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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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züge, Matten, Felder und Dörfer, selbst Städte miteinander wechseln. Ueber diese
Hochrücken ragen die Bergbuckel 400 bis 300 Fuß empor, meist gleich hoch
und rundlich geformt, nur gegen die Thaler abschüssig und scharfkantig. Wenn
gleich das Niveau des Plateaus gegen Franken etwas ansteigt und hier seinen
hohen Uferrand hat, so erscheint doch dasselbe dem Blick fast von gleicher
Wellenhöhe, und es erregt Wonne und Sehnen, von Rücken zu Rücken
hinüber auf die fernen, durch tiefrissigc Thaler getrennten luftigen Dörfer und
Auen sehen zu können. Gegen die Saale und den Main ist der Hochrücken
von scharflinirten Randsirsten umgeben, von denen der Blick weit hinaus und
hinab in die Thäler und auf die Biegungen der vorgelagerten Platten trägt.

Lange lag diese Hälfte des thüringer Waldes, das Grauwackengebirge, in
natürlicher Wildheit da, denn nach dem Laut der Urkunden bestanden hier
noch um das I. 1000 von Wasser zerrissene und durchtoste unwirthliche Thäler
und mit Urwald besetzte Berggehänge und darin Lager ungestümer Bestien;
deshalb bildete das Ganze ein willkommenes Jagdrevier für deutsche Kaiser
und später für benachbarte Dynasten. Die erste Rodung und Lichtung brachten
in diesen Urwaldstrich die Sorben; daraufdrangen Mönche, Ritter und Juden
in gleich starkem Eroberungseifer nach und zugleich mit ihnen westphnlische,
vom Hochstift Köln abgeordnete Bergleute, weil Eisen, Schiefer und Gold selbst
zu Tage gingen und reichen Gewinn versprachen. Diese Bodenschätze waren
es hauptsächlich, welche die Gründung und Bauart der Orte, die Dichtigkeit
der Bevölkerung, deren Gewerbe und Handel und selbst deren Sitte und
sittliche Richtung bestimmten. Zwar ist der alte Bau auf Gold, dessen blühende
Mittelpunkte Steinheid und Reichmannsdorf waren, sammt der früher in meh¬
ren Waldbächen betriebenen Goldwäsche längst erloschen und mit seiner Herr¬
lichkeit in die verherrlichende Sage und in fromme Wünsche gebannt, auch hat
der Bergbau an.s Eisen den unvergleichlichen Schatz des thüringer Waldes, der
ihm noch eine reiche industrielle Zukunft sichert, gegenwärtig wegen mancher
hindernden Verhältnisse nur geringen Betrieb; dagegen in desto größerem Flor
steht der Gewinn auf Schiefer: als Dach-, Tafel-, Griffel- und Wetzsteinschieser.
Nicht allein Abbau und Zubereitung, sondern auch die Abfuhr des Schiefers
und der Handel mit ihm nährt aus vielen Punkten des Gebiets, das größten-
theils zum meininger, kleinstentheils zum bairischen und rudolstädter Terri¬
torium gehört, zusammen viel tausend Menschen. Und diese Industrie wird wegen
des bedeutenden Reichthums an zahmem Schiefer und wegen der Feinheit,
Dauerhaftigkeit und tiefblauen reinen Farbe desselben, Eigenschaften, durch die
er jeden andern Schiefer deS europäischen Kontinents übertrifft, auf lange
Perioden hinaus dauern. Wie früher, so ist auch noch heute das Bergstädtchen
Lehesten der Hauptpunkt dieser Production und deshalb lassen sich hier gründ¬
liche Studien über dies Gestein. -- mit dem unter anderem die Kaiserburg in


züge, Matten, Felder und Dörfer, selbst Städte miteinander wechseln. Ueber diese
Hochrücken ragen die Bergbuckel 400 bis 300 Fuß empor, meist gleich hoch
und rundlich geformt, nur gegen die Thaler abschüssig und scharfkantig. Wenn
gleich das Niveau des Plateaus gegen Franken etwas ansteigt und hier seinen
hohen Uferrand hat, so erscheint doch dasselbe dem Blick fast von gleicher
Wellenhöhe, und es erregt Wonne und Sehnen, von Rücken zu Rücken
hinüber auf die fernen, durch tiefrissigc Thaler getrennten luftigen Dörfer und
Auen sehen zu können. Gegen die Saale und den Main ist der Hochrücken
von scharflinirten Randsirsten umgeben, von denen der Blick weit hinaus und
hinab in die Thäler und auf die Biegungen der vorgelagerten Platten trägt.

