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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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alte Oestreich kennen lernen will -- heißt es dort -- und die Schlüssel zu der
gänzlichen Machtlosigkeit sucht, welche dessen Einfluß auf die öffentliche
Meinung im eignen Lande und in Deutschland kennzeichnete, der
braucht nur die Wiener Zeitung und den Oestreich. Beobachter und irgend ein
amtliches Provinzialblatt aus dem Jahr 1847 zur Hand zu nehmen. Die
vollkommene Trennung im Geiste der Regierer wie der Regierten, die dumpfe,
und wie sich nachher zeigte, gefährliche,Si,ille, welche über dem Lande brütete,
das rein mechanische Klappern der Negieruugsmaschine starrt einen von neuem
aus der Beredtsamkeit jener Maculatuic an, aus der Beredtsamkeit ihrer Sprache
und aus der ihres Stillschweigens .... Von dem Moment, von dem es heißen
würde, in Oestreich seien keine cnrdern politischen Journale erlaubt als die
Regierungsblätter, wird das Land mit einem Satz in die alte Dunkelheit zu¬
rückgeschleudert sein. Oestreich wäre dann von neuem das Böotien Europas,
allerdings fruchtbar, allerdings voll von mechanischen Kräften, aber mißachtet,
geistig einflußlos, umnachtet, in einer ungesunden Stickluft schweren Athem
holend."

In diesen Sätzen ist nun blos von der politischen Tagespreise, ist von
Oestreich die Rede, dessen geistiges Leben in der Ueberzahl seiner Provinzen
doch noch weit entfernt steht vom deutschen Gesammtleben, sowol in seinen
Interessen, wie in seinem BildungSstande, Man mache dagegen die Anwen¬
dung auf einen andern deutschen Bundesstaat, auf seine ganze Presse unter
der Herrschaft des streng erecutirten Bundespreßgesetzes! . . . Wir haben hier
nicht alle Konsequenzen zu erörtern, haben auch kaum daraus hinzudeuten,
wie "eine solche Presse, weit entfernt, dem betreffenden Staate in geeigneten
Fällen zum Schutz und Schirm zu dienen, ganz allgemein dem Verhängniß
jener Preßorgane verfallen würde, die ohne geistige Selbstständigkeit oftmals
die vortrefflichsten intellectuellen und materiellen Kräfte nutzlos, einflußlos,
ohne moralisches Ansehen und ohne freiwillige Leser vergeudet, um, jegliche
Wendung des gouvernementalen Ermessens mit künstlichen Lorbeeren zu krönen,
jede selbstständige Regung des öffentlichen Geistes mit der Geringschätzung des
schränkten Nnterthanenverstandes abzuthun und jede factische Inconsequenz
un't einem fadenscheinigen Mäntelchen angeblicher Eonsequenzen zu drapiren.

Nehmen wir an, Preußen, Oestreich und einige andere Staaten ließen
^es an ihren Preßgesetzen genügen, noch andre dagegen würden das BundeS-
preßgesetz im Sinne und Geiste jenes ersten östreichisch-hessischen Entwurfs
ausführen, dessen gefährlichste Bestimmungen noch immer in die Paragraphen
des Bundesbeschlusses hinein zu interpretiren sind. Was wäre die praktische
Folge? Die Tagespresse der letzten: würde außer Landes sofort nicht gelesen,
^äre innerhalb ihrer Landesgrenzen ohne Einfluß. Ein Abschließen ihrer Be¬
völkerung gegen die freier bewegte Presse bleibt dagegen bei den heutigen Ver-


alte Oestreich kennen lernen will — heißt es dort — und die Schlüssel zu der
gänzlichen Machtlosigkeit sucht, welche dessen Einfluß auf die öffentliche
Meinung im eignen Lande und in Deutschland kennzeichnete, der
braucht nur die Wiener Zeitung und den Oestreich. Beobachter und irgend ein
amtliches Provinzialblatt aus dem Jahr 1847 zur Hand zu nehmen. Die
vollkommene Trennung im Geiste der Regierer wie der Regierten, die dumpfe,
und wie sich nachher zeigte, gefährliche,Si,ille, welche über dem Lande brütete,
das rein mechanische Klappern der Negieruugsmaschine starrt einen von neuem
aus der Beredtsamkeit jener Maculatuic an, aus der Beredtsamkeit ihrer Sprache
und aus der ihres Stillschweigens .... Von dem Moment, von dem es heißen
würde, in Oestreich seien keine cnrdern politischen Journale erlaubt als die
Regierungsblätter, wird das Land mit einem Satz in die alte Dunkelheit zu¬
rückgeschleudert sein. Oestreich wäre dann von neuem das Böotien Europas,
allerdings fruchtbar, allerdings voll von mechanischen Kräften, aber mißachtet,
geistig einflußlos, umnachtet, in einer ungesunden Stickluft schweren Athem
holend."

