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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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die jüngst erschienene Schrift des Bischofs Wilhelm Emmanuel von Mainz
(Freiherrn von Ketteler) über das Recht und den Rechtsschutz der katholischen
Kirche in Deutschland. Mit der Beschwerde, jeden Schutzes ihrer Rechte zu
entbehren, steht die katholische Kirche nicht allein; wenn aber der Verfasser den
Schutz, welchen die Regierung seinem Parlamentscvllegen Dominicus Kuenzer,
dem Professor von Reichlin, Meldegg u, a. gegen die erzbischöfliche Curie an-
gedeihen ließ, als Beispiel anführt, um die Schutzlosigkeit seiner Kirche darzu¬
thun, so glauben wir nicht, daß er damit seinem Ziele nahe gekommen ist;
ebenso wird er seiner Sache kaum einen Dienst dadurch erwiesen haben, daß
er das Gebiet des Streites von einer Rechtsfrage zwischen den Bischöfen und
den Regierungen zu einer Polemik gegen den Protestantismus erweiterte.
Bischof von Ketteler hat sich außerdem unlängst noch in andrer Weise bei uns
bemerklich gemacht. Sonntag nach Pfingsten firmelte er im Auftrage des Erz-
bischofs zu Heidelberg und zeigte sich dabei öffentlich im vollen Ornate. Später
(am 27. Juni, wenn wir nickt irren), kam er aus dem hessischen Odenwalde
auf dem Rückwege an die Eisenbahn nach Weinheim. Die nächste Station
war das hessische Städtchen Heppenheim; der bessere Weg an die weitere Sta¬
tion Weinheim (badisch) zieht durch das Birkenauer Thal, allein dieser führt
unten an der Stadt vorbei nach dem Bahnhofe. Statt dessen zog der Bischof
über das Gebirge auf schlechten Wegen durch das Gorrheimer Thal, was ihn
"nöthigte", durch das ganze lange Städtchen zu fahren, umgeben von 60 bis
80 berittenen hessischen Bauern, die festlich geputzt waren und viele Fahnen
trugen. Vor einigen Tagen kam der Bischof wieder mit gleichem Geleite nach
Weinheim, diesmal aber auf der Landstraße durch das Birkenauer Thal. --
Das Interim wird ihm wol solche Umwege und "Vorsichtsmaßregeln" ersparen.

Die Münchner Ausstellung zieht nicht nur viele Fabrikate und Landes-
producte, sondern auch viele Personen aus der Pfalz nach der baierischen
Hauptstadt, mit welcher wir. durch die Bruchsal-Bietigheimer und die Kulm-
Augsburger Bahn noch rechtzeitig in unmittelbare Schienenverbindung gesetzt
worden sind. Selbst das Mannheimer Journal zeigt an, daß es einen Bericht¬
erstatter nach München gesendet habe, ein Zeichen, daß das Publicum gespannt
ist, zu erfahren, was es dort zu sehen und zu hören gibt. Die Wahl des
Gutsbesitzers Jordan in Deidesheim zum Mitglied des Schiedsgerichts bei
der Ausstellung beweist, daß die Regierung in dieser Sache keine politischen
Parteirücksichten vorherrschen läßt, denn Herr Jordan war als Abgeordneter
in der zweiten Kammer während der letzten Versammlung der kräftige Wort¬
führer der Beschwerden seiner Provinz gegen das Regiment des Präsidenten
v. Hohe in Speier. Jedenfalls wird die Ausstellung in München Baiern mehr
Ehre und Vortheil bringen als die "deutsche" Politik des Herrn v. d, Pfordten.




die jüngst erschienene Schrift des Bischofs Wilhelm Emmanuel von Mainz
(Freiherrn von Ketteler) über das Recht und den Rechtsschutz der katholischen
Kirche in Deutschland. Mit der Beschwerde, jeden Schutzes ihrer Rechte zu
entbehren, steht die katholische Kirche nicht allein; wenn aber der Verfasser den
Schutz, welchen die Regierung seinem Parlamentscvllegen Dominicus Kuenzer,
dem Professor von Reichlin, Meldegg u, a. gegen die erzbischöfliche Curie an-
gedeihen ließ, als Beispiel anführt, um die Schutzlosigkeit seiner Kirche darzu¬
thun, so glauben wir nicht, daß er damit seinem Ziele nahe gekommen ist;
ebenso wird er seiner Sache kaum einen Dienst dadurch erwiesen haben, daß
er das Gebiet des Streites von einer Rechtsfrage zwischen den Bischöfen und
den Regierungen zu einer Polemik gegen den Protestantismus erweiterte.
Bischof von Ketteler hat sich außerdem unlängst noch in andrer Weise bei uns
bemerklich gemacht. Sonntag nach Pfingsten firmelte er im Auftrage des Erz-
bischofs zu Heidelberg und zeigte sich dabei öffentlich im vollen Ornate. Später
(am 27. Juni, wenn wir nickt irren), kam er aus dem hessischen Odenwalde
auf dem Rückwege an die Eisenbahn nach Weinheim. Die nächste Station
war das hessische Städtchen Heppenheim; der bessere Weg an die weitere Sta¬
tion Weinheim (badisch) zieht durch das Birkenauer Thal, allein dieser führt
unten an der Stadt vorbei nach dem Bahnhofe. Statt dessen zog der Bischof
über das Gebirge auf schlechten Wegen durch das Gorrheimer Thal, was ihn
„nöthigte", durch das ganze lange Städtchen zu fahren, umgeben von 60 bis
80 berittenen hessischen Bauern, die festlich geputzt waren und viele Fahnen
trugen. Vor einigen Tagen kam der Bischof wieder mit gleichem Geleite nach
Weinheim, diesmal aber auf der Landstraße durch das Birkenauer Thal. —
Das Interim wird ihm wol solche Umwege und „Vorsichtsmaßregeln" ersparen.

Die Münchner Ausstellung zieht nicht nur viele Fabrikate und Landes-
producte, sondern auch viele Personen aus der Pfalz nach der baierischen
Hauptstadt, mit welcher wir. durch die Bruchsal-Bietigheimer und die Kulm-
Augsburger Bahn noch rechtzeitig in unmittelbare Schienenverbindung gesetzt
worden sind. Selbst das Mannheimer Journal zeigt an, daß es einen Bericht¬
erstatter nach München gesendet habe, ein Zeichen, daß das Publicum gespannt
ist, zu erfahren, was es dort zu sehen und zu hören gibt. Die Wahl des
Gutsbesitzers Jordan in Deidesheim zum Mitglied des Schiedsgerichts bei
der Ausstellung beweist, daß die Regierung in dieser Sache keine politischen
Parteirücksichten vorherrschen läßt, denn Herr Jordan war als Abgeordneter
in der zweiten Kammer während der letzten Versammlung der kräftige Wort¬
führer der Beschwerden seiner Provinz gegen das Regiment des Präsidenten
v. Hohe in Speier. Jedenfalls wird die Ausstellung in München Baiern mehr
Ehre und Vortheil bringen als die „deutsche" Politik des Herrn v. d, Pfordten.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/111>, abgerufen am 08.01.2025.