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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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malige Umgestaltung, und so entstand ein zweiter Zwischenentwurf (4. Aug. 1853)-
Preußen mit dem größten Theile der nord- und mitteldeutschen Staaten hielt
noch immer das Princip des preußischen Entwurfs, Oestreich mit dem Süd¬
westen den specialisirenden Charakter des östreichisch-hessischen Entwurfs fest-
Unter gegenseitigen Zugeständnissen im einzelnen kam endlich die letzte ?1te-
dactivn (vom -18. Mai -I85/j>) zur einstimmigen Annahme (4. Juli -183-i).

Die Concessionen sind großentheils zu Gunsten jenes octrohirenden Charakters
des östreichisch-hessischen Entwurfs eingetreten, welcher sowol den vereinbarten
Grundsätzen der Preßsachmänner, als auch den historischen Prämissen der Behand¬
lung des Preßwesens am Bundestag widerspricht; andererseits ging aus den
Transactioncn ein seltsam gemischter Charakter des ganzen Bundesbeschlusses
hervor, der noch immer den Einzelstaaten eine ziemlich freie Bewegung
Bezug auf das Praklischwerdcn des Bundeöbeschlusses läßt. Wenn z. B. i>"
Eingange des Bnndesbeschlusses gesagt wird, die Bundesversammlung habe
sich über diese "allgemeinen Bestimmungen" geeinigt, unter Vorbehalt der
Befugniß der Regierungen, "nach Bedürfniß eingreifendere Bestimmungen ZU
treffen", so dürfen wir nicht vergessen, daß damit eben nur das "Bedürfniß"
der Einzelregierungen als entscheidend für deren Einführung oder Nichteinfüh'
rung anerkannt ist, sowie daß "eingreifendere Bestimmungen" in dieser Ver¬
bindung nur den Sinn von Bestimmungen haben können, welche in den
Specialgesetzgebungen begründet sind. Ist dies aber der Fall, so fällt für alle
Staaten mit einer dem allgemeinen Princip des Bundcspreßgesetzcö ent¬
sprechenden Preßgesetzgebung die Verpflichtung weg, dessen Vorschriften i"i
einzelnen anzunehmen, solange sie nicht selbstständig dieses "Bedürfniß"
fühlen.

Dieses Moment ist von großer Wichtigkeit. Denn das Bundesgesetz tritt
sonach nicht als äußerstes Maß der preßfreiheitlichen, sondern der preß-
beschränkenden Bundesgrundsätze auf. Es ist darum vollkommen folgerecht,
wenn jene Staaten, denen die Presse ein Element ihres öffentlichen Lebens ist.
dieses äußerste Maß preßbeschräukender Bestimmungen nicht einführen, wäh¬
rend dagegen solchen, denen die Presse nichts ist, als ein aufs höchste bearg¬
wöhnter, nur unter speciellster Polizeiaufsicht überhaupt zu gestaltender Ausdruck
eines gefährlichen öffentlichen Geistes allerdings ebenso freie Hand gelassen ist,
die äußerste polizeiliche uno administrative Bevormundung unter Berufung ans
ihre "Bundestreue" zur Regel zu erheben.

In Bezug auf Oestreich (welches jedech eben die Publication des Bundes-
preßgesctzes dem Vernehmen nach nicht eintreten lassen will) hat der "Lloyd
das Bild eines Zustandes entworfen, welches in gleichem Maße auf alle
Staaten anwendbar werden würde, in denen die Bestimmungen des Bundes-
preßgesetzeS nach ihrem Wortlaute zu strenger Anwendung kämen. "Wer das


malige Umgestaltung, und so entstand ein zweiter Zwischenentwurf (4. Aug. 1853)-
Preußen mit dem größten Theile der nord- und mitteldeutschen Staaten hielt
noch immer das Princip des preußischen Entwurfs, Oestreich mit dem Süd¬
westen den specialisirenden Charakter des östreichisch-hessischen Entwurfs fest-
Unter gegenseitigen Zugeständnissen im einzelnen kam endlich die letzte ?1te-
dactivn (vom -18. Mai -I85/j>) zur einstimmigen Annahme (4. Juli -183-i).

Die Concessionen sind großentheils zu Gunsten jenes octrohirenden Charakters
des östreichisch-hessischen Entwurfs eingetreten, welcher sowol den vereinbarten
Grundsätzen der Preßsachmänner, als auch den historischen Prämissen der Behand¬
lung des Preßwesens am Bundestag widerspricht; andererseits ging aus den
Transactioncn ein seltsam gemischter Charakter des ganzen Bundesbeschlusses
hervor, der noch immer den Einzelstaaten eine ziemlich freie Bewegung
Bezug auf das Praklischwerdcn des Bundeöbeschlusses läßt. Wenn z. B. i>"
Eingange des Bnndesbeschlusses gesagt wird, die Bundesversammlung habe
sich über diese „allgemeinen Bestimmungen" geeinigt, unter Vorbehalt der
Befugniß der Regierungen, „nach Bedürfniß eingreifendere Bestimmungen ZU
treffen", so dürfen wir nicht vergessen, daß damit eben nur das „Bedürfniß"
der Einzelregierungen als entscheidend für deren Einführung oder Nichteinfüh'
rung anerkannt ist, sowie daß „eingreifendere Bestimmungen" in dieser Ver¬
bindung nur den Sinn von Bestimmungen haben können, welche in den
Specialgesetzgebungen begründet sind. Ist dies aber der Fall, so fällt für alle
Staaten mit einer dem allgemeinen Princip des Bundcspreßgesetzcö ent¬
sprechenden Preßgesetzgebung die Verpflichtung weg, dessen Vorschriften i»i
einzelnen anzunehmen, solange sie nicht selbstständig dieses „Bedürfniß"
fühlen.