In diesen Sätzen ist nun blos von der politischen Tagespreise, ist von
Oestreich die Rede, dessen geistiges Leben in der Ueberzahl seiner Provinzen
doch noch weit entfernt steht vom deutschen Gesammtleben, sowol in seinen
Interessen, wie in seinem BildungSstande, Man mache dagegen die Anwen¬
dung auf einen andern deutschen Bundesstaat, auf seine ganze Presse unter
der Herrschaft des streng erecutirten Bundespreßgesetzes! . . . Wir haben hier
nicht alle Konsequenzen zu erörtern, haben auch kaum daraus hinzudeuten,
wie "eine solche Presse, weit entfernt, dem betreffenden Staate in geeigneten
Fällen zum Schutz und Schirm zu dienen, ganz allgemein dem Verhängniß
jener Preßorgane verfallen würde, die ohne geistige Selbstständigkeit oftmals
die vortrefflichsten intellectuellen und materiellen Kräfte nutzlos, einflußlos,
ohne moralisches Ansehen und ohne freiwillige Leser vergeudet, um, jegliche
Wendung des gouvernementalen Ermessens mit künstlichen Lorbeeren zu krönen,
jede selbstständige Regung des öffentlichen Geistes mit der Geringschätzung des
schränkten Nnterthanenverstandes abzuthun und jede factische Inconsequenz
un't einem fadenscheinigen Mäntelchen angeblicher Eonsequenzen zu drapiren.

Nehmen wir an, Preußen, Oestreich und einige andere Staaten ließen
^es an ihren Preßgesetzen genügen, noch andre dagegen würden das BundeS-
preßgesetz im Sinne und Geiste jenes ersten östreichisch-hessischen Entwurfs
ausführen, dessen gefährlichste Bestimmungen noch immer in die Paragraphen
des Bundesbeschlusses hinein zu interpretiren sind. Was wäre die praktische
Folge? Die Tagespresse der letzten: würde außer Landes sofort nicht gelesen,
^äre innerhalb ihrer Landesgrenzen ohne Einfluß. Ein Abschließen ihrer Be¬
völkerung gegen die freier bewegte Presse bleibt dagegen bei den heutigen Ver-


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[0453] alte Oestreich kennen lernen will — heißt es dort — und die Schlüssel zu der gänzlichen Machtlosigkeit sucht, welche dessen Einfluß auf die öffentliche Meinung im eignen Lande und in Deutschland kennzeichnete, der braucht nur die Wiener Zeitung und den Oestreich. Beobachter und irgend ein amtliches Provinzialblatt aus dem Jahr 1847 zur Hand zu nehmen. Die vollkommene Trennung im Geiste der Regierer wie der Regierten, die dumpfe, und wie sich nachher zeigte, gefährliche,Si,ille, welche über dem Lande brütete, das rein mechanische Klappern der Negieruugsmaschine starrt einen von neuem aus der Beredtsamkeit jener Maculatuic an, aus der Beredtsamkeit ihrer Sprache und aus der ihres Stillschweigens .... Von dem Moment, von dem es heißen würde, in Oestreich seien keine cnrdern politischen Journale erlaubt als die Regierungsblätter, wird das Land mit einem Satz in die alte Dunkelheit zu¬ rückgeschleudert sein. Oestreich wäre dann von neuem das Böotien Europas, allerdings fruchtbar, allerdings voll von mechanischen Kräften, aber mißachtet, geistig einflußlos, umnachtet, in einer ungesunden Stickluft schweren Athem holend." In diesen Sätzen ist nun blos von der politischen Tagespreise, ist von Oestreich die Rede, dessen geistiges Leben in der Ueberzahl seiner Provinzen doch noch weit entfernt steht vom deutschen Gesammtleben, sowol in seinen Interessen, wie in seinem BildungSstande, Man mache dagegen die Anwen¬ dung auf einen andern deutschen Bundesstaat, auf seine ganze Presse unter der Herrschaft des streng erecutirten Bundespreßgesetzes! . . . Wir haben hier nicht alle Konsequenzen zu erörtern, haben auch kaum daraus hinzudeuten, wie "eine solche Presse, weit entfernt, dem betreffenden Staate in geeigneten Fällen zum Schutz und Schirm zu dienen, ganz allgemein dem Verhängniß jener Preßorgane verfallen würde, die ohne geistige Selbstständigkeit oftmals die vortrefflichsten intellectuellen und materiellen Kräfte nutzlos, einflußlos, ohne moralisches Ansehen und ohne freiwillige Leser vergeudet, um, jegliche Wendung des gouvernementalen Ermessens mit künstlichen Lorbeeren zu krönen, jede selbstständige Regung des öffentlichen Geistes mit der Geringschätzung des schränkten Nnterthanenverstandes abzuthun und jede factische Inconsequenz un't einem fadenscheinigen Mäntelchen angeblicher Eonsequenzen zu drapiren. Nehmen wir an, Preußen, Oestreich und einige andere Staaten ließen ^es an ihren Preßgesetzen genügen, noch andre dagegen würden das BundeS- preßgesetz im Sinne und Geiste jenes ersten östreichisch-hessischen Entwurfs ausführen, dessen gefährlichste Bestimmungen noch immer in die Paragraphen des Bundesbeschlusses hinein zu interpretiren sind. Was wäre die praktische Folge? Die Tagespresse der letzten: würde außer Landes sofort nicht gelesen, ^äre innerhalb ihrer Landesgrenzen ohne Einfluß. Ein Abschließen ihrer Be¬ völkerung gegen die freier bewegte Presse bleibt dagegen bei den heutigen Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/453>, abgerufen am 01.09.2024.