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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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gegebenen Abbildungen einzelne Figuren in der Originalgröße nachgeliefert
worden. Ohne Zweifel ist dadurch allen, welche in irgendeiner Hinsicht an
der Kunst des Alterthums ein ernsthafteres Interesse nehmen, ein wesentlicher
Dienst geleistet.

Bei einer Musterung der mitgetheilten Gemälde wird man im allgemeinen
mit der Auswahl zufrieden sein müssen;' im Verhältniß zu den beiden ersten
Sammlungen findet man des Bedeutenden und Wichtigen mehr, auch für Ab¬
wechslung ist gesorgt, um den Reichthum und die Mannigfaltigkeit dieser
Wandgemälde vor Augen zu stellen. Im einzelnen wird mancher statt dessen,
was ihm schon bekannt und zugänglich war, hier und da lieber anderes zu
sehen wünschen, wie denn z. B. die Darstellungen der Fischerin und der ver¬
lassenen Ariadne schon in den ersten Sammlungen sehr ähnlich sich finden;
auch das Opfer der Iphigenie, die Befreiung der Andromeda sind schon durch
wiederholte Abbildungen bekannt geworden. Indessen muß man anelkennen,
daß grade in dieser Beziehung die Wünsche sehr verschieden und von Zufällig¬
keiten abhängig sind und daß auch von schon bekannten Gemälden Abbildungen
in dieser 'Größe und von solcher Genauigkeit immer willkommen sind, wie sehr
man es auch bedauern muß, daß ungenügende und mittelmäßige Abbildungen
Geduld und Mittel der Käufer nur zu oft erschöpfen und dem Besseren den
Weg abschneiden.

Uebrigens fehlt es in dieser reichen Sammlung auch an ganz neuen
Mittheilungen keineswegs. Um weniger Wichtiges zu übergehen, sei es ge¬
stärket, zum Schluß aus-einen Cyklus von sechs zusammengehörigen Gemälden
aufmerksam zu machen, welche in einem im Jahr-I8i7 in Pompeji ausgegra¬
benen Hause gefunden worden sind und ebenso anziehend in künstlerischer Hinsicht
als interessant für die Kenntniß der Sitten und Cultur jener Zeit sind. Sie
beziehen sich sämmtlich aus Amor und Psyche.

Seitdem man Amor nicht allein als den Gott der Liebe, sondern als den
Gott der menschlichen Leidenschaft, deS gesammten Gemüthslebens, als den
Beseeler des Menschen auffaßte, mußte nothwendig die Vorstellung von diesem
Gott immer allgemeiner und demgemäß dehnbar werden, auf der andern Seite
aber auch individueller, weil Amor nun als der göttliche Urheber und Vertreter
aller Aeußerungen angesehen wurde, in denen nur menschliche Empfindung
und Leidenschaft sich kund gibt. Daher wurde der Gott, der nach sovielen
und so verschiedenen Seiten hin thätig und wirksam war, in ebensoviel
verschiedene Individualitäten geschieden, in denen sich nun alle nur denkbare
Richtungen des menschlichen Lebens spiegelten, und wie es zu gehen pflegt,
wurde namentlich durch den Einfluß der bildenden Kunst diese Repräsentation
des menschlichen Thuns und Treibens durch Amor auch auf das ausgedehnt,
was ursprünglich dem Wesen dieses Gottes fern lag. Wie nun die Seele,


gegebenen Abbildungen einzelne Figuren in der Originalgröße nachgeliefert
worden. Ohne Zweifel ist dadurch allen, welche in irgendeiner Hinsicht an
der Kunst des Alterthums ein ernsthafteres Interesse nehmen, ein wesentlicher
Dienst geleistet.

Bei einer Musterung der mitgetheilten Gemälde wird man im allgemeinen
mit der Auswahl zufrieden sein müssen;' im Verhältniß zu den beiden ersten
Sammlungen findet man des Bedeutenden und Wichtigen mehr, auch für Ab¬
wechslung ist gesorgt, um den Reichthum und die Mannigfaltigkeit dieser
Wandgemälde vor Augen zu stellen. Im einzelnen wird mancher statt dessen,
was ihm schon bekannt und zugänglich war, hier und da lieber anderes zu
sehen wünschen, wie denn z. B. die Darstellungen der Fischerin und der ver¬
lassenen Ariadne schon in den ersten Sammlungen sehr ähnlich sich finden;
auch das Opfer der Iphigenie, die Befreiung der Andromeda sind schon durch
wiederholte Abbildungen bekannt geworden. Indessen muß man anelkennen,
daß grade in dieser Beziehung die Wünsche sehr verschieden und von Zufällig¬
keiten abhängig sind und daß auch von schon bekannten Gemälden Abbildungen
in dieser 'Größe und von solcher Genauigkeit immer willkommen sind, wie sehr
man es auch bedauern muß, daß ungenügende und mittelmäßige Abbildungen
Geduld und Mittel der Käufer nur zu oft erschöpfen und dem Besseren den
Weg abschneiden.

