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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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sammenstellung und Erweiterung derselben hätte ein schönes Bild der frühern
Culturperiode gegeben. -- Nicht minder glänzend sind die vergleichenden
Schilderungen der verschiedenen Völkerschaften. Auf die Parallele der Römer
mit den Griechen haben wir schon hingewiesen. Noch viel bedeutender erscheint
uns die Vergleichung mit den Puniern. In der Auffassung des griechischen
Wesens entwickelt der Verfasser zu viel persönliche Antipathie. Zwar hat er
in allem Einzelnen Recht, aber man merkt ihm zu sehr das Behagen an, mit
dem er jede erdenkliche Gelegenheit benutzt, irgend eine neue Schwächlichkeit
dieses Volks ans Licht zu stellen. Eine Reaction gegen die Einseitigkeit der
frühern deutschen Bildung ist in diesem lebhaften Widerwillen nicht zu ver¬
kennen, und der Geschichtschreiber hätte wol eine Form finden können, nicht
das Urtheil selbst, aber die Stimmung desselben zu mäßigen. In einzelnen
Fällen erscheinen durch diesen Gegensatz die Römer in einem gar zu hellen
Licht, so namentlich in der Umgestaltung Griechenlands durch Flaummus, wo
man es grade der leidenschaftlichen Polemik gegen alle Andersmcinenden anmerkt,
daß der Verfasser seiner Sache nicht ganz sicher ist. Mit vollem Recht hat er
der Gefühlspolitik des Flaummus, soweit er sie der traditionellen Staats¬
klugheit Roms entgegenstellt, daS Kokette und Komödienhafte angemerkt; er
hätte das aber auch auf die andere Seite ausdehnen sollen, da Flaummus
mit den Griechen ebenso kokettirte, als mit seinen Landsleuten. In dem
Hellenismus des Flaummus lag kein sittlicher Inhalt; er war die Gnade
eines vornehmen Herrn gegen einen an sich unberechtigten Gegenstand. --
Die Natur der punischen Herrschaft und der aus Aleranders Eroberungen
hervorgegangenen Königreiche ist auf eine ebenso geistvolle als erschöpfende
Weise analysirt. Man lernt hier oft aus einzelnen Seiten mehr, als aus
langen Compendien. -- Wir wenden uns nun zu der Entwicklung des römi¬
schen Staatslebens, wenn wir auch nur die Hauptpunkte ganz kurz berühren
können.

Der Grundgedanke, von dem die ganze Geschichte ausgeht, ist dieser, daß
Rom keineswegs als ein fremdes Element in Italien auftrat, es sich äußerlich
unterwarf und ihm seinen Charakter ausprägte, sondern daß Rom der con-
centrirte Ausdruck des italischen Stammes ist, welcher durch seine Natur
eine Verfassungs- und Machtentwicklung provocirte, wie sie in Rom, seiner be¬
deutendsten Stadt, ihm geleistet wurde. In diesem Princip ist Herr Mommsen
viel cousequenter als Niebuhr selbst, in dessen Darstellung die Römer doch
immer als eine Art Mischvolk erscheinen.

Auf die Urgeschichte Italiens geht der Verfasser nur mit wenigen Worten
ein. Er stellt dem eigentlich italischen Stamm, der in die beiden Hauptab¬
theilungen der Latiner und Sabeller zerfällt, die beiden fremden Völker, die
Japyger und Etrusker gegenüber, deren Beziehung zu der into-germanischen


sammenstellung und Erweiterung derselben hätte ein schönes Bild der frühern
Culturperiode gegeben. — Nicht minder glänzend sind die vergleichenden
Schilderungen der verschiedenen Völkerschaften. Auf die Parallele der Römer
mit den Griechen haben wir schon hingewiesen. Noch viel bedeutender erscheint
uns die Vergleichung mit den Puniern. In der Auffassung des griechischen
Wesens entwickelt der Verfasser zu viel persönliche Antipathie. Zwar hat er
in allem Einzelnen Recht, aber man merkt ihm zu sehr das Behagen an, mit
dem er jede erdenkliche Gelegenheit benutzt, irgend eine neue Schwächlichkeit
dieses Volks ans Licht zu stellen. Eine Reaction gegen die Einseitigkeit der
frühern deutschen Bildung ist in diesem lebhaften Widerwillen nicht zu ver¬
kennen, und der Geschichtschreiber hätte wol eine Form finden können, nicht
das Urtheil selbst, aber die Stimmung desselben zu mäßigen. In einzelnen
Fällen erscheinen durch diesen Gegensatz die Römer in einem gar zu hellen
Licht, so namentlich in der Umgestaltung Griechenlands durch Flaummus, wo
man es grade der leidenschaftlichen Polemik gegen alle Andersmcinenden anmerkt,
daß der Verfasser seiner Sache nicht ganz sicher ist. Mit vollem Recht hat er
der Gefühlspolitik des Flaummus, soweit er sie der traditionellen Staats¬
klugheit Roms entgegenstellt, daS Kokette und Komödienhafte angemerkt; er
hätte das aber auch auf die andere Seite ausdehnen sollen, da Flaummus
mit den Griechen ebenso kokettirte, als mit seinen Landsleuten. In dem
Hellenismus des Flaummus lag kein sittlicher Inhalt; er war die Gnade
eines vornehmen Herrn gegen einen an sich unberechtigten Gegenstand. —
Die Natur der punischen Herrschaft und der aus Aleranders Eroberungen
hervorgegangenen Königreiche ist auf eine ebenso geistvolle als erschöpfende
Weise analysirt. Man lernt hier oft aus einzelnen Seiten mehr, als aus
langen Compendien. — Wir wenden uns nun zu der Entwicklung des römi¬
schen Staatslebens, wenn wir auch nur die Hauptpunkte ganz kurz berühren
können.

Der Grundgedanke, von dem die ganze Geschichte ausgeht, ist dieser, daß
Rom keineswegs als ein fremdes Element in Italien auftrat, es sich äußerlich
unterwarf und ihm seinen Charakter ausprägte, sondern daß Rom der con-
centrirte Ausdruck des italischen Stammes ist, welcher durch seine Natur
eine Verfassungs- und Machtentwicklung provocirte, wie sie in Rom, seiner be¬
deutendsten Stadt, ihm geleistet wurde. In diesem Princip ist Herr Mommsen
viel cousequenter als Niebuhr selbst, in dessen Darstellung die Römer doch
immer als eine Art Mischvolk erscheinen.

Auf die Urgeschichte Italiens geht der Verfasser nur mit wenigen Worten
ein. Er stellt dem eigentlich italischen Stamm, der in die beiden Hauptab¬
theilungen der Latiner und Sabeller zerfällt, die beiden fremden Völker, die
Japyger und Etrusker gegenüber, deren Beziehung zu der into-germanischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/15>, abgerufen am 09.11.2024.