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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Annahme dieser Bedingungen zu wirken haben; falls.Preußen aber nicht die
Entschlossenheit dazu besitzt, so wird ihm Oestreich zu Hilfe kommen müssen.
In dieser Beziehung haben die Beschuldigungen der preußischen Noten gegen
Oestreich einigen Grund. Oestreich Hut bis jetzt nur auf Hie deutschen Interessen
hingedeutet, welche zugleich auch Oestreichs Interessen sind; es möge nun
Preußen darauf aufmerksam machen, in welchen Punkten eS für Deutschland
und zugleich für sich selbst wirken kann, und ihm in diesen Punkten seine Unter¬
stützung zusagen. Es gibt aber keinen andern Punkt, als die Aufhebungc>es
Londoner Protokolls über die dänische Succession. Das Londoner Protokoll
ist unter russischem Einfluß festgestellt worden; einem Einfluß, der damals in
Beziehung auf Oestreich so unzweifelhaft war, daß noch längere Zeit darauf
der russische Kaiser das Einverständnis? Oestreichs in Rechnung bringen konnte,
ohne erst darüber anzufragen. Der gegenwärtige Krieg hat nun den ausge¬
sprochenen Zweck, das Uebermaß des russischen Einflusses zu brechen; es scheint
also in der Natur der Sache zu liegen, daß man damit'anfängt, die Resultate
dieses Einflusses, über die man noch Herr ist, aufzuheben. Wenn man Preußen
diesen Preis seines Beitritts stellt, so wird aller Einfluß, den der Herr von
Gerlach haben mag, nicht ausreichen, um noch ein längeres Zaudern möglich
zu machen.

Sollte aber dennoch das Unbegreifliche geschehen, dann hätte Oestreich
die Pflicht , in seinem eignen Namen für Deutschland das zu fordern, was
Deutschland in den Jahren -1850 und -1851 zum großen Theil durch Oestreichs
Schulo eingebüßt hat. Ein "solcher Widerspruch gegen sein früheres Verhalten
würde in diesem Falle Oestreich verschaffen, wonach es so häusig mit kleinen
Mitteln vergebens gestrebt hat: die unbestrittene Hegemonie in Deutschland.
Für diesen,Fall würde der Erwerb der Herzogtümer für Deutschland freilich
nicht in der Form vor sich gehen können, die ihm den unmittelbaren prakti¬
schen Erfolg sichern könnte (denn der Besitz eines Kriegshafens 'hat nur Sinn
in den Händen einer Macht, die in der Lage ist, eine Flotte zu halten), aber
die Hauptsache wäre doch' geschehen, die Trennung der deutscheu Provinzen
von Dänemark, und es wäre der Entwicklung Deutschlands die Zukunft offen
gehalten. --

Was nun die Darstellung der thatsächlichen Verhältnisse betrifft, so ma¬
chen wir zur Ergänzung derselben auf die' Vaterland löcher Hefte auf¬
merksam. (Mannheim, Bassermann u. Matthy.) Das erste Heft behandelt die
Frage: Wo ist das einige Deutschland? Das zweite Heft enthält sieben Ca¬
pitel aus der neuesten Geschichte mit Ackerstücken und einer Zeittafel. In
diesen Heften, die von dem Standpunkte unsrer eignen Partei aus geschrieben
sind, werden die Ereignisse nicht blos behufs einer politischen Frage, sondern
mit wahrhaft historischem Geist erörtert. Möchten sie namentlich in Preußen


Annahme dieser Bedingungen zu wirken haben; falls.Preußen aber nicht die
Entschlossenheit dazu besitzt, so wird ihm Oestreich zu Hilfe kommen müssen.
In dieser Beziehung haben die Beschuldigungen der preußischen Noten gegen
Oestreich einigen Grund. Oestreich Hut bis jetzt nur auf Hie deutschen Interessen
hingedeutet, welche zugleich auch Oestreichs Interessen sind; es möge nun
Preußen darauf aufmerksam machen, in welchen Punkten eS für Deutschland
und zugleich für sich selbst wirken kann, und ihm in diesen Punkten seine Unter¬
stützung zusagen. Es gibt aber keinen andern Punkt, als die Aufhebungc>es
Londoner Protokolls über die dänische Succession. Das Londoner Protokoll
ist unter russischem Einfluß festgestellt worden; einem Einfluß, der damals in
Beziehung auf Oestreich so unzweifelhaft war, daß noch längere Zeit darauf
der russische Kaiser das Einverständnis? Oestreichs in Rechnung bringen konnte,
ohne erst darüber anzufragen. Der gegenwärtige Krieg hat nun den ausge¬
sprochenen Zweck, das Uebermaß des russischen Einflusses zu brechen; es scheint
also in der Natur der Sache zu liegen, daß man damit'anfängt, die Resultate
dieses Einflusses, über die man noch Herr ist, aufzuheben. Wenn man Preußen
diesen Preis seines Beitritts stellt, so wird aller Einfluß, den der Herr von
Gerlach haben mag, nicht ausreichen, um noch ein längeres Zaudern möglich
zu machen.