Uebrigens fehlt es in dieser reichen Sammlung auch an ganz neuen
Mittheilungen keineswegs. Um weniger Wichtiges zu übergehen, sei es ge¬
stärket, zum Schluß aus-einen Cyklus von sechs zusammengehörigen Gemälden
aufmerksam zu machen, welche in einem im Jahr-I8i7 in Pompeji ausgegra¬
benen Hause gefunden worden sind und ebenso anziehend in künstlerischer Hinsicht
als interessant für die Kenntniß der Sitten und Cultur jener Zeit sind. Sie
beziehen sich sämmtlich aus Amor und Psyche.

Seitdem man Amor nicht allein als den Gott der Liebe, sondern als den
Gott der menschlichen Leidenschaft, deS gesammten Gemüthslebens, als den
Beseeler des Menschen auffaßte, mußte nothwendig die Vorstellung von diesem
Gott immer allgemeiner und demgemäß dehnbar werden, auf der andern Seite
aber auch individueller, weil Amor nun als der göttliche Urheber und Vertreter
aller Aeußerungen angesehen wurde, in denen nur menschliche Empfindung
und Leidenschaft sich kund gibt. Daher wurde der Gott, der nach sovielen
und so verschiedenen Seiten hin thätig und wirksam war, in ebensoviel
verschiedene Individualitäten geschieden, in denen sich nun alle nur denkbare
Richtungen des menschlichen Lebens spiegelten, und wie es zu gehen pflegt,
wurde namentlich durch den Einfluß der bildenden Kunst diese Repräsentation
des menschlichen Thuns und Treibens durch Amor auch auf das ausgedehnt,
was ursprünglich dem Wesen dieses Gottes fern lag. Wie nun die Seele,


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[0190] gegebenen Abbildungen einzelne Figuren in der Originalgröße nachgeliefert worden. Ohne Zweifel ist dadurch allen, welche in irgendeiner Hinsicht an der Kunst des Alterthums ein ernsthafteres Interesse nehmen, ein wesentlicher Dienst geleistet. Bei einer Musterung der mitgetheilten Gemälde wird man im allgemeinen mit der Auswahl zufrieden sein müssen;' im Verhältniß zu den beiden ersten Sammlungen findet man des Bedeutenden und Wichtigen mehr, auch für Ab¬ wechslung ist gesorgt, um den Reichthum und die Mannigfaltigkeit dieser Wandgemälde vor Augen zu stellen. Im einzelnen wird mancher statt dessen, was ihm schon bekannt und zugänglich war, hier und da lieber anderes zu sehen wünschen, wie denn z. B. die Darstellungen der Fischerin und der ver¬ lassenen Ariadne schon in den ersten Sammlungen sehr ähnlich sich finden; auch das Opfer der Iphigenie, die Befreiung der Andromeda sind schon durch wiederholte Abbildungen bekannt geworden. Indessen muß man anelkennen, daß grade in dieser Beziehung die Wünsche sehr verschieden und von Zufällig¬ keiten abhängig sind und daß auch von schon bekannten Gemälden Abbildungen in dieser 'Größe und von solcher Genauigkeit immer willkommen sind, wie sehr man es auch bedauern muß, daß ungenügende und mittelmäßige Abbildungen Geduld und Mittel der Käufer nur zu oft erschöpfen und dem Besseren den Weg abschneiden. Uebrigens fehlt es in dieser reichen Sammlung auch an ganz neuen Mittheilungen keineswegs. Um weniger Wichtiges zu übergehen, sei es ge¬ stärket, zum Schluß aus-einen Cyklus von sechs zusammengehörigen Gemälden aufmerksam zu machen, welche in einem im Jahr-I8i7 in Pompeji ausgegra¬ benen Hause gefunden worden sind und ebenso anziehend in künstlerischer Hinsicht als interessant für die Kenntniß der Sitten und Cultur jener Zeit sind. Sie beziehen sich sämmtlich aus Amor und Psyche. Seitdem man Amor nicht allein als den Gott der Liebe, sondern als den Gott der menschlichen Leidenschaft, deS gesammten Gemüthslebens, als den Beseeler des Menschen auffaßte, mußte nothwendig die Vorstellung von diesem Gott immer allgemeiner und demgemäß dehnbar werden, auf der andern Seite aber auch individueller, weil Amor nun als der göttliche Urheber und Vertreter aller Aeußerungen angesehen wurde, in denen nur menschliche Empfindung und Leidenschaft sich kund gibt. Daher wurde der Gott, der nach sovielen und so verschiedenen Seiten hin thätig und wirksam war, in ebensoviel verschiedene Individualitäten geschieden, in denen sich nun alle nur denkbare Richtungen des menschlichen Lebens spiegelten, und wie es zu gehen pflegt, wurde namentlich durch den Einfluß der bildenden Kunst diese Repräsentation des menschlichen Thuns und Treibens durch Amor auch auf das ausgedehnt, was ursprünglich dem Wesen dieses Gottes fern lag. Wie nun die Seele,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/190>, abgerufen am 24.08.2024.