Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.gesetzmäßiger Bahn hält, muß jedoch nothwendig den Weg der Vereinbarung Ein jahrelang festgehaltenes Nechtsprincip kann sich nicht über Nacht ändern, gesetzmäßiger Bahn hält, muß jedoch nothwendig den Weg der Vereinbarung Ein jahrelang festgehaltenes Nechtsprincip kann sich nicht über Nacht ändern, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0450" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281601"/> <p xml:id="ID_1375" prev="#ID_1374"> gesetzmäßiger Bahn hält, muß jedoch nothwendig den Weg der Vereinbarung<lb/> mit der Landesvertretung gehen. Nur wo solche Ausnahmszustände herrschen,<lb/> wie in Kurhessen, ist es denkbar, daß das Gegentheil stattfindet. Wir nennen<lb/> Kurhessen darum, weil dieses wirklich den Verordnungsweg betreten hat. Daß<lb/> ihm ein anderer Staat auf diesem Wege nachfolgen dürfte, ist kaum glaublich-<lb/> lind wenn es wirklich geschähe, so bliebe immer noch eine Frage, ob nicht<lb/> mindestens die nachträgliche Vereinbarung mit den Kammern zur gesetzlichen<lb/> Geltung des Gesetzes unumgänglich wäre. Baiern hatte z. B. seiner Zeit die<lb/> durch Unterschrift des Reichsverwesers und des Neichsministerium sanctionirten<lb/> Grundgesetze im officiellen Gesetzblatt aufgenommen. Trotzdem erkannten einige<lb/> Gerichte in ihren Entscheidungen die Rechtsverbindlichkeit dieser Gesetze für<lb/> Baiern nicht an; und der oberste Gerichtshof bestätigte diese Urtel. Ebenso<lb/> hat die baierische Regierung fast im Momente der Promulgirung jener Grund¬<lb/> gesetze vor den Kammern bei verschiedenen Gelegenheiten den Beweis geführt,<lb/> daß dieselben nur insoweit für Baiern verbindlich seien, als sie mit dessen<lb/> Specialgesetzgebung übereinstimmten. Daß aber die Periode, während welcher<lb/> der heutige Bundestag nicht bestand, keine Unterbrechung seiner Existenz,<lb/> sondern nur ein Formenwechsel des Bundeseentralorgans gewesen sei, daß also<lb/> seine Competenz in ununterbrochener Kraft geblieben — dies ist grade von den¬<lb/> jenigen Staaten, welche sich zuerst zur Nestituirüng des Bundestages zusammen¬<lb/> thaten, fortwährend als Nechtsprincip verfochten worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1376" next="#ID_1377"> Ein jahrelang festgehaltenes Nechtsprincip kann sich nicht über Nacht ändern,<lb/> am wenigsten nach momentanen Opportunitäten im einen Falle diese, im andern<lb/> jene Auslegung erfahren. Es war ein Verkennen aller bundesgesetzlichen Be¬<lb/> fugnisse, als der erste Entwurf des Bundeöpreßgesetzcs, welchen der östreichische<lb/> und hessische Preßfachmann (v. Lackcnbacher und v. Bechtvld) ausgearbeitet<lb/> hatten, die Bestimmung aufstellte, jeder Staat solle das Vundespreßgesctz „binnen<lb/> leads Monaten auf dem Verordnungswege" einführen. Freilich stimmte dieser<lb/> dictatorische Befehl mit dem -sonstigen Charakter des Entwurfs. Denn er gibt<lb/> eine höchst spccialisirende Preßgesetzgebung, welche die bestehenden.Gesetze der<lb/> Einzelstaaten als gar nicht vorhanden betrachtet. Es ist überhaupt gar wunder¬<lb/> sam anzusehen, wie diesem Gesetzentwurfe fortwährend der Begriff eines Bundes¬<lb/> staates vorschwebt, während doch bei andern Gelegenheiten die bei dessen<lb/> Ausarbeitung zunächst vertretenen Staaten für den blos Staate n b u n dlich e n<lb/> und allgemein völkerrechtlichen Charakter des deutschen Bundes immer<lb/> am eifrigsten in die Schranken zu treten pflegten. Der plötzliche bundesstaat¬<lb/> liche Octroyirungseifer ging selbst soweit, daß bei den einzelnen Bestimmungen<lb/> des Entwurfs das Princip vernachlässigt ward, über welches doch die Pre߬<lb/> fachmänner in den Vvrberalhungen übereingekommen waren. Man hatte dort<lb/> nämlich anerkannt, daß die Bundesversammlung, indem sie die Aufgabe zu»'</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0450]
