Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

in die eine oder die andere Wagschale zu werfen, se^h in dieser Berechnung
täuschen würde, da bei seinem ersten Versuch , zu rüsten, sofort kategorische
Anfragen von Seiten der Verbündeten eintreten würden. Dieser letzte Punkt
ist noch in einem strengeren Sinne richtig, als es der Verfasser ausspricht.
Die Anfragen werden schwerlich eine wirkliche Mobilisirung abwarten, da man
eine bedrohende Stellung einnehmen kann, auch ohne daß man sofort zum
Aeußersten schreitet. '

Könnten wir um aber annehmen, daß die Broschüre mehr wäre als eine
Privatschrift, daß sie wirklich die Ansicht der östreichischen Regierung ausdrückt,
so wäre sie noch ungleich wichtiger. Abgesehen von der scharfen Kritik des
preußischen Verhaltens, welche nur ausführlicher und schlagender fortsetzt, was
in der Note vom 30. September bereits angefangen war (so-wird namentlich
nachgewiesen, wie thöricht es sei, dem russischen Hof einreden zu wollen, die
von den Verbündeten festgestellten vorläufigen Anforderungen beabsichtigten
keineswegs eine Schmälerung der Macht, da eine solche Schmälerung doch auf
das bestimmteste in ihnen ausgesprochen ist), wird unter anderm auf S. 42
festgestellt, daß, wenn die Türken allein oder mit ihren Verbündeten aus der
Moldau und Bessarabien einbrechen und von den Nüssen zurückgeschlagen und
bis über den Pruth hinaus verfolgt werden sollten, die Oestreicher nach , der
Convention vom 14. Juni die Pflicht haben, die Russen herauszuschlagen, daß
also in diesem Fall der Krieg erklärt wäre; es wird ferner S. 43 festgestellt,
daß Oestreich sich auch durch das Widerstreben des Bundestages nicht abhalten
lassen darf, in seinem Vertrage mit den Westmächten weiter vorzugehen; eS
wird endlich S. 30 Preußen aufgefordert, seinerseits nach der Richtung, - die
ihm durch seine geographische Lage angewiesen ist, für Deutschland einzutreten.
"Bisher war hauptsächlich'von den deutschen Interessen an der Integrität der
Türkei in den Doiiausürstenthümern und von der freien Schifffahrt der Donau¬
mündung die Rede. Nichts hindert aber Preußen, zu verlangen, daß auch
für seine und Deutschlands Interessen an der Ostsee gesorgt werde. Oestreich
würde sich diesem Verlangen weder widersetzen wollen noch können, und die
betreffenden Forderungen würden in das Ultimatum der beiden deutschen Gro߬
mächte aufgenommen werden."

Das ist vollkommen richtig, und ebenso vortrefflich ist, was über die frühere
Geschichte Preußens, über den mehrfachen Versuch einer Neutralität beim Aus¬
bruch eines europäischen Krieges und über die daraus stets hervorgehende
Schwächung des Staates gesagt wird. Nur möchten wir eins zu bedenken
geben.

Falls Preußen die Initiative ergreift, um die Interessen Deutschlands an
der Ostsee zur Bedingung seines Beitritts zu machen, so wird also Oestreich,
wenn ihm Deutschland wirtlich am Herzen liegt, aus alleil Kräften für die


in die eine oder die andere Wagschale zu werfen, se^h in dieser Berechnung
täuschen würde, da bei seinem ersten Versuch , zu rüsten, sofort kategorische
Anfragen von Seiten der Verbündeten eintreten würden. Dieser letzte Punkt
ist noch in einem strengeren Sinne richtig, als es der Verfasser ausspricht.
Die Anfragen werden schwerlich eine wirkliche Mobilisirung abwarten, da man
eine bedrohende Stellung einnehmen kann, auch ohne daß man sofort zum
Aeußersten schreitet. '

