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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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zelnen Forschungen, auf die wir hier nicht eingehen können, die aber der Wis¬
senschaft eine außerordentliche Bereicherung und jedem Freunde der Geschichte,
dem es nicht auf bloße Namen und Zahlen, sondern auf die klare Anschauung
der Zustände ankommt, einen ungewöhnlichen Genuß verschaffen. --

Wir wünschten die Anerkennung, mit der wir dieses Buch begrüßt haben,
auch auf die Geschichte der politischen Parteiungen von Wachsmuth
ausdehnen zu können. Wenn ein um die Wissenschaft so verdienter Gelehrter,
wie Professor Wachsmuth, an ein so umfangreiches Werk geht, so sollte man
wol eine innere Nothwendigkeit desselben voraussetzen dürfen; allein wir haben
bei dem besten Willen für die Stellung, welche dasselbe in der Literatur einneh¬
men soll, keinen rechtfertigenden Gesichtspunkt auffinden können. In das Gebiet
der eigentlichen Forschung gehört es nicht, was auch bei einer Weltgeschichte in
drei Bänden nicht wol möglich ist; einen bestimmten politischen oder ander¬
weitigen Zweck verfolgt es ebensowenig, und wenn die Aufgabe sein sollte, eine
abgerundete, lesbare Darstellung zu geben, so entzieht sich dem schon die Natur
des Gegenstandes. -Eine Geschichte der Parteiungen hat durchaus keinen Sinn,
wenn nicht der Inhalt dieser Parteiungen angegeben wird. Dieser Inhalt .kann
aber nur aus der Darstellung der Zustände, der Bildung, der Verwicklungen
eines Volks oder einer Zeit verstanden werden. Geschichte der politischen Par¬
teiungen wird also mit Geschichte überhaupt zusammenfallen müssen. Halb und
halb sieht auch das vorliegende Buch so aus, als ob es eine allgemeine Ge¬
schichte sein sollte, aber dazu ist die Auseinandersetzung der historischen Zustände
wieder zu dürftig, und die Form der Darstellung wird im höchsten Grade da¬
durch erschwert, da°ß bei jedem Ereigniß im Staate, wo doch nothwendig die
eine Ansicht mit der andern in Widerspruch steht, der Begriff der Parteiung
ausgesucht wird, so daß dies leidige Wort fast auf jeder Seite ein paar Mal
vorkommt. Im Anfange hatten, wir gemeint, der Verfasser wolle über die in¬
nere Natur des Parteiwesens, über seine Organisation und seinen Mechanis¬
mus eine gleichsam naturhistorische oder, wenn man will, philosophische, durch
Beispiele aus der gesammten Geschichte belegte Deduction geben; allein das ist
keineswegs.der Fall., Von der innern Mechanik der Parteien erfahren wir
äußerst wenig, nicht mehr, als was in der allgemeinen Geschichte über¬
haupt vorkommt, und so ist uns der Plan des Werks durchaus räthselhaft
geblieben. --

Die kleine Monographie über die Gracchen ist sehr fleißig und sorgfältig
gearbeitet. Der Versasser bemerkt in der Vorrede, er glaube wol nicht alle
Fehler vermieden zu haben, weiche insgemein das erste Werk eines jungen
Schriftstellers begleiten. Als Hauptfehler dieser Art erscheint uns der wichtige
Ton, der nicht immer im Verhältniß zu der Bedeutung des Gesagten steht;
indeß ist auch das bei einem jungen Schriftsteller, der dem Stoff noch frisch ge-


zelnen Forschungen, auf die wir hier nicht eingehen können, die aber der Wis¬
senschaft eine außerordentliche Bereicherung und jedem Freunde der Geschichte,
dem es nicht auf bloße Namen und Zahlen, sondern auf die klare Anschauung
der Zustände ankommt, einen ungewöhnlichen Genuß verschaffen. —

Wir wünschten die Anerkennung, mit der wir dieses Buch begrüßt haben,
auch auf die Geschichte der politischen Parteiungen von Wachsmuth
ausdehnen zu können. Wenn ein um die Wissenschaft so verdienter Gelehrter,
wie Professor Wachsmuth, an ein so umfangreiches Werk geht, so sollte man
wol eine innere Nothwendigkeit desselben voraussetzen dürfen; allein wir haben
bei dem besten Willen für die Stellung, welche dasselbe in der Literatur einneh¬
men soll, keinen rechtfertigenden Gesichtspunkt auffinden können. In das Gebiet
der eigentlichen Forschung gehört es nicht, was auch bei einer Weltgeschichte in
drei Bänden nicht wol möglich ist; einen bestimmten politischen oder ander¬
weitigen Zweck verfolgt es ebensowenig, und wenn die Aufgabe sein sollte, eine
abgerundete, lesbare Darstellung zu geben, so entzieht sich dem schon die Natur
des Gegenstandes. -Eine Geschichte der Parteiungen hat durchaus keinen Sinn,
wenn nicht der Inhalt dieser Parteiungen angegeben wird. Dieser Inhalt .kann
aber nur aus der Darstellung der Zustände, der Bildung, der Verwicklungen
eines Volks oder einer Zeit verstanden werden. Geschichte der politischen Par¬
teiungen wird also mit Geschichte überhaupt zusammenfallen müssen. Halb und
halb sieht auch das vorliegende Buch so aus, als ob es eine allgemeine Ge¬
schichte sein sollte, aber dazu ist die Auseinandersetzung der historischen Zustände
wieder zu dürftig, und die Form der Darstellung wird im höchsten Grade da¬
durch erschwert, da°ß bei jedem Ereigniß im Staate, wo doch nothwendig die
eine Ansicht mit der andern in Widerspruch steht, der Begriff der Parteiung
ausgesucht wird, so daß dies leidige Wort fast auf jeder Seite ein paar Mal
vorkommt. Im Anfange hatten, wir gemeint, der Verfasser wolle über die in¬
nere Natur des Parteiwesens, über seine Organisation und seinen Mechanis¬
mus eine gleichsam naturhistorische oder, wenn man will, philosophische, durch
Beispiele aus der gesammten Geschichte belegte Deduction geben; allein das ist
keineswegs.der Fall., Von der innern Mechanik der Parteien erfahren wir
äußerst wenig, nicht mehr, als was in der allgemeinen Geschichte über¬
haupt vorkommt, und so ist uns der Plan des Werks durchaus räthselhaft
geblieben. —

