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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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das Pferd das Gleichgewicht verlor. Aber es stürzte nicht, sondern bäumt-'
sich hoch auf, drehte sich auf den Hinterfüßen, fußte wieder auf dem Pfade
und lief rückwärts hinter den Maulthieren her, bis an die vorher erwähnte,
bereits passirte breitere Stelle des'Meges, wo es, den Lastthieren ausweichend,
stehen blieb. Der Zügel, an dem ich mich festgehalten hatte, war-ein nach
europäischer Art gefertigter, und bereits alt, er riß, und dies war ein Glück,
denn bei dem abhängigen und lockeren Standpunkte, den das Pferd hatte, wäre
es ohne Zweifel durch mein Gewicht hinabgezogen worden, und auf mich ge¬
fallen. Aber das mir gehörige Zaumwerk nach der schweren und haltbaren
Weise des Landes gefertigt, war dem Pferde am Kopfe etwas zu enge, und
deshalb entlehnte ich von Segels ein anderes, dessen^ Zerreißen hier zu meinem
Vortheile stattfand

Ich selbst kugelte hierauf, ohne mich irgendwie halten zu können, fünf¬
undzwanzig oder dreißig Schritte abwärts, faßte aber dort einen Strauch und
kletterte oder kroch vielmehr dann wieder den Abhang hinan. Zehn Schritte
unterhalb des rettenden Strauchs fiel die Felswand senkrecht ab. -- Dort,
d. h. etwa 800 Fuß tiefer, fließt der liebenswürdige Mapacho zwischen zierlich
zugespitzten Felsen, und hie und da zerstreut zwischen ihnen bleichen fragmen¬
tarisch die Gebeine von Menschen und Thieren, die oben ebenfalls das Gleich¬
gewicht verloren und zufällig nicht an einem Strauche hängen geblieben sind.

Einer der Knechte warf mir seinen Lasso zu, mit dessen Hilfe erreichte ich
die Höhe und dort war meine erste Beschäftigung, eine Unzahl von Stacheln
aus den Händen zu ziehen, Ueberbleibsel des rettenden Strauchs. Dann
wurde Sattel und Zeug wieder in Ordnung gebracht und weiter geritten.

Bald nachdem wir jene Stelle verlassen hatten, begann der Weg sich in
etwas zu verändern.

Statt daß früher ans der einen Seite Felswand, auf der andern Abgrund
war, mußten wir jetzt über einen drei Fuß breiten Felskamm reiten, dessen
beide Seiten senkrecht abfielen. Natürliche Stufen von ebenfalls drei Fuß
Höhe bildeten die Straße und so mußten die Pferde sprungweise anklimmen.
Ich war thöricht genug, mich über die unschuldige Klippe zu ärgern und mein
Pferd erhielt wol, manchen nicht nöthigen Spornstich, indem ich auf den Unsinn
schalt, über Mauern zu reiten, anstatt außen herum. Ich weiß indessen nicht,
ob dies überhaupt angegangen wäre. -

Oben angelangt, wo die Felswand ein kleines Plateau bildete, legte sich
plötzlich unser lasttragendes Maulthier ganz ruhig auf den Boden, und war
auf keine Weise zu be-wegen, wieder aufzustehen. Das Thier hatte die Augen
geschlossen und sein Kopf hing, sammt dem einen Packe der Last, die es trug,
über dem Abgrund. Wenn Maulthiere ihren Führern erklären wollen, daß sie
genug gearbeitet, und keine Lust hätten, weiter zu gehen, nehmen sie stets


das Pferd das Gleichgewicht verlor. Aber es stürzte nicht, sondern bäumt-'
sich hoch auf, drehte sich auf den Hinterfüßen, fußte wieder auf dem Pfade
und lief rückwärts hinter den Maulthieren her, bis an die vorher erwähnte,
bereits passirte breitere Stelle des'Meges, wo es, den Lastthieren ausweichend,
stehen blieb. Der Zügel, an dem ich mich festgehalten hatte, war-ein nach
europäischer Art gefertigter, und bereits alt, er riß, und dies war ein Glück,
denn bei dem abhängigen und lockeren Standpunkte, den das Pferd hatte, wäre
es ohne Zweifel durch mein Gewicht hinabgezogen worden, und auf mich ge¬
fallen. Aber das mir gehörige Zaumwerk nach der schweren und haltbaren
Weise des Landes gefertigt, war dem Pferde am Kopfe etwas zu enge, und
deshalb entlehnte ich von Segels ein anderes, dessen^ Zerreißen hier zu meinem
Vortheile stattfand

Ich selbst kugelte hierauf, ohne mich irgendwie halten zu können, fünf¬
undzwanzig oder dreißig Schritte abwärts, faßte aber dort einen Strauch und
kletterte oder kroch vielmehr dann wieder den Abhang hinan. Zehn Schritte
unterhalb des rettenden Strauchs fiel die Felswand senkrecht ab. — Dort,
d. h. etwa 800 Fuß tiefer, fließt der liebenswürdige Mapacho zwischen zierlich
zugespitzten Felsen, und hie und da zerstreut zwischen ihnen bleichen fragmen¬
tarisch die Gebeine von Menschen und Thieren, die oben ebenfalls das Gleich¬
gewicht verloren und zufällig nicht an einem Strauche hängen geblieben sind.