Sollte aber dennoch das Unbegreifliche geschehen, dann hätte Oestreich
die Pflicht , in seinem eignen Namen für Deutschland das zu fordern, was
Deutschland in den Jahren -1850 und -1851 zum großen Theil durch Oestreichs
Schulo eingebüßt hat. Ein »solcher Widerspruch gegen sein früheres Verhalten
würde in diesem Falle Oestreich verschaffen, wonach es so häusig mit kleinen
Mitteln vergebens gestrebt hat: die unbestrittene Hegemonie in Deutschland.
Für diesen,Fall würde der Erwerb der Herzogtümer für Deutschland freilich
nicht in der Form vor sich gehen können, die ihm den unmittelbaren prakti¬
schen Erfolg sichern könnte (denn der Besitz eines Kriegshafens 'hat nur Sinn
in den Händen einer Macht, die in der Lage ist, eine Flotte zu halten), aber
die Hauptsache wäre doch' geschehen, die Trennung der deutscheu Provinzen
von Dänemark, und es wäre der Entwicklung Deutschlands die Zukunft offen
gehalten. —

Was nun die Darstellung der thatsächlichen Verhältnisse betrifft, so ma¬
chen wir zur Ergänzung derselben auf die' Vaterland löcher Hefte auf¬
merksam. (Mannheim, Bassermann u. Matthy.) Das erste Heft behandelt die
Frage: Wo ist das einige Deutschland? Das zweite Heft enthält sieben Ca¬
pitel aus der neuesten Geschichte mit Ackerstücken und einer Zeittafel. In
diesen Heften, die von dem Standpunkte unsrer eignen Partei aus geschrieben
sind, werden die Ereignisse nicht blos behufs einer politischen Frage, sondern
mit wahrhaft historischem Geist erörtert. Möchten sie namentlich in Preußen


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[0231] Annahme dieser Bedingungen zu wirken haben; falls.Preußen aber nicht die Entschlossenheit dazu besitzt, so wird ihm Oestreich zu Hilfe kommen müssen. In dieser Beziehung haben die Beschuldigungen der preußischen Noten gegen Oestreich einigen Grund. Oestreich Hut bis jetzt nur auf Hie deutschen Interessen hingedeutet, welche zugleich auch Oestreichs Interessen sind; es möge nun Preußen darauf aufmerksam machen, in welchen Punkten eS für Deutschland und zugleich für sich selbst wirken kann, und ihm in diesen Punkten seine Unter¬ stützung zusagen. Es gibt aber keinen andern Punkt, als die Aufhebungc>es Londoner Protokolls über die dänische Succession. Das Londoner Protokoll ist unter russischem Einfluß festgestellt worden; einem Einfluß, der damals in Beziehung auf Oestreich so unzweifelhaft war, daß noch längere Zeit darauf der russische Kaiser das Einverständnis? Oestreichs in Rechnung bringen konnte, ohne erst darüber anzufragen. Der gegenwärtige Krieg hat nun den ausge¬ sprochenen Zweck, das Uebermaß des russischen Einflusses zu brechen; es scheint also in der Natur der Sache zu liegen, daß man damit'anfängt, die Resultate dieses Einflusses, über die man noch Herr ist, aufzuheben. Wenn man Preußen diesen Preis seines Beitritts stellt, so wird aller Einfluß, den der Herr von Gerlach haben mag, nicht ausreichen, um noch ein längeres Zaudern möglich zu machen. Sollte aber dennoch das Unbegreifliche geschehen, dann hätte Oestreich die Pflicht , in seinem eignen Namen für Deutschland das zu fordern, was Deutschland in den Jahren -1850 und -1851 zum großen Theil durch Oestreichs Schulo eingebüßt hat. Ein »solcher Widerspruch gegen sein früheres Verhalten würde in diesem Falle Oestreich verschaffen, wonach es so häusig mit kleinen Mitteln vergebens gestrebt hat: die unbestrittene Hegemonie in Deutschland. Für diesen,Fall würde der Erwerb der Herzogtümer für Deutschland freilich nicht in der Form vor sich gehen können, die ihm den unmittelbaren prakti¬ schen Erfolg sichern könnte (denn der Besitz eines Kriegshafens 'hat nur Sinn in den Händen einer Macht, die in der Lage ist, eine Flotte zu halten), aber die Hauptsache wäre doch' geschehen, die Trennung der deutscheu Provinzen von Dänemark, und es wäre der Entwicklung Deutschlands die Zukunft offen gehalten. — Was nun die Darstellung der thatsächlichen Verhältnisse betrifft, so ma¬ chen wir zur Ergänzung derselben auf die' Vaterland löcher Hefte auf¬ merksam. (Mannheim, Bassermann u. Matthy.) Das erste Heft behandelt die Frage: Wo ist das einige Deutschland? Das zweite Heft enthält sieben Ca¬ pitel aus der neuesten Geschichte mit Ackerstücken und einer Zeittafel. In diesen Heften, die von dem Standpunkte unsrer eignen Partei aus geschrieben sind, werden die Ereignisse nicht blos behufs einer politischen Frage, sondern mit wahrhaft historischem Geist erörtert. Möchten sie namentlich in Preußen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/231>, abgerufen am 22.07.2024.