Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.Unsere Krisis ist langdauernder und der passive Widerstand, den die türkische Die türkischen Rüstungen sind inzwischen der Hauptsache uach beendet worden. Heute vor acht Tagen wurden die bei Hunkiar-Jspalessi gelagert gewesenen Unsere Krisis ist langdauernder und der passive Widerstand, den die türkische Die türkischen Rüstungen sind inzwischen der Hauptsache uach beendet worden. Heute vor acht Tagen wurden die bei Hunkiar-Jspalessi gelagert gewesenen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0080" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96785"/> </div> <div n="1"> <head> </head><lb/> <p xml:id="ID_195"> Unsere Krisis ist langdauernder und der passive Widerstand, den die türkische<lb/> Politik den Anmuthungen der vier Großmächte entgegensetzt, ein höherer, als man,<lb/> namentlich im westlichen Europa, erwartet zu haben scheint. Es bedarf für Sie<lb/> keiner Erwähnung mehr, daß verschiedene Blätter, unter anderen das „Journal<lb/> des Debats", im Irrthum waren, wenn sie von der Annahme der Wiener Propo¬<lb/> sitionen durch den Sultan wie von einer vollendeten Thatsache redeten. Sie<lb/> wissen dagegen durch meine letzten Mittheilungen, daß diese Annahme nnr be¬<lb/> dingungsweise und unter Stellung von Vorbehalten geschah, welche die endliche<lb/> Entscheidung nochmals um ein bedeutendes hinausschoben. Am 19. v. Mes.<lb/> gingen die Erklärungen der Pforte, in Erwiderung auf die ihr gemachten Vor¬<lb/> schläge, von hier ab; sie waren am 27. in Wien, und mußten, da sie schnell<lb/> expedirt wurden, am 31. desselben Monats bereits in Se. Petersburg einge¬<lb/> troffen sein. Unter solchen Umständen mag es einigermaßen in Verwunderung<lb/> setzen, daß bis jetzt von letzterem Orte ans hier noch keine Entscheidung auge¬<lb/> langt ist; zumal wenn man bedenkt, daß der freilich ungeheuere Weg von der<lb/> Capitale Rußlands bis Stambul innerhalb 