Einer der Knechte warf mir seinen Lasso zu, mit dessen Hilfe erreichte ich
die Höhe und dort war meine erste Beschäftigung, eine Unzahl von Stacheln
aus den Händen zu ziehen, Ueberbleibsel des rettenden Strauchs. Dann
wurde Sattel und Zeug wieder in Ordnung gebracht und weiter geritten.

Bald nachdem wir jene Stelle verlassen hatten, begann der Weg sich in
etwas zu verändern.

Statt daß früher ans der einen Seite Felswand, auf der andern Abgrund
war, mußten wir jetzt über einen drei Fuß breiten Felskamm reiten, dessen
beide Seiten senkrecht abfielen. Natürliche Stufen von ebenfalls drei Fuß
Höhe bildeten die Straße und so mußten die Pferde sprungweise anklimmen.
Ich war thöricht genug, mich über die unschuldige Klippe zu ärgern und mein
Pferd erhielt wol, manchen nicht nöthigen Spornstich, indem ich auf den Unsinn
schalt, über Mauern zu reiten, anstatt außen herum. Ich weiß indessen nicht,
ob dies überhaupt angegangen wäre. -

Oben angelangt, wo die Felswand ein kleines Plateau bildete, legte sich
plötzlich unser lasttragendes Maulthier ganz ruhig auf den Boden, und war
auf keine Weise zu be-wegen, wieder aufzustehen. Das Thier hatte die Augen
geschlossen und sein Kopf hing, sammt dem einen Packe der Last, die es trug,
über dem Abgrund. Wenn Maulthiere ihren Führern erklären wollen, daß sie
genug gearbeitet, und keine Lust hätten, weiter zu gehen, nehmen sie stets


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[0182] das Pferd das Gleichgewicht verlor. Aber es stürzte nicht, sondern bäumt-' sich hoch auf, drehte sich auf den Hinterfüßen, fußte wieder auf dem Pfade und lief rückwärts hinter den Maulthieren her, bis an die vorher erwähnte, bereits passirte breitere Stelle des'Meges, wo es, den Lastthieren ausweichend, stehen blieb. Der Zügel, an dem ich mich festgehalten hatte, war-ein nach europäischer Art gefertigter, und bereits alt, er riß, und dies war ein Glück, denn bei dem abhängigen und lockeren Standpunkte, den das Pferd hatte, wäre es ohne Zweifel durch mein Gewicht hinabgezogen worden, und auf mich ge¬ fallen. Aber das mir gehörige Zaumwerk nach der schweren und haltbaren Weise des Landes gefertigt, war dem Pferde am Kopfe etwas zu enge, und deshalb entlehnte ich von Segels ein anderes, dessen^ Zerreißen hier zu meinem Vortheile stattfand Ich selbst kugelte hierauf, ohne mich irgendwie halten zu können, fünf¬ undzwanzig oder dreißig Schritte abwärts, faßte aber dort einen Strauch und kletterte oder kroch vielmehr dann wieder den Abhang hinan. Zehn Schritte unterhalb des rettenden Strauchs fiel die Felswand senkrecht ab. — Dort, d. h. etwa 800 Fuß tiefer, fließt der liebenswürdige Mapacho zwischen zierlich zugespitzten Felsen, und hie und da zerstreut zwischen ihnen bleichen fragmen¬ tarisch die Gebeine von Menschen und Thieren, die oben ebenfalls das Gleich¬ gewicht verloren und zufällig nicht an einem Strauche hängen geblieben sind. Einer der Knechte warf mir seinen Lasso zu, mit dessen Hilfe erreichte ich die Höhe und dort war meine erste Beschäftigung, eine Unzahl von Stacheln aus den Händen zu ziehen, Ueberbleibsel des rettenden Strauchs. Dann wurde Sattel und Zeug wieder in Ordnung gebracht und weiter geritten. Bald nachdem wir jene Stelle verlassen hatten, begann der Weg sich in etwas zu verändern. Statt daß früher ans der einen Seite Felswand, auf der andern Abgrund war, mußten wir jetzt über einen drei Fuß breiten Felskamm reiten, dessen beide Seiten senkrecht abfielen. Natürliche Stufen von ebenfalls drei Fuß Höhe bildeten die Straße und so mußten die Pferde sprungweise anklimmen. Ich war thöricht genug, mich über die unschuldige Klippe zu ärgern und mein Pferd erhielt wol, manchen nicht nöthigen Spornstich, indem ich auf den Unsinn schalt, über Mauern zu reiten, anstatt außen herum. Ich weiß indessen nicht, ob dies überhaupt angegangen wäre. - Oben angelangt, wo die Felswand ein kleines Plateau bildete, legte sich plötzlich unser lasttragendes Maulthier ganz ruhig auf den Boden, und war auf keine Weise zu be-wegen, wieder aufzustehen. Das Thier hatte die Augen geschlossen und sein Kopf hing, sammt dem einen Packe der Last, die es trug, über dem Abgrund. Wenn Maulthiere ihren Führern erklären wollen, daß sie genug gearbeitet, und keine Lust hätten, weiter zu gehen, nehmen sie stets

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/182>, abgerufen am 01.07.2024.