Dieses Moment ist von großer Wichtigkeit. Denn das Bundesgesetz tritt
sonach nicht als äußerstes Maß der preßfreiheitlichen, sondern der preß-
beschränkenden Bundesgrundsätze auf. Es ist darum vollkommen folgerecht,
wenn jene Staaten, denen die Presse ein Element ihres öffentlichen Lebens ist.
dieses äußerste Maß preßbeschräukender Bestimmungen nicht einführen, wäh¬
rend dagegen solchen, denen die Presse nichts ist, als ein aufs höchste bearg¬
wöhnter, nur unter speciellster Polizeiaufsicht überhaupt zu gestaltender Ausdruck
eines gefährlichen öffentlichen Geistes allerdings ebenso freie Hand gelassen ist,
die äußerste polizeiliche uno administrative Bevormundung unter Berufung ans
ihre „Bundestreue" zur Regel zu erheben.

In Bezug auf Oestreich (welches jedech eben die Publication des Bundes-
preßgesctzes dem Vernehmen nach nicht eintreten lassen will) hat der „Lloyd
das Bild eines Zustandes entworfen, welches in gleichem Maße auf alle
Staaten anwendbar werden würde, in denen die Bestimmungen des Bundes-
preßgesetzeS nach ihrem Wortlaute zu strenger Anwendung kämen. „Wer das


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[0452] malige Umgestaltung, und so entstand ein zweiter Zwischenentwurf (4. Aug. 1853)- Preußen mit dem größten Theile der nord- und mitteldeutschen Staaten hielt noch immer das Princip des preußischen Entwurfs, Oestreich mit dem Süd¬ westen den specialisirenden Charakter des östreichisch-hessischen Entwurfs fest- Unter gegenseitigen Zugeständnissen im einzelnen kam endlich die letzte ?1te- dactivn (vom -18. Mai -I85/j>) zur einstimmigen Annahme (4. Juli -183-i). Die Concessionen sind großentheils zu Gunsten jenes octrohirenden Charakters des östreichisch-hessischen Entwurfs eingetreten, welcher sowol den vereinbarten Grundsätzen der Preßsachmänner, als auch den historischen Prämissen der Behand¬ lung des Preßwesens am Bundestag widerspricht; andererseits ging aus den Transactioncn ein seltsam gemischter Charakter des ganzen Bundesbeschlusses hervor, der noch immer den Einzelstaaten eine ziemlich freie Bewegung Bezug auf das Praklischwerdcn des Bundeöbeschlusses läßt. Wenn z. B. i>" Eingange des Bnndesbeschlusses gesagt wird, die Bundesversammlung habe sich über diese „allgemeinen Bestimmungen" geeinigt, unter Vorbehalt der Befugniß der Regierungen, „nach Bedürfniß eingreifendere Bestimmungen ZU treffen", so dürfen wir nicht vergessen, daß damit eben nur das „Bedürfniß" der Einzelregierungen als entscheidend für deren Einführung oder Nichteinfüh' rung anerkannt ist, sowie daß „eingreifendere Bestimmungen" in dieser Ver¬ bindung nur den Sinn von Bestimmungen haben können, welche in den Specialgesetzgebungen begründet sind. Ist dies aber der Fall, so fällt für alle Staaten mit einer dem allgemeinen Princip des Bundcspreßgesetzcö ent¬ sprechenden Preßgesetzgebung die Verpflichtung weg, dessen Vorschriften i»i einzelnen anzunehmen, solange sie nicht selbstständig dieses „Bedürfniß" fühlen. Dieses Moment ist von großer Wichtigkeit. Denn das Bundesgesetz tritt sonach nicht als äußerstes Maß der preßfreiheitlichen, sondern der preß- beschränkenden Bundesgrundsätze auf. Es ist darum vollkommen folgerecht, wenn jene Staaten, denen die Presse ein Element ihres öffentlichen Lebens ist. dieses äußerste Maß preßbeschräukender Bestimmungen nicht einführen, wäh¬ rend dagegen solchen, denen die Presse nichts ist, als ein aufs höchste bearg¬ wöhnter, nur unter speciellster Polizeiaufsicht überhaupt zu gestaltender Ausdruck eines gefährlichen öffentlichen Geistes allerdings ebenso freie Hand gelassen ist, die äußerste polizeiliche uno administrative Bevormundung unter Berufung ans ihre „Bundestreue" zur Regel zu erheben. In Bezug auf Oestreich (welches jedech eben die Publication des Bundes- preßgesctzes dem Vernehmen nach nicht eintreten lassen will) hat der „Lloyd das Bild eines Zustandes entworfen, welches in gleichem Maße auf alle Staaten anwendbar werden würde, in denen die Bestimmungen des Bundes- preßgesetzeS nach ihrem Wortlaute zu strenger Anwendung kämen. „Wer das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/452>, abgerufen am 01.09.2024.