gesetzmäßiger Bahn hält, muß jedoch nothwendig den Weg der Vereinbarung
mit der Landesvertretung gehen. Nur wo solche Ausnahmszustände herrschen,
wie in Kurhessen, ist es denkbar, daß das Gegentheil stattfindet. Wir nennen
Kurhessen darum, weil dieses wirklich den Verordnungsweg betreten hat. Daß
ihm ein anderer Staat auf diesem Wege nachfolgen dürfte, ist kaum glaublich-
lind wenn es wirklich geschähe, so bliebe immer noch eine Frage, ob nicht
mindestens die nachträgliche Vereinbarung mit den Kammern zur gesetzlichen
Geltung des Gesetzes unumgänglich wäre. Baiern hatte z. B. seiner Zeit die
durch Unterschrift des Reichsverwesers und des Neichsministerium sanctionirten
Grundgesetze im officiellen Gesetzblatt aufgenommen. Trotzdem erkannten einige
Gerichte in ihren Entscheidungen die Rechtsverbindlichkeit dieser Gesetze für
Baiern nicht an; und der oberste Gerichtshof bestätigte diese Urtel. Ebenso
hat die baierische Regierung fast im Momente der Promulgirung jener Grund¬
gesetze vor den Kammern bei verschiedenen Gelegenheiten den Beweis geführt,
daß dieselben nur insoweit für Baiern verbindlich seien, als sie mit dessen
Specialgesetzgebung übereinstimmten. Daß aber die Periode, während welcher
der heutige Bundestag nicht bestand, keine Unterbrechung seiner Existenz,
sondern nur ein Formenwechsel des Bundeseentralorgans gewesen sei, daß also
seine Competenz in ununterbrochener Kraft geblieben — dies ist grade von den¬
jenigen Staaten, welche sich zuerst zur Nestituirüng des Bundestages zusammen¬
thaten, fortwährend als Nechtsprincip verfochten worden.
Ein jahrelang festgehaltenes Nechtsprincip kann sich nicht über Nacht ändern,
am wenigsten nach momentanen Opportunitäten im einen Falle diese, im andern
jene Auslegung erfahren. Es war ein Verkennen aller bundesgesetzlichen Be¬
fugnisse, als der erste Entwurf des Bundeöpreßgesetzcs, welchen der östreichische
und hessische Preßfachmann (v. Lackcnbacher und v. Bechtvld) ausgearbeitet
hatten, die Bestimmung aufstellte, jeder Staat solle das Vundespreßgesctz „binnen
leads Monaten auf dem Verordnungswege" einführen. Freilich stimmte dieser
dictatorische Befehl mit dem -sonstigen Charakter des Entwurfs. Denn er gibt
eine höchst spccialisirende Preßgesetzgebung, welche die bestehenden.Gesetze der
Einzelstaaten als gar nicht vorhanden betrachtet. Es ist überhaupt gar wunder¬
sam anzusehen, wie diesem Gesetzentwurfe fortwährend der Begriff eines Bundes¬
staates vorschwebt, während doch bei andern Gelegenheiten die bei dessen
Ausarbeitung zunächst vertretenen Staaten für den blos Staate n b u n dlich e n
und allgemein völkerrechtlichen Charakter des deutschen Bundes immer
am eifrigsten in die Schranken zu treten pflegten. Der plötzliche bundesstaat¬
liche Octroyirungseifer ging selbst soweit, daß bei den einzelnen Bestimmungen
des Entwurfs das Princip vernachlässigt ward, über welches doch die Pre߬
fachmänner in den Vvrberalhungen übereingekommen waren. Man hatte dort
nämlich anerkannt, daß die Bundesversammlung, indem sie die Aufgabe zu»'
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