Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.etwa wie in den Bekenntnissen einer schönen Seele, in den Göttern Griechen¬ Ueber die Stellung des Epigonen zu seinen Vorgängern belehrt uns Wir wollen über die Auswahl dieser Gedichte nicht weiter rechten, sie etwa wie in den Bekenntnissen einer schönen Seele, in den Göttern Griechen¬ Ueber die Stellung des Epigonen zu seinen Vorgängern belehrt uns Wir wollen über die Auswahl dieser Gedichte nicht weiter rechten, sie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0412" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281563"/> <p xml:id="ID_1241" prev="#ID_1240"> etwa wie in den Bekenntnissen einer schönen Seele, in den Göttern Griechen¬<lb/> lands u. s. w.; aber er führt zu keinen objectiven Gestaltungen. Die Art<lb/> und Weise, wie Herr Jordan seinen Begriff des göttlichen Wesens in die Fi-<lb/> guren des Lucifer, Agathodämon, Mephistopheles u. f. w. zerlegt, ist keine<lb/> Thätigkeit der Einbildungskraft, sondern ein Zcrsetzungsproceß der Reflexion,<lb/> und wenn ihm dabei asiatische Mythen vorgeschwebt haben, so ist ihm<lb/> von diesen Mythen doch lediglich der gestaltlose Begriff, nicht die sinnliche<lb/> Farbe und der Naturinhalt geblieben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1242"> Ueber die Stellung des Epigonen zu seinen Vorgängern belehrt uns<lb/> vorzugsweise der dritte Band, der in seinem bei weitem größten Theil (S. 21—1 i^Z<lb/> einen Abschnitt enthält, in welchem unter dem Titel: die göttliche Komödie,<lb/> drei frühere Dichtungen, der Prometheus des Aeschylus, der Hiob und Goethes<lb/> Faust reproducirt werden. — Eine Reproduction, die beiläufig mit der Fabel<lb/> des Ganzen nicht das Geringste zu thun hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1243" next="#ID_1244"> Wir wollen über die Auswahl dieser Gedichte nicht weiter rechten, sie<lb/> haben das Gemeinsame, daß sie auf eine Theodicee ausgehen, oder bestimmter<lb/> ausgedrückt, daß sie die Frage anregen, wie man sich den Begriff Gottes mit<lb/> den Erscheinungen des Göttlichen in Einklang bringen soll. — Der Prometheus<lb/> ist vielleicht das merkwürdigste Drama des Alterthums, insofern er in seiner<lb/> fragmentarischen Gestalt Dinge enthält, die wir mit dem Glauben der Athener,<lb/> vor denen doch das Drama aufgeführt wurde, nicht in Einklang bringen<lb/> können. Vielleicht würde dies Befremden einigermaßen aufgehoben, wenn wir<lb/> die andern Stücke der Trilogie noch hätten, vielleicht aber auch nicht; denn<lb/> in dem Schlußstück der Orcstie wird trotz der hochpoetischen ' Darstellung, die<lb/> vielleicht in der ganzen Poesie nicht ihresgleichen hat, der Schicksalsknoten nicht<lb/> gelöst, sondern zerhauen, und so wird es vielleicht auch im entfesselten Pro¬<lb/> metheus geschehen sein. Wie dem auch sei, der gefesselte Prometheus ist eine<lb/> höchst räthselhafte Erscheinung. Es werden von allen Personen, sür die wir<lb/> uns im Drama interessiren, dem Götterkönig die schlimmsten Vorwürfe gemacht,<lb/> und die Boten desselben erscheinen als die Knechte einer willkürlichen'des¬<lb/> potischen Gewalt, was in dem republikanischen Athen gewiß nicht als ein Lob<lb/> aufgefaßt wurde. Außerdem sind einzelne Züge darin, die Herr Jordan<lb/> vollkommen richtig herausgefühlt hat und die alle unsre Begriffe über den<lb/> Haufen werfen. Prometheus weiß nämlich, daß dem Zeus die Möglichkeit<lb/> eines schrecklichen Untergangs bevorsteht, durch einen Jüngeren und Größeren,<lb/> den er selbst zeugen soll, und der Vater der Götter weiß, daß Prometheus<lb/> durch einen jüngeren Gott erlöst werden wird, der für ihn in den Hades herab¬<lb/> steigt. Daß sich diese Ideen auf die projectirte Vermählung mit der Thetis<lb/> und auf den Geierschuß des Herakles beziehen, klärt uns über das Wesen<lb/> derselben nicht auf. Der höchste Gott weiß, daß er untergehen kann, er weiß,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0412]
