Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.erließ das Stadtamt auf Antrag des Erzbischofs einen Einhaltsbefehl gegen Die angenehmste Nachricht, welche seit der Kunde, daß Annaberg sich mit erließ das Stadtamt auf Antrag des Erzbischofs einen Einhaltsbefehl gegen Die angenehmste Nachricht, welche seit der Kunde, daß Annaberg sich mit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0110" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281261"/> <p xml:id="ID_323" prev="#ID_322"> erließ das Stadtamt auf Antrag des Erzbischofs einen Einhaltsbefehl gegen<lb/> den Bau. Der .Platz hatte der katholischen Kirche gehört und war ohne Zu¬<lb/> stimmung der Curie, welche nach den bestehenden Gesetzen nicht erforderlich<lb/> war, veräußert worden. Der Einhaltsbefehl wurde zurückgenommen, aber die<lb/> vierzehntägige Unterbrechung in der günstigsten Jahreszeit hatte dem Bau¬<lb/> unternehmer großen Nachtheil gebracht. Wird er entschädigt werden und wer<lb/> wird ihn entschädigen? In diesen Tagen ist von dem obersten Gerichtshofe<lb/> folgender Fall entschieden worden. Bei dem sogenannten Struvezuge im Sep¬<lb/> tember -I8i9 waren drei Brüder, wohlhabende Landwirthe in der Amtsstadt<lb/> M. von den Freischärlern um 4000 si. gebrandschatzt worden, — als Anhänger<lb/> der großherzoglichen Regierung. Das Geld wurde bei Todmoos von den<lb/> badischen Truppen erbeutet und bei einer benachbarten Obereinnehmerei de-<lb/> ponirt. Die Beraubten verlangten nun ihr Geld zurück, welches sie vollständig<lb/> wieder erkannten; doch erboten sie sich, mit andern, welche ähnliche Ansprüche<lb/> hatten, zu theilen, und die ihnen zufallende Rate dem Hospitale in M. zu<lb/> schenken. Der Fiscus verweigerte die Herausgabe des Geldes, und erbot sich<lb/> nur zu einem Geschenke von 100 si. an das Hospital. Die Sache kam vor<lb/> die Gerichte und die oberste Instanz entschied für den Fiscus, gegen die<lb/> Kläger, weil von diesen der Beweis, daß das von den Truppen erbeutete<lb/> Geld wirklich das ihrige, nicht vollständig erbracht worden sei. Nun — der<lb/> Zahlmeister, der Freischaren hatte vor dem Untersuchungsrichter erklärt,<lb/> daß das Geld der Kläger auf das Rathhaus und von dort in den Wagen<lb/> gebracht worden sei; der Führer des (requirirten) Wagens hatte ausgesagt, daß<lb/> er sein Fuhrwerk von der Abfahrt vom Rathhause bis zu dem Augenblicke, wo<lb/> die Soldaten dasselbe anhielten, nicht verlassen habe, und daß während dieser<lb/> ganzen Zeit nichts hinein und nichts herausgekommen sei. Alle schuldige<lb/> Achtung vor den Aussprüchen der Gerichte! das vorliegende ist ohne Zweifel<lb/> formell begründet. Aber die Frage ist doch erlaubt: was gewinnt der Fiscus,<lb/> wenn er solche Processe gegen Anhänger der Regierung führt und gewinnt?</p><lb/> <p xml:id="ID_324" next="#ID_325"> Die angenehmste Nachricht, welche seit der Kunde, daß Annaberg sich mit<lb/> Wien vertragen, uns erfreute, ist die Nachricht von dem Interim, welches<lb/> zwischen dem heiligen Stuhl und dem Bevollmächtigten der großherzoglichen<lb/> Regierung in Rom abgeschlossen worden ist. Die näheren Bedingungen dieses<lb/> Waffenstillstandes, der bis zum Abschluß des definitiven Friedens mittelst eines<lb/> Concordats dauern soll, sind zur Zeit noch nicht bekannt; nur im allgemeinen<lb/> erfährt man, daß dieselben so günstig seien, als sie unter den dermaligen Ver¬<lb/> hältnissen zu erlangen waren. Wenn dies auch nicht viel heißen will, so<lb/> zweifelt man doch nicht an der Genehmigung des Interim in Karlsruhe, da<lb/> man aus einem Zustande erlöst wird, welcher jeden Tag unbehaglicher wurde.<lb/> Eine der bedeutendsten Erscheinungen der Literatur über den Kirchenstaat ist</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0110]
erließ das Stadtamt auf Antrag des Erzbischofs einen Einhaltsbefehl gegen
den Bau. Der .Platz hatte der katholischen Kirche gehört und war ohne Zu¬
stimmung der Curie, welche nach den bestehenden Gesetzen nicht erforderlich
war, veräußert worden. Der Einhaltsbefehl wurde zurückgenommen, aber die
vierzehntägige Unterbrechung in der günstigsten Jahreszeit hatte dem Bau¬
unternehmer großen Nachtheil gebracht. Wird er entschädigt werden und wer
wird ihn entschädigen? In diesen Tagen ist von dem obersten Gerichtshofe
folgender Fall entschieden worden. Bei dem sogenannten Struvezuge im Sep¬
tember -I8i9 waren drei Brüder, wohlhabende Landwirthe in der Amtsstadt
M. von den Freischärlern um 4000 si. gebrandschatzt worden, — als Anhänger
der großherzoglichen Regierung. Das Geld wurde bei Todmoos von den
badischen Truppen erbeutet und bei einer benachbarten Obereinnehmerei de-
ponirt. Die Beraubten verlangten nun ihr Geld zurück, welches sie vollständig
wieder erkannten; doch erboten sie sich, mit andern, welche ähnliche Ansprüche
hatten, zu theilen, und die ihnen zufallende Rate dem Hospitale in M. zu
schenken. Der Fiscus verweigerte die Herausgabe des Geldes, und erbot sich
nur zu einem Geschenke von 100 si. an das Hospital. Die Sache kam vor
die Gerichte und die oberste Instanz entschied für den Fiscus, gegen die
Kläger, weil von diesen der Beweis, daß das von den Truppen erbeutete
Geld wirklich das ihrige, nicht vollständig erbracht worden sei. Nun — der
Zahlmeister, der Freischaren hatte vor dem Untersuchungsrichter erklärt,
daß das Geld der Kläger auf das Rathhaus und von dort in den Wagen
gebracht worden sei; der Führer des (requirirten) Wagens hatte ausgesagt, daß
er sein Fuhrwerk von der Abfahrt vom Rathhause bis zu dem Augenblicke, wo
die Soldaten dasselbe anhielten, nicht verlassen habe, und daß während dieser
ganzen Zeit nichts hinein und nichts herausgekommen sei. Alle schuldige
Achtung vor den Aussprüchen der Gerichte! das vorliegende ist ohne Zweifel
formell begründet. Aber die Frage ist doch erlaubt: was gewinnt der Fiscus,
wenn er solche Processe gegen Anhänger der Regierung führt und gewinnt?
Die angenehmste Nachricht, welche seit der Kunde, daß Annaberg sich mit
Wien vertragen, uns erfreute, ist die Nachricht von dem Interim, welches
zwischen dem heiligen Stuhl und dem Bevollmächtigten der großherzoglichen
Regierung in Rom abgeschlossen worden ist. Die näheren Bedingungen dieses
Waffenstillstandes, der bis zum Abschluß des definitiven Friedens mittelst eines
Concordats dauern soll, sind zur Zeit noch nicht bekannt; nur im allgemeinen
erfährt man, daß dieselben so günstig seien, als sie unter den dermaligen Ver¬
hältnissen zu erlangen waren. Wenn dies auch nicht viel heißen will, so
zweifelt man doch nicht an der Genehmigung des Interim in Karlsruhe, da
man aus einem Zustande erlöst wird, welcher jeden Tag unbehaglicher wurde.
Eine der bedeutendsten Erscheinungen der Literatur über den Kirchenstaat ist
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