischen Gesinnungen soweit ver¬
leugnet, daß er in den intimsten Beziehungen mit den politischen Kreisen ge¬
standen, welche sich um die Königin Mutter zu versammeln pflegten, da er hier
allein habe hoffen dürfen, daß seine Vorschläge Gehör finden würden. Aus
diesem Grunde habe er auch, als die Revolution an die Stelle der frühern
corrupten Regierung Männer wie Espartero und ODonnell ans Ruder gebracht
habe, deren Charakter ein unübersteigliches Hinderniß der Erreichung seines
Lieblingsplans wurde, die extreme Partei unterstützt, welche auf den Sturz
dieser beiden Männer hinarbeitete. Die Niederlage der Barrikadenpartei und
die Entdeckung 'von Soulvs Betheiligung an ihren Wühlereien hätte als¬
dann die rasche Abreise desselben aus Madrid veranlaßt. Dies deutete ziemlich
unverholen das Diario Espaüol, eine sür ODonnells Organ geltende Zei¬
tung an.

Die Gefahr wegen Cuba ist deshalb noch nicht vorüber. Zwar hat der
amerikanische Senat die zehn Millionen Dollars, die Pierce fordert, um die
Kosten eines möglichen Kriegs mit Spanien zu decken, nicht bewilligt, und der
Präsident hat erklärt, daß er jede Verletzung der Verträge durch Privatpersonen
verhindern werde. Aber bei der Schwäche der Centralregierung in den Ver¬
einigten Staaten sichert selbst der beste Wille nicht die Ausführung derartiger
Drohungen, und bei dem lebhaften Interesse, welches die südlichen Sklaven¬
staaten an der Eroberung Cubas nehmen, können wir jeden Tag die Aus¬
rüstung eines neuen Flibustierzugs erleben. Welchen Erfolg es haben würde,


die Botschaft keine große Wirkung hervor, umsoweniger, als man damals noch
in der vollen Aufregung der eben vollbrachten Revolution war. Selbst die¬
jenigen, welche über die Erscheinungen des Tages hinauszublicken gewohnt
waren, fühlten sich von der polternden Sprache des Präsidenten wenig beängstigt.
Sie sahen darin mehr ein Bestreben des Präsidenten, sich die Volksgunst wieder¬
zugewinnen, indem er den Annerationsgelüsten des Südens schmeichelte, und
Spanien durch die beständige Aussicht auf einen Krieg sozusagen mürbe und
geneigt zu machen, Cuba'friedlich gegen eine gute runde Summe abzutreten.
Diesem letzten Plan ist Herr Sonis selbst nun abhold, und er hat im Congreß
sich laut dagegen erklärt, da Cuba in nicht allzuferner Zeit ohne einen Dollar
aufzuwenden der Union von selbst in den Schoß fallen müsse, d. h. daß eine
günstige Gelegenheit kommen müsse, wo die Vereinigten Staaten das mit
Gewalt nehmen könnten, was sie nicht mit Geld bezahlen wollen. Dennoch
mag der amerikanische Gesandte wegen der friedlichen Abtretung Cubas in
Madrid unterhandelt haben, und wir trauen dem Ministerium San Luis schon
die Kühnheit zu, dem Stolze der spanischen Nation diese Demüthigung
zu bieten.

In Madrid wird in der That behauptet, Soulv habe, um den Zweck
seines Lebens zu erreichen, seine republikanischen Gesinnungen soweit ver¬
leugnet, daß er in den intimsten Beziehungen mit den politischen Kreisen ge¬
standen, welche sich um die Königin Mutter zu versammeln pflegten, da er hier
allein habe hoffen dürfen, daß seine Vorschläge Gehör finden würden. Aus
diesem Grunde habe er auch, als die Revolution an die Stelle der frühern
corrupten Regierung Männer wie Espartero und ODonnell ans Ruder gebracht
habe, deren Charakter ein unübersteigliches Hinderniß der Erreichung seines
Lieblingsplans wurde, die extreme Partei unterstützt, welche auf den Sturz
dieser beiden Männer hinarbeitete. Die Niederlage der Barrikadenpartei und
die Entdeckung 'von Soulvs Betheiligung an ihren Wühlereien hätte als¬
dann die rasche Abreise desselben aus Madrid veranlaßt. Dies deutete ziemlich
unverholen das Diario Espaüol, eine sür ODonnells Organ geltende Zei¬
tung an.

Die Gefahr wegen Cuba ist deshalb noch nicht vorüber. Zwar hat der
amerikanische Senat die zehn Millionen Dollars, die Pierce fordert, um die
Kosten eines möglichen Kriegs mit Spanien zu decken, nicht bewilligt, und der
Präsident hat erklärt, daß er jede Verletzung der Verträge durch Privatpersonen
verhindern werde. Aber bei der Schwäche der Centralregierung in den Ver¬
einigten Staaten sichert selbst der beste Wille nicht die Ausführung derartiger
Drohungen, und bei dem lebhaften Interesse, welches die südlichen Sklaven¬
staaten an der Eroberung Cubas nehmen, können wir jeden Tag die Aus¬
rüstung eines neuen Flibustierzugs erleben. Welchen Erfolg es haben würde,


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[0352] die Botschaft keine große Wirkung hervor, umsoweniger, als man damals noch in der vollen Aufregung der eben vollbrachten Revolution war. Selbst die¬ jenigen, welche über die Erscheinungen des Tages hinauszublicken gewohnt waren, fühlten sich von der polternden Sprache des Präsidenten wenig beängstigt. Sie sahen darin mehr ein Bestreben des Präsidenten, sich die Volksgunst wieder¬ zugewinnen, indem er den Annerationsgelüsten des Südens schmeichelte, und Spanien durch die beständige Aussicht auf einen Krieg sozusagen mürbe und geneigt zu machen, Cuba'friedlich gegen eine gute runde Summe abzutreten. Diesem letzten Plan ist Herr Sonis selbst nun abhold, und er hat im Congreß sich laut dagegen erklärt, da Cuba in nicht allzuferner Zeit ohne einen Dollar aufzuwenden der Union von selbst in den Schoß fallen müsse, d. h. daß eine günstige Gelegenheit kommen müsse, wo die Vereinigten Staaten das mit Gewalt nehmen könnten, was sie nicht mit Geld bezahlen wollen. Dennoch mag der amerikanische Gesandte wegen der friedlichen Abtretung Cubas in Madrid unterhandelt haben, und wir trauen dem Ministerium San Luis schon die Kühnheit zu, dem Stolze der spanischen Nation diese Demüthigung zu bieten. In Madrid wird in der That behauptet, Soulv habe, um den Zweck seines Lebens zu erreichen, seine republikanischen Gesinnungen soweit ver¬ leugnet, daß er in den intimsten Beziehungen mit den politischen Kreisen ge¬ standen, welche sich um die Königin Mutter zu versammeln pflegten, da er hier allein habe hoffen dürfen, daß seine Vorschläge Gehör finden würden. Aus diesem Grunde habe er auch, als die Revolution an die Stelle der frühern corrupten Regierung Männer wie Espartero und ODonnell ans Ruder gebracht habe, deren Charakter ein unübersteigliches Hinderniß der Erreichung seines Lieblingsplans wurde, die extreme Partei unterstützt, welche auf den Sturz dieser beiden Männer hinarbeitete. Die Niederlage der Barrikadenpartei und die Entdeckung 'von Soulvs Betheiligung an ihren Wühlereien hätte als¬ dann die rasche Abreise desselben aus Madrid veranlaßt. Dies deutete ziemlich unverholen das Diario Espaüol, eine sür ODonnells Organ geltende Zei¬ tung an. Die Gefahr wegen Cuba ist deshalb noch nicht vorüber. Zwar hat der amerikanische Senat die zehn Millionen Dollars, die Pierce fordert, um die Kosten eines möglichen Kriegs mit Spanien zu decken, nicht bewilligt, und der Präsident hat erklärt, daß er jede Verletzung der Verträge durch Privatpersonen verhindern werde. Aber bei der Schwäche der Centralregierung in den Ver¬ einigten Staaten sichert selbst der beste Wille nicht die Ausführung derartiger Drohungen, und bei dem lebhaften Interesse, welches die südlichen Sklaven¬ staaten an der Eroberung Cubas nehmen, können wir jeden Tag die Aus¬ rüstung eines neuen Flibustierzugs erleben. Welchen Erfolg es haben würde,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/352>, abgerufen am 03.07.2024.