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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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lichkeit, dieses zu beschaffen, ist etwa der Landesfläche proportional, welche die
den Platz einschließende Angriffsarmee, behufs der Herbeibringung ihrer Be-
dinfnisse in Contribution zu setzen vermag. Bei .einer Armee, die sich der
Festung landwärts genähert hat, wird diese Uäche groß sein; bei einem Heere
dagegen, welches zur See transportirt worden und nur des Küstensaums Herr
ist, wird sie unter allen Umständen klein sein, und eben in dieser Lage befinden
sich die alliirten Truppen. Des Feindes Land bot ihnen fast nichts dar; was
sie bedurften, mußten sie von rückwärts, über das Meer hinweg kommen lassen,
und so ausnahmslos fand diese Negel Anwendung, daß selbst der Sand für
die Sandsäcke, aus denen man die kleinen Gewehrscharten für die Schützen
aufbaut und die Traverse der doppelten Sappe formirt, zu Schiff herbeigeführt
wurde.

Zu diesem Mangel an localen Ressourcen gesellte sich als ein Uebelstand
die große Ausdehnung des anzugreifenden Platzes, in deren Folge auch die
Angriffsarbeiten größere Dimensionen annehmen und im besonderen die Bat¬
terien weiter auseinandergelegt, mithin die Parallelen in längerer Linie geführt
werden mußten, als unter anderen Umständen erforderlich gewesen sein würde.

Berücksichtigt man dies alles und erwägt man außerdem, wie den Arbeiten
die Aufnahme von Plänen des Terrains, und diesen letzteren wiederum aus¬
gedehnte Necognoscirungen vorangehen mußten, ferner daß Sebastvpols Stadt-
und Arfenalbefestigung dem Angriff sechs Fronten entgegenstellt, und es für den
Jngenieurossizier nicht eben eine Kleinigkeit ist, die Stärke derselben gegenein¬
ander abzuwägen, um herauszufinden, gegen welche von den sechs man sich
mit dem größeren Vortheil wenden, d. l). welche unter ihnen den geringsten
Widerstand sowol direct als indirect durch Beihilfe der Nebenlinien entgegen¬
setzen wird, so wird man das, was vor Sebastvpol von den Verbündeten in
der ersten Hälfte des Octobers geleistet worden ist, um so anerkennenswerther
finden.

Was russischerseits während jener Zeit geschehen, ist selbstredend wenig be¬
kannt geworden. Die eine Thatsache nur ist constatirt, daß Fürst Mcnschikoff
kurz vor Beginn des Bombardements 20,000, nach anderen 30,000 Mann in
die Festung hineinwarf, und die Garnison derselben nach der ersteren Angabe
auf i0,000, nach der zweiten aus 30,000 Mann erhöhte. Diese Maßregel bin
ich nicht im Stande, gut zu heißen. Aus den zu Lande getroffenen Vorbe¬
reitungen, im besonderen ^aber aus dem Umstände, daß man zweihundert Stück
Geschütze des größten Kalibers in den Batterien der ersten Parallele aufgestellt
hatte, und aus der Nähe der Flotte mußte der russische Obergeneral unfehlbar
erkennen, daß der Angriff von der Land- und Wasserseite her geschehen und
daß er mit enormen artilleristischen Mitteln geführt werden würde. In jedem
Falle hatte er auf die concentrische Wirkung von mehr als tausend feindlichen


lichkeit, dieses zu beschaffen, ist etwa der Landesfläche proportional, welche die
den Platz einschließende Angriffsarmee, behufs der Herbeibringung ihrer Be-
dinfnisse in Contribution zu setzen vermag. Bei .einer Armee, die sich der
Festung landwärts genähert hat, wird diese Uäche groß sein; bei einem Heere
dagegen, welches zur See transportirt worden und nur des Küstensaums Herr
ist, wird sie unter allen Umständen klein sein, und eben in dieser Lage befinden
sich die alliirten Truppen. Des Feindes Land bot ihnen fast nichts dar; was
sie bedurften, mußten sie von rückwärts, über das Meer hinweg kommen lassen,
und so ausnahmslos fand diese Negel Anwendung, daß selbst der Sand für
die Sandsäcke, aus denen man die kleinen Gewehrscharten für die Schützen
aufbaut und die Traverse der doppelten Sappe formirt, zu Schiff herbeigeführt
wurde.

Zu diesem Mangel an localen Ressourcen gesellte sich als ein Uebelstand
die große Ausdehnung des anzugreifenden Platzes, in deren Folge auch die
Angriffsarbeiten größere Dimensionen annehmen und im besonderen die Bat¬
terien weiter auseinandergelegt, mithin die Parallelen in längerer Linie geführt
werden mußten, als unter anderen Umständen erforderlich gewesen sein würde.

Berücksichtigt man dies alles und erwägt man außerdem, wie den Arbeiten
die Aufnahme von Plänen des Terrains, und diesen letzteren wiederum aus¬
gedehnte Necognoscirungen vorangehen mußten, ferner daß Sebastvpols Stadt-
und Arfenalbefestigung dem Angriff sechs Fronten entgegenstellt, und es für den
Jngenieurossizier nicht eben eine Kleinigkeit ist, die Stärke derselben gegenein¬
ander abzuwägen, um herauszufinden, gegen welche von den sechs man sich
mit dem größeren Vortheil wenden, d. l). welche unter ihnen den geringsten
Widerstand sowol direct als indirect durch Beihilfe der Nebenlinien entgegen¬
setzen wird, so wird man das, was vor Sebastvpol von den Verbündeten in
der ersten Hälfte des Octobers geleistet worden ist, um so anerkennenswerther
finden.

Was russischerseits während jener Zeit geschehen, ist selbstredend wenig be¬
kannt geworden. Die eine Thatsache nur ist constatirt, daß Fürst Mcnschikoff
kurz vor Beginn des Bombardements 20,000, nach anderen 30,000 Mann in
die Festung hineinwarf, und die Garnison derselben nach der ersteren Angabe
auf i0,000, nach der zweiten aus 30,000 Mann erhöhte. Diese Maßregel bin
ich nicht im Stande, gut zu heißen. Aus den zu Lande getroffenen Vorbe¬
reitungen, im besonderen ^aber aus dem Umstände, daß man zweihundert Stück
Geschütze des größten Kalibers in den Batterien der ersten Parallele aufgestellt
hatte, und aus der Nähe der Flotte mußte der russische Obergeneral unfehlbar
erkennen, daß der Angriff von der Land- und Wasserseite her geschehen und
daß er mit enormen artilleristischen Mitteln geführt werden würde. In jedem
Falle hatte er auf die concentrische Wirkung von mehr als tausend feindlichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/268>, abgerufen am 24.08.2024.