Die kleine Monographie über die Gracchen ist sehr fleißig und sorgfältig
gearbeitet. Der Versasser bemerkt in der Vorrede, er glaube wol nicht alle
Fehler vermieden zu haben, weiche insgemein das erste Werk eines jungen
Schriftstellers begleiten. Als Hauptfehler dieser Art erscheint uns der wichtige
Ton, der nicht immer im Verhältniß zu der Bedeutung des Gesagten steht;
indeß ist auch das bei einem jungen Schriftsteller, der dem Stoff noch frisch ge-


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[0264] zelnen Forschungen, auf die wir hier nicht eingehen können, die aber der Wis¬ senschaft eine außerordentliche Bereicherung und jedem Freunde der Geschichte, dem es nicht auf bloße Namen und Zahlen, sondern auf die klare Anschauung der Zustände ankommt, einen ungewöhnlichen Genuß verschaffen. — Wir wünschten die Anerkennung, mit der wir dieses Buch begrüßt haben, auch auf die Geschichte der politischen Parteiungen von Wachsmuth ausdehnen zu können. Wenn ein um die Wissenschaft so verdienter Gelehrter, wie Professor Wachsmuth, an ein so umfangreiches Werk geht, so sollte man wol eine innere Nothwendigkeit desselben voraussetzen dürfen; allein wir haben bei dem besten Willen für die Stellung, welche dasselbe in der Literatur einneh¬ men soll, keinen rechtfertigenden Gesichtspunkt auffinden können. In das Gebiet der eigentlichen Forschung gehört es nicht, was auch bei einer Weltgeschichte in drei Bänden nicht wol möglich ist; einen bestimmten politischen oder ander¬ weitigen Zweck verfolgt es ebensowenig, und wenn die Aufgabe sein sollte, eine abgerundete, lesbare Darstellung zu geben, so entzieht sich dem schon die Natur des Gegenstandes. -Eine Geschichte der Parteiungen hat durchaus keinen Sinn, wenn nicht der Inhalt dieser Parteiungen angegeben wird. Dieser Inhalt .kann aber nur aus der Darstellung der Zustände, der Bildung, der Verwicklungen eines Volks oder einer Zeit verstanden werden. Geschichte der politischen Par¬ teiungen wird also mit Geschichte überhaupt zusammenfallen müssen. Halb und halb sieht auch das vorliegende Buch so aus, als ob es eine allgemeine Ge¬ schichte sein sollte, aber dazu ist die Auseinandersetzung der historischen Zustände wieder zu dürftig, und die Form der Darstellung wird im höchsten Grade da¬ durch erschwert, da°ß bei jedem Ereigniß im Staate, wo doch nothwendig die eine Ansicht mit der andern in Widerspruch steht, der Begriff der Parteiung ausgesucht wird, so daß dies leidige Wort fast auf jeder Seite ein paar Mal vorkommt. Im Anfange hatten, wir gemeint, der Verfasser wolle über die in¬ nere Natur des Parteiwesens, über seine Organisation und seinen Mechanis¬ mus eine gleichsam naturhistorische oder, wenn man will, philosophische, durch Beispiele aus der gesammten Geschichte belegte Deduction geben; allein das ist keineswegs.der Fall., Von der innern Mechanik der Parteien erfahren wir äußerst wenig, nicht mehr, als was in der allgemeinen Geschichte über¬ haupt vorkommt, und so ist uns der Plan des Werks durchaus räthselhaft geblieben. — Die kleine Monographie über die Gracchen ist sehr fleißig und sorgfältig gearbeitet. Der Versasser bemerkt in der Vorrede, er glaube wol nicht alle Fehler vermieden zu haben, weiche insgemein das erste Werk eines jungen Schriftstellers begleiten. Als Hauptfehler dieser Art erscheint uns der wichtige Ton, der nicht immer im Verhältniß zu der Bedeutung des Gesagten steht; indeß ist auch das bei einem jungen Schriftsteller, der dem Stoff noch frisch ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/264>, abgerufen am 22.07.2024.