Lange lag diese Hälfte des thüringer Waldes, das Grauwackengebirge, in
natürlicher Wildheit da, denn nach dem Laut der Urkunden bestanden hier
noch um das I. 1000 von Wasser zerrissene und durchtoste unwirthliche Thäler
und mit Urwald besetzte Berggehänge und darin Lager ungestümer Bestien;
deshalb bildete das Ganze ein willkommenes Jagdrevier für deutsche Kaiser
und später für benachbarte Dynasten. Die erste Rodung und Lichtung brachten
in diesen Urwaldstrich die Sorben; daraufdrangen Mönche, Ritter und Juden
in gleich starkem Eroberungseifer nach und zugleich mit ihnen westphnlische,
vom Hochstift Köln abgeordnete Bergleute, weil Eisen, Schiefer und Gold selbst
zu Tage gingen und reichen Gewinn versprachen. Diese Bodenschätze waren
es hauptsächlich, welche die Gründung und Bauart der Orte, die Dichtigkeit
der Bevölkerung, deren Gewerbe und Handel und selbst deren Sitte und
sittliche Richtung bestimmten. Zwar ist der alte Bau auf Gold, dessen blühende
Mittelpunkte Steinheid und Reichmannsdorf waren, sammt der früher in meh¬
ren Waldbächen betriebenen Goldwäsche längst erloschen und mit seiner Herr¬
lichkeit in die verherrlichende Sage und in fromme Wünsche gebannt, auch hat
der Bergbau an.s Eisen den unvergleichlichen Schatz des thüringer Waldes, der
ihm noch eine reiche industrielle Zukunft sichert, gegenwärtig wegen mancher
hindernden Verhältnisse nur geringen Betrieb; dagegen in desto größerem Flor
steht der Gewinn auf Schiefer: als Dach-, Tafel-, Griffel- und Wetzsteinschieser.
Nicht allein Abbau und Zubereitung, sondern auch die Abfuhr des Schiefers
und der Handel mit ihm nährt aus vielen Punkten des Gebiets, das größten-
theils zum meininger, kleinstentheils zum bairischen und rudolstädter Terri¬
torium gehört, zusammen viel tausend Menschen. Und diese Industrie wird wegen
des bedeutenden Reichthums an zahmem Schiefer und wegen der Feinheit,
Dauerhaftigkeit und tiefblauen reinen Farbe desselben, Eigenschaften, durch die
er jeden andern Schiefer deS europäischen Kontinents übertrifft, auf lange
Perioden hinaus dauern. Wie früher, so ist auch noch heute das Bergstädtchen
Lehesten der Hauptpunkt dieser Production und deshalb lassen sich hier gründ¬
liche Studien über dies Gestein. — mit dem unter anderem die Kaiserburg in


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[0213] züge, Matten, Felder und Dörfer, selbst Städte miteinander wechseln. Ueber diese Hochrücken ragen die Bergbuckel 400 bis 300 Fuß empor, meist gleich hoch und rundlich geformt, nur gegen die Thaler abschüssig und scharfkantig. Wenn gleich das Niveau des Plateaus gegen Franken etwas ansteigt und hier seinen hohen Uferrand hat, so erscheint doch dasselbe dem Blick fast von gleicher Wellenhöhe, und es erregt Wonne und Sehnen, von Rücken zu Rücken hinüber auf die fernen, durch tiefrissigc Thaler getrennten luftigen Dörfer und Auen sehen zu können. Gegen die Saale und den Main ist der Hochrücken von scharflinirten Randsirsten umgeben, von denen der Blick weit hinaus und hinab in die Thäler und auf die Biegungen der vorgelagerten Platten trägt. Lange lag diese Hälfte des thüringer Waldes, das Grauwackengebirge, in natürlicher Wildheit da, denn nach dem Laut der Urkunden bestanden hier noch um das I. 1000 von Wasser zerrissene und durchtoste unwirthliche Thäler und mit Urwald besetzte Berggehänge und darin Lager ungestümer Bestien; deshalb bildete das Ganze ein willkommenes Jagdrevier für deutsche Kaiser und später für benachbarte Dynasten. Die erste Rodung und Lichtung brachten in diesen Urwaldstrich die Sorben; daraufdrangen Mönche, Ritter und Juden in gleich starkem Eroberungseifer nach und zugleich mit ihnen westphnlische, vom Hochstift Köln abgeordnete Bergleute, weil Eisen, Schiefer und Gold selbst zu Tage gingen und reichen Gewinn versprachen. Diese Bodenschätze waren es hauptsächlich, welche die Gründung und Bauart der Orte, die Dichtigkeit der Bevölkerung, deren Gewerbe und Handel und selbst deren Sitte und sittliche Richtung bestimmten. Zwar ist der alte Bau auf Gold, dessen blühende Mittelpunkte Steinheid und Reichmannsdorf waren, sammt der früher in meh¬ ren Waldbächen betriebenen Goldwäsche längst erloschen und mit seiner Herr¬ lichkeit in die verherrlichende Sage und in fromme Wünsche gebannt, auch hat der Bergbau an.s Eisen den unvergleichlichen Schatz des thüringer Waldes, der ihm noch eine reiche industrielle Zukunft sichert, gegenwärtig wegen mancher hindernden Verhältnisse nur geringen Betrieb; dagegen in desto größerem Flor steht der Gewinn auf Schiefer: als Dach-, Tafel-, Griffel- und Wetzsteinschieser. Nicht allein Abbau und Zubereitung, sondern auch die Abfuhr des Schiefers und der Handel mit ihm nährt aus vielen Punkten des Gebiets, das größten- theils zum meininger, kleinstentheils zum bairischen und rudolstädter Terri¬ torium gehört, zusammen viel tausend Menschen. Und diese Industrie wird wegen des bedeutenden Reichthums an zahmem Schiefer und wegen der Feinheit, Dauerhaftigkeit und tiefblauen reinen Farbe desselben, Eigenschaften, durch die er jeden andern Schiefer deS europäischen Kontinents übertrifft, auf lange Perioden hinaus dauern. Wie früher, so ist auch noch heute das Bergstädtchen Lehesten der Hauptpunkt dieser Production und deshalb lassen sich hier gründ¬ liche Studien über dies Gestein. — mit dem unter anderem die Kaiserburg in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/213>, abgerufen am 01.09.2024.