etwa wie in den Bekenntnissen einer schönen Seele, in den Göttern Griechen¬
lands u. s. w.; aber er führt zu keinen objectiven Gestaltungen. Die Art
und Weise, wie Herr Jordan seinen Begriff des göttlichen Wesens in die Fi-
guren des Lucifer, Agathodämon, Mephistopheles u. f. w. zerlegt, ist keine
Thätigkeit der Einbildungskraft, sondern ein Zcrsetzungsproceß der Reflexion,
und wenn ihm dabei asiatische Mythen vorgeschwebt haben, so ist ihm
von diesen Mythen doch lediglich der gestaltlose Begriff, nicht die sinnliche
Farbe und der Naturinhalt geblieben.
Ueber die Stellung des Epigonen zu seinen Vorgängern belehrt uns
vorzugsweise der dritte Band, der in seinem bei weitem größten Theil (S. 21—1 i^Z
einen Abschnitt enthält, in welchem unter dem Titel: die göttliche Komödie,
drei frühere Dichtungen, der Prometheus des Aeschylus, der Hiob und Goethes
Faust reproducirt werden. — Eine Reproduction, die beiläufig mit der Fabel
des Ganzen nicht das Geringste zu thun hat.
Wir wollen über die Auswahl dieser Gedichte nicht weiter rechten, sie
haben das Gemeinsame, daß sie auf eine Theodicee ausgehen, oder bestimmter
ausgedrückt, daß sie die Frage anregen, wie man sich den Begriff Gottes mit
den Erscheinungen des Göttlichen in Einklang bringen soll. — Der Prometheus
ist vielleicht das merkwürdigste Drama des Alterthums, insofern er in seiner
fragmentarischen Gestalt Dinge enthält, die wir mit dem Glauben der Athener,
vor denen doch das Drama aufgeführt wurde, nicht in Einklang bringen
können. Vielleicht würde dies Befremden einigermaßen aufgehoben, wenn wir
die andern Stücke der Trilogie noch hätten, vielleicht aber auch nicht; denn
in dem Schlußstück der Orcstie wird trotz der hochpoetischen ' Darstellung, die
vielleicht in der ganzen Poesie nicht ihresgleichen hat, der Schicksalsknoten nicht
gelöst, sondern zerhauen, und so wird es vielleicht auch im entfesselten Pro¬
metheus geschehen sein. Wie dem auch sei, der gefesselte Prometheus ist eine
höchst räthselhafte Erscheinung. Es werden von allen Personen, sür die wir
uns im Drama interessiren, dem Götterkönig die schlimmsten Vorwürfe gemacht,
und die Boten desselben erscheinen als die Knechte einer willkürlichen'des¬
potischen Gewalt, was in dem republikanischen Athen gewiß nicht als ein Lob
aufgefaßt wurde. Außerdem sind einzelne Züge darin, die Herr Jordan
vollkommen richtig herausgefühlt hat und die alle unsre Begriffe über den
Haufen werfen. Prometheus weiß nämlich, daß dem Zeus die Möglichkeit
eines schrecklichen Untergangs bevorsteht, durch einen Jüngeren und Größeren,
den er selbst zeugen soll, und der Vater der Götter weiß, daß Prometheus
durch einen jüngeren Gott erlöst werden wird, der für ihn in den Hades herab¬
steigt. Daß sich diese Ideen auf die projectirte Vermählung mit der Thetis
und auf den Geierschuß des Herakles beziehen, klärt uns über das Wesen
derselben nicht auf. Der höchste Gott weiß, daß er untergehen kann, er weiß,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |