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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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ten. In der That gebot es die Klugheit als zweckmäßig, mit denen anzu¬
fangen, deren Ansehen dazu dienen konnte, ihnen ihre persönliche Sicherheit
zu gewährleisten, und deren Beispiel ein nützliches Bekräftigungsmittel ihrer
Gründe sein mußte. Das Christenthum, das bei seinem Beginn mit den
niedrigsten und ärmsten Ständen der Gesellschaft angefangen und erst allmälig
seinen Kris erweitert hatte, bis eS auch die Höchsten umfaßte, kehrte in Eng¬
land diesen Proceß um und begann mit den Höfen und den Hausgenossen der
Königes Dieser Bekehrungsweise entsprechend folgte der Bekehrung eines Kö¬
nigs gemeiniglich die Gründung eines Bisthums, da die Fürsten gern einen
christlichen Prälaten statt der heidnischen Hohenpriester in ihr Gefolge bekom¬
men wollten. Dies Verhältniß dauerte bis zum Ende des siebenten Jahr¬
hunderts.

Die frühesten Bischöfe unter den Angelsachsen waren nothwendig,
Fremde. . . . Aber als diese Männer nach und nach den Schauplatz ihrer Thä¬
tigkeit verließen, da durch die Schwierigkeit, Völker, die eine fremde Sprache re¬
deten, mit Hilfe von Dolmetschern zu belehren, bedeutend gewachsen sein mußte
und ihre angelsächsischen Zöglinge sich selbst mit musterhaften Eifer und Ernst dem
Bekehrungswerk zuwendeten, so fand sich bald, daß die Insel sich selbst mit so
viel Prälaten versehen konnte, daß sie sür die Pflichten ihrer Stellung voll¬
kommen ausreichten.... Man muß zugeben, daß nirgendwo das Christenthum
einen tieferen und dauernderer Eindruck machte als in England. Wir sehen
nicht nur hochangesehene Männer und nahe Verwandte des Königs unter den
Bischöfen und Erzbischöfen, sondern Könige selbst, kriegerische und siegreiche
Könige, plötzlich aus freiem Entschluß ihren zeitlichen Vortheilen entsagend,
sich in Klöster zurückziehen und ihre Kronen niederlegen, um als Pilger nach
Rom zu wandern. Wir finden, daß Fürstinnen und andre hochgeborne Frauen
sich zum ehelosen Leben herbeiließen, um sich an die Spitze von Nonnenklöstern
zu stellen. Männer von guter Herkunft können nicht rasten, bis sie die Bot¬
schaft der Erlösung in ferne barbarische Länder getragen haben. Reiche und
Vornehme scheinen nach einem Leben von Enthaltsamkeit und Ungemach gebürstet
zu haben, um mit dem Märtyrertod gekrönt zu werden. Gewiß unter einem
der Pracht und den Vergnügungen des weltlichen Lebens nicht ganz abge¬
neigten Volk ein außergewöhnliches Und erbauliches Schauspiel; ein Schau¬
spiel, das uns zwingt, an den tiefen, ernsten, gewissenhaften Geist der Selbst¬
aufopferung und Wahrheitsliebe zu glauben, der das Volk auszeichnete." --

Wir haben bei diesen Andeutungen vorzugsweise den Zweck gehabt, zu
Zeigen, daß trotz der Ueberfülle von Detailforschungen, welche die Methode der
Kritik überall über die Darstellung hervorheben, es dem Verfasser dennoch ge¬
lungen ist, seine vielverzweigte Gelehrsamkeit auch zu anschaubarer Darstellung
zu verknüpfen. Allein der Hauptwerth des Werks liegt allerdings in den ein-


ten. In der That gebot es die Klugheit als zweckmäßig, mit denen anzu¬
fangen, deren Ansehen dazu dienen konnte, ihnen ihre persönliche Sicherheit
zu gewährleisten, und deren Beispiel ein nützliches Bekräftigungsmittel ihrer
Gründe sein mußte. Das Christenthum, das bei seinem Beginn mit den
niedrigsten und ärmsten Ständen der Gesellschaft angefangen und erst allmälig
seinen Kris erweitert hatte, bis eS auch die Höchsten umfaßte, kehrte in Eng¬
land diesen Proceß um und begann mit den Höfen und den Hausgenossen der
Königes Dieser Bekehrungsweise entsprechend folgte der Bekehrung eines Kö¬
nigs gemeiniglich die Gründung eines Bisthums, da die Fürsten gern einen
christlichen Prälaten statt der heidnischen Hohenpriester in ihr Gefolge bekom¬
men wollten. Dies Verhältniß dauerte bis zum Ende des siebenten Jahr¬
hunderts.

