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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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einen Artikel gebracht, der der gewöhnlichen zweideutigen und gemeinen Po¬
litik dieses Krämerblatts vollkommen würdig ist. Sie möchte zwar der gegen¬
wärtigen dänischen Regierung entgegentreten, weil diese sich auf die russische
Seite neigt; ein Umstand, der im gegenwärtigen Augenblick, wo Nußland
mit England im Kriege ist, aufgehört hat, eine Empfehlung für die Times
zu sein; aber sie möchte dafür die Herrschaft einer Partei einführen, die gleich¬
falls nicht eiderdänisch, sondern gesammtstaatlich wäre, und die in ein Ab¬
hängigkeitsverhältniß zu England träte. Allein diese plumpen Ausdrücke der
Nationaleifersucht werden do.es nicht maßgebend sein für die Stimmung des
gestimmten Volks, für die verständige Einsicht der Staatsmänner. Es wird
den englischen Staatsmännern deutlich sein, daß die Unterstützung Deutsch¬
lands ihnen in dem Kampfe gegen Rußland doch unendlich wichtiger sein muß,
als die Unterstützung Dänemarks. Da nun der gegenwärtige Conflict auf das
deutlichste gezeigt hat, daß durch das Londoner Protokoll die dänische An¬
gelegenheit im Sinne des sogenannten europäischen Gleichgewichts noch kei¬
neswegs zweckmäßig geordnet ist, so erscheint eine Revision dieses Protokolls
nicht mehr so unwahrscheinlich wie vor einiger Zeit.

Hier kommt es nun darauf an, daß die deutschen Mächte, daß nament¬
lich Preußen das Gewicht ihres Beistandes in die Wagschale werfen und offen
und klar mit ihren Ansprüchen hervortreten. Zwar hätte Preußen vor einem
halben Jahr, als Oestreich sich noch nicht erklärt hatte, mit größern An¬
sprüchen an die Westmächte hervortreten können, als im gegenwärtigen Augen¬
blick; aber seine Lage ist noch immer günstig genug. Wenn wir auch von
dem französischen Cabinet nicht erwarten können, daß es die nationalen Ideen
von der Nheingrenze soweit vergessen sollte, um nicht von Zeit zu Zeit den
stillen Wunsch zu hegen, Preußen möchte durch ein definitives Bündniß mit
Rußland ihm Veranlassung geben, mit der großen europäischen Frage zugleich
seine eignen geheimen Wünsche zu befriedigen, so muß man von England ent¬
schieden das Gegentheil annehmen. Die Staatsmänner Englands müssen es
einsehen, daß, wenn es Preußen mit Rußland hält, im Fall eines siegreichen
Ausganges für die Westmächte die natürliche Folge eine Vergrößerung Frank¬
reichs nach dem Rhein, eine Vergrößerung Oestreichs nach Schlesien sein wird;
und beides steht mit den Interessen Englands im handgreiflichsten Wider¬
spruch.

Wenn wir nun bis jetzt aus pas entschiedenste für die Verbindung Preu¬
ßens mit den Westmächtcn und Oestreich, gesprochen haben, so konnten.wir
das natürlich nicht sy verstehen, daß sich unser Paterland in einen höchst ge¬
fährlichen Krieg stürzen sollte, ohne alle Aussicht auf Gewinn. Wenn Preu¬
ßen, wenn Deutschland sein bestes Blut im Kampfe gegen Russland vergießt,
so kann es das nicht blos für die Ehre Frankreichs und Englands thun; es


einen Artikel gebracht, der der gewöhnlichen zweideutigen und gemeinen Po¬
litik dieses Krämerblatts vollkommen würdig ist. Sie möchte zwar der gegen¬
wärtigen dänischen Regierung entgegentreten, weil diese sich auf die russische
Seite neigt; ein Umstand, der im gegenwärtigen Augenblick, wo Nußland
mit England im Kriege ist, aufgehört hat, eine Empfehlung für die Times
zu sein; aber sie möchte dafür die Herrschaft einer Partei einführen, die gleich¬
falls nicht eiderdänisch, sondern gesammtstaatlich wäre, und die in ein Ab¬
hängigkeitsverhältniß zu England träte. Allein diese plumpen Ausdrücke der
Nationaleifersucht werden do.es nicht maßgebend sein für die Stimmung des
gestimmten Volks, für die verständige Einsicht der Staatsmänner. Es wird
den englischen Staatsmännern deutlich sein, daß die Unterstützung Deutsch¬
lands ihnen in dem Kampfe gegen Rußland doch unendlich wichtiger sein muß,
als die Unterstützung Dänemarks. Da nun der gegenwärtige Conflict auf das
deutlichste gezeigt hat, daß durch das Londoner Protokoll die dänische An¬
gelegenheit im Sinne des sogenannten europäischen Gleichgewichts noch kei¬
neswegs zweckmäßig geordnet ist, so erscheint eine Revision dieses Protokolls
nicht mehr so unwahrscheinlich wie vor einiger Zeit.

Hier kommt es nun darauf an, daß die deutschen Mächte, daß nament¬
lich Preußen das Gewicht ihres Beistandes in die Wagschale werfen und offen
und klar mit ihren Ansprüchen hervortreten. Zwar hätte Preußen vor einem
halben Jahr, als Oestreich sich noch nicht erklärt hatte, mit größern An¬
sprüchen an die Westmächte hervortreten können, als im gegenwärtigen Augen¬
blick; aber seine Lage ist noch immer günstig genug. Wenn wir auch von
dem französischen Cabinet nicht erwarten können, daß es die nationalen Ideen
von der Nheingrenze soweit vergessen sollte, um nicht von Zeit zu Zeit den
stillen Wunsch zu hegen, Preußen möchte durch ein definitives Bündniß mit
Rußland ihm Veranlassung geben, mit der großen europäischen Frage zugleich
seine eignen geheimen Wünsche zu befriedigen, so muß man von England ent¬
schieden das Gegentheil annehmen. Die Staatsmänner Englands müssen es
einsehen, daß, wenn es Preußen mit Rußland hält, im Fall eines siegreichen
Ausganges für die Westmächte die natürliche Folge eine Vergrößerung Frank¬
reichs nach dem Rhein, eine Vergrößerung Oestreichs nach Schlesien sein wird;
und beides steht mit den Interessen Englands im handgreiflichsten Wider¬
spruch.

Wenn wir nun bis jetzt aus pas entschiedenste für die Verbindung Preu¬
ßens mit den Westmächtcn und Oestreich, gesprochen haben, so konnten.wir
das natürlich nicht sy verstehen, daß sich unser Paterland in einen höchst ge¬
fährlichen Krieg stürzen sollte, ohne alle Aussicht auf Gewinn. Wenn Preu¬
ßen, wenn Deutschland sein bestes Blut im Kampfe gegen Russland vergießt,
so kann es das nicht blos für die Ehre Frankreichs und Englands thun; es


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[0228] einen Artikel gebracht, der der gewöhnlichen zweideutigen und gemeinen Po¬ litik dieses Krämerblatts vollkommen würdig ist. Sie möchte zwar der gegen¬ wärtigen dänischen Regierung entgegentreten, weil diese sich auf die russische Seite neigt; ein Umstand, der im gegenwärtigen Augenblick, wo Nußland mit England im Kriege ist, aufgehört hat, eine Empfehlung für die Times zu sein; aber sie möchte dafür die Herrschaft einer Partei einführen, die gleich¬ falls nicht eiderdänisch, sondern gesammtstaatlich wäre, und die in ein Ab¬ hängigkeitsverhältniß zu England träte. Allein diese plumpen Ausdrücke der Nationaleifersucht werden do.es nicht maßgebend sein für die Stimmung des gestimmten Volks, für die verständige Einsicht der Staatsmänner. Es wird den englischen Staatsmännern deutlich sein, daß die Unterstützung Deutsch¬ lands ihnen in dem Kampfe gegen Rußland doch unendlich wichtiger sein muß, als die Unterstützung Dänemarks. Da nun der gegenwärtige Conflict auf das deutlichste gezeigt hat, daß durch das Londoner Protokoll die dänische An¬ gelegenheit im Sinne des sogenannten europäischen Gleichgewichts noch kei¬ neswegs zweckmäßig geordnet ist, so erscheint eine Revision dieses Protokolls nicht mehr so unwahrscheinlich wie vor einiger Zeit. Hier kommt es nun darauf an, daß die deutschen Mächte, daß nament¬ lich Preußen das Gewicht ihres Beistandes in die Wagschale werfen und offen und klar mit ihren Ansprüchen hervortreten. Zwar hätte Preußen vor einem halben Jahr, als Oestreich sich noch nicht erklärt hatte, mit größern An¬ sprüchen an die Westmächte hervortreten können, als im gegenwärtigen Augen¬ blick; aber seine Lage ist noch immer günstig genug. Wenn wir auch von dem französischen Cabinet nicht erwarten können, daß es die nationalen Ideen von der Nheingrenze soweit vergessen sollte, um nicht von Zeit zu Zeit den stillen Wunsch zu hegen, Preußen möchte durch ein definitives Bündniß mit Rußland ihm Veranlassung geben, mit der großen europäischen Frage zugleich seine eignen geheimen Wünsche zu befriedigen, so muß man von England ent¬ schieden das Gegentheil annehmen. Die Staatsmänner Englands müssen es einsehen, daß, wenn es Preußen mit Rußland hält, im Fall eines siegreichen Ausganges für die Westmächte die natürliche Folge eine Vergrößerung Frank¬ reichs nach dem Rhein, eine Vergrößerung Oestreichs nach Schlesien sein wird; und beides steht mit den Interessen Englands im handgreiflichsten Wider¬ spruch. Wenn wir nun bis jetzt aus pas entschiedenste für die Verbindung Preu¬ ßens mit den Westmächtcn und Oestreich, gesprochen haben, so konnten.wir das natürlich nicht sy verstehen, daß sich unser Paterland in einen höchst ge¬ fährlichen Krieg stürzen sollte, ohne alle Aussicht auf Gewinn. Wenn Preu¬ ßen, wenn Deutschland sein bestes Blut im Kampfe gegen Russland vergießt, so kann es das nicht blos für die Ehre Frankreichs und Englands thun; es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/228>, abgerufen am 24.08.2024.