Könnten wir um aber annehmen, daß die Broschüre mehr wäre als eine
Privatschrift, daß sie wirklich die Ansicht der östreichischen Regierung ausdrückt,
so wäre sie noch ungleich wichtiger. Abgesehen von der scharfen Kritik des
preußischen Verhaltens, welche nur ausführlicher und schlagender fortsetzt, was
in der Note vom 30. September bereits angefangen war (so-wird namentlich
nachgewiesen, wie thöricht es sei, dem russischen Hof einreden zu wollen, die
von den Verbündeten festgestellten vorläufigen Anforderungen beabsichtigten
keineswegs eine Schmälerung der Macht, da eine solche Schmälerung doch auf
das bestimmteste in ihnen ausgesprochen ist), wird unter anderm auf S. 42
festgestellt, daß, wenn die Türken allein oder mit ihren Verbündeten aus der
Moldau und Bessarabien einbrechen und von den Nüssen zurückgeschlagen und
bis über den Pruth hinaus verfolgt werden sollten, die Oestreicher nach , der
Convention vom 14. Juni die Pflicht haben, die Russen herauszuschlagen, daß
also in diesem Fall der Krieg erklärt wäre; es wird ferner S. 43 festgestellt,
daß Oestreich sich auch durch das Widerstreben des Bundestages nicht abhalten
lassen darf, in seinem Vertrage mit den Westmächten weiter vorzugehen; eS
wird endlich S. 30 Preußen aufgefordert, seinerseits nach der Richtung, - die
ihm durch seine geographische Lage angewiesen ist, für Deutschland einzutreten.
„Bisher war hauptsächlich'von den deutschen Interessen an der Integrität der
Türkei in den Doiiausürstenthümern und von der freien Schifffahrt der Donau¬
mündung die Rede. Nichts hindert aber Preußen, zu verlangen, daß auch
für seine und Deutschlands Interessen an der Ostsee gesorgt werde. Oestreich
würde sich diesem Verlangen weder widersetzen wollen noch können, und die
betreffenden Forderungen würden in das Ultimatum der beiden deutschen Gro߬
mächte aufgenommen werden."

Das ist vollkommen richtig, und ebenso vortrefflich ist, was über die frühere
Geschichte Preußens, über den mehrfachen Versuch einer Neutralität beim Aus¬
bruch eines europäischen Krieges und über die daraus stets hervorgehende
Schwächung des Staates gesagt wird. Nur möchten wir eins zu bedenken
geben.