Die frühesten Bischöfe unter den Angelsachsen waren nothwendig,
Fremde. . . . Aber als diese Männer nach und nach den Schauplatz ihrer Thä¬
tigkeit verließen, da durch die Schwierigkeit, Völker, die eine fremde Sprache re¬
deten, mit Hilfe von Dolmetschern zu belehren, bedeutend gewachsen sein mußte
und ihre angelsächsischen Zöglinge sich selbst mit musterhaften Eifer und Ernst dem
Bekehrungswerk zuwendeten, so fand sich bald, daß die Insel sich selbst mit so
viel Prälaten versehen konnte, daß sie sür die Pflichten ihrer Stellung voll¬
kommen ausreichten.... Man muß zugeben, daß nirgendwo das Christenthum
einen tieferen und dauernderer Eindruck machte als in England. Wir sehen
nicht nur hochangesehene Männer und nahe Verwandte des Königs unter den
Bischöfen und Erzbischöfen, sondern Könige selbst, kriegerische und siegreiche
Könige, plötzlich aus freiem Entschluß ihren zeitlichen Vortheilen entsagend,
sich in Klöster zurückziehen und ihre Kronen niederlegen, um als Pilger nach
Rom zu wandern. Wir finden, daß Fürstinnen und andre hochgeborne Frauen
sich zum ehelosen Leben herbeiließen, um sich an die Spitze von Nonnenklöstern
zu stellen. Männer von guter Herkunft können nicht rasten, bis sie die Bot¬
schaft der Erlösung in ferne barbarische Länder getragen haben. Reiche und
Vornehme scheinen nach einem Leben von Enthaltsamkeit und Ungemach gebürstet
zu haben, um mit dem Märtyrertod gekrönt zu werden. Gewiß unter einem
der Pracht und den Vergnügungen des weltlichen Lebens nicht ganz abge¬
neigten Volk ein außergewöhnliches Und erbauliches Schauspiel; ein Schau¬
spiel, das uns zwingt, an den tiefen, ernsten, gewissenhaften Geist der Selbst¬
aufopferung und Wahrheitsliebe zu glauben, der das Volk auszeichnete." —

Wir haben bei diesen Andeutungen vorzugsweise den Zweck gehabt, zu
Zeigen, daß trotz der Ueberfülle von Detailforschungen, welche die Methode der
Kritik überall über die Darstellung hervorheben, es dem Verfasser dennoch ge¬
lungen ist, seine vielverzweigte Gelehrsamkeit auch zu anschaubarer Darstellung
zu verknüpfen. Allein der Hauptwerth des Werks liegt allerdings in den ein-


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[0263] ten. In der That gebot es die Klugheit als zweckmäßig, mit denen anzu¬ fangen, deren Ansehen dazu dienen konnte, ihnen ihre persönliche Sicherheit zu gewährleisten, und deren Beispiel ein nützliches Bekräftigungsmittel ihrer Gründe sein mußte. Das Christenthum, das bei seinem Beginn mit den niedrigsten und ärmsten Ständen der Gesellschaft angefangen und erst allmälig seinen Kris erweitert hatte, bis eS auch die Höchsten umfaßte, kehrte in Eng¬ land diesen Proceß um und begann mit den Höfen und den Hausgenossen der Königes Dieser Bekehrungsweise entsprechend folgte der Bekehrung eines Kö¬ nigs gemeiniglich die Gründung eines Bisthums, da die Fürsten gern einen christlichen Prälaten statt der heidnischen Hohenpriester in ihr Gefolge bekom¬ men wollten. Dies Verhältniß dauerte bis zum Ende des siebenten Jahr¬ hunderts. Die frühesten Bischöfe unter den Angelsachsen waren nothwendig, Fremde. . . . Aber als diese Männer nach und nach den Schauplatz ihrer Thä¬ tigkeit verließen, da durch die Schwierigkeit, Völker, die eine fremde Sprache re¬ deten, mit Hilfe von Dolmetschern zu belehren, bedeutend gewachsen sein mußte und ihre angelsächsischen Zöglinge sich selbst mit musterhaften Eifer und Ernst dem Bekehrungswerk zuwendeten, so fand sich bald, daß die Insel sich selbst mit so viel Prälaten versehen konnte, daß sie sür die Pflichten ihrer Stellung voll¬ kommen ausreichten.... Man muß zugeben, daß nirgendwo das Christenthum einen tieferen und dauernderer Eindruck machte als in England. Wir sehen nicht nur hochangesehene Männer und nahe Verwandte des Königs unter den Bischöfen und Erzbischöfen, sondern Könige selbst, kriegerische und siegreiche Könige, plötzlich aus freiem Entschluß ihren zeitlichen Vortheilen entsagend, sich in Klöster zurückziehen und ihre Kronen niederlegen, um als Pilger nach Rom zu wandern. Wir finden, daß Fürstinnen und andre hochgeborne Frauen sich zum ehelosen Leben herbeiließen, um sich an die Spitze von Nonnenklöstern zu stellen. Männer von guter Herkunft können nicht rasten, bis sie die Bot¬ schaft der Erlösung in ferne barbarische Länder getragen haben. Reiche und Vornehme scheinen nach einem Leben von Enthaltsamkeit und Ungemach gebürstet zu haben, um mit dem Märtyrertod gekrönt zu werden. Gewiß unter einem der Pracht und den Vergnügungen des weltlichen Lebens nicht ganz abge¬ neigten Volk ein außergewöhnliches Und erbauliches Schauspiel; ein Schau¬ spiel, das uns zwingt, an den tiefen, ernsten, gewissenhaften Geist der Selbst¬ aufopferung und Wahrheitsliebe zu glauben, der das Volk auszeichnete." — Wir haben bei diesen Andeutungen vorzugsweise den Zweck gehabt, zu Zeigen, daß trotz der Ueberfülle von Detailforschungen, welche die Methode der Kritik überall über die Darstellung hervorheben, es dem Verfasser dennoch ge¬ lungen ist, seine vielverzweigte Gelehrsamkeit auch zu anschaubarer Darstellung zu verknüpfen. Allein der Hauptwerth des Werks liegt allerdings in den ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/263>, abgerufen am 22.07.2024.