Falls Preußen die Initiative ergreift, um die Interessen Deutschlands an
der Ostsee zur Bedingung seines Beitritts zu machen, so wird also Oestreich,
wenn ihm Deutschland wirtlich am Herzen liegt, aus alleil Kräften für die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0230" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98544"/>
          <p xml:id="ID_734" prev="#ID_733"> in die eine oder die andere Wagschale zu werfen, se^h in dieser Berechnung<lb/>
täuschen würde, da bei seinem ersten Versuch , zu rüsten, sofort kategorische<lb/>
Anfragen von Seiten der Verbündeten eintreten würden. Dieser letzte Punkt<lb/>
ist noch in einem strengeren Sinne richtig, als es der Verfasser ausspricht.<lb/>
Die Anfragen werden schwerlich eine wirkliche Mobilisirung abwarten, da man<lb/>
eine bedrohende Stellung einnehmen kann, auch ohne daß man sofort zum<lb/>
Aeußersten schreitet. '</p><lb/>
          <p xml:id="ID_735"> Könnten wir um aber annehmen, daß die Broschüre mehr wäre als eine<lb/>
Privatschrift, daß sie wirklich die Ansicht der östreichischen Regierung ausdrückt,<lb/>
so wäre sie noch ungleich wichtiger. Abgesehen von der scharfen Kritik des<lb/>
preußischen Verhaltens, welche nur ausführlicher und schlagender fortsetzt, was<lb/>
in der Note vom 30. September bereits angefangen war (so-wird namentlich<lb/>
nachgewiesen, wie thöricht es sei, dem russischen Hof einreden zu wollen, die<lb/>
von den Verbündeten festgestellten vorläufigen Anforderungen beabsichtigten<lb/>
keineswegs eine Schmälerung der Macht, da eine solche Schmälerung doch auf<lb/>
das bestimmteste in ihnen ausgesprochen ist), wird unter anderm auf S. 42<lb/>
festgestellt, daß, wenn die Türken allein oder mit ihren Verbündeten aus der<lb/>
Moldau und Bessarabien einbrechen und von den Nüssen zurückgeschlagen und<lb/>
bis über den Pruth hinaus verfolgt werden sollten, die Oestreicher nach , der<lb/>
Convention vom 14. Juni die Pflicht haben, die Russen herauszuschlagen, daß<lb/>
also in diesem Fall der Krieg erklärt wäre; es wird ferner S. 43 festgestellt,<lb/>
daß Oestreich sich auch durch das Widerstreben des Bundestages nicht abhalten<lb/>
lassen darf, in seinem Vertrage mit den Westmächten weiter vorzugehen; eS<lb/>
wird endlich S. 30 Preußen aufgefordert, seinerseits nach der Richtung, - die<lb/>
ihm durch seine geographische Lage angewiesen ist, für Deutschland einzutreten.<lb/>
&#x201E;Bisher war hauptsächlich'von den deutschen Interessen an der Integrität der<lb/>
Türkei in den Doiiausürstenthümern und von der freien Schifffahrt der Donau¬<lb/>
mündung die Rede. Nichts hindert aber Preußen, zu verlangen, daß auch<lb/>
für seine und Deutschlands Interessen an der Ostsee gesorgt werde. Oestreich<lb/>
würde sich diesem Verlangen weder widersetzen wollen noch können, und die<lb/>
betreffenden Forderungen würden in das Ultimatum der beiden deutschen Gro߬<lb/>
mächte aufgenommen werden."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_736"> Das ist vollkommen richtig, und ebenso vortrefflich ist, was über die frühere<lb/>
Geschichte Preußens, über den mehrfachen Versuch einer Neutralität beim Aus¬<lb/>
bruch eines europäischen Krieges und über die daraus stets hervorgehende<lb/>
Schwächung des Staates gesagt wird. Nur möchten wir eins zu bedenken<lb/>
geben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_737" next="#ID_738"> Falls Preußen die Initiative ergreift, um die Interessen Deutschlands an<lb/>
der Ostsee zur Bedingung seines Beitritts zu machen, so wird also Oestreich,<lb/>
wenn ihm Deutschland wirtlich am Herzen liegt, aus alleil Kräften für die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0230] in die eine oder die andere Wagschale zu werfen, se^h in dieser Berechnung täuschen würde, da bei seinem ersten Versuch , zu rüsten, sofort kategorische Anfragen von Seiten der Verbündeten eintreten würden. Dieser letzte Punkt ist noch in einem strengeren Sinne richtig, als es der Verfasser ausspricht. Die Anfragen werden schwerlich eine wirkliche Mobilisirung abwarten, da man eine bedrohende Stellung einnehmen kann, auch ohne daß man sofort zum Aeußersten schreitet. ' Könnten wir um aber annehmen, daß die Broschüre mehr wäre als eine Privatschrift, daß sie wirklich die Ansicht der östreichischen Regierung ausdrückt, so wäre sie noch ungleich wichtiger. Abgesehen von der scharfen Kritik des preußischen Verhaltens, welche nur ausführlicher und schlagender fortsetzt, was in der Note vom 30. September bereits angefangen war (so-wird namentlich nachgewiesen, wie thöricht es sei, dem russischen Hof einreden zu wollen, die von den Verbündeten festgestellten vorläufigen Anforderungen beabsichtigten keineswegs eine Schmälerung der Macht, da eine solche Schmälerung doch auf das bestimmteste in ihnen ausgesprochen ist), wird unter anderm auf S. 42 festgestellt, daß, wenn die Türken allein oder mit ihren Verbündeten aus der Moldau und Bessarabien einbrechen und von den Nüssen zurückgeschlagen und bis über den Pruth hinaus verfolgt werden sollten, die Oestreicher nach , der Convention vom 14. Juni die Pflicht haben, die Russen herauszuschlagen, daß also in diesem Fall der Krieg erklärt wäre; es wird ferner S. 43 festgestellt, daß Oestreich sich auch durch das Widerstreben des Bundestages nicht abhalten lassen darf, in seinem Vertrage mit den Westmächten weiter vorzugehen; eS wird endlich S. 30 Preußen aufgefordert, seinerseits nach der Richtung, - die ihm durch seine geographische Lage angewiesen ist, für Deutschland einzutreten. „Bisher war hauptsächlich'von den deutschen Interessen an der Integrität der Türkei in den Doiiausürstenthümern und von der freien Schifffahrt der Donau¬ mündung die Rede. Nichts hindert aber Preußen, zu verlangen, daß auch für seine und Deutschlands Interessen an der Ostsee gesorgt werde. Oestreich würde sich diesem Verlangen weder widersetzen wollen noch können, und die betreffenden Forderungen würden in das Ultimatum der beiden deutschen Gro߬ mächte aufgenommen werden." Das ist vollkommen richtig, und ebenso vortrefflich ist, was über die frühere Geschichte Preußens, über den mehrfachen Versuch einer Neutralität beim Aus¬ bruch eines europäischen Krieges und über die daraus stets hervorgehende Schwächung des Staates gesagt wird. Nur möchten wir eins zu bedenken geben. Falls Preußen die Initiative ergreift, um die Interessen Deutschlands an der Ostsee zur Bedingung seines Beitritts zu machen, so wird also Oestreich, wenn ihm Deutschland wirtlich am Herzen liegt, aus alleil Kräften für die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/230
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/230>, abgerufen am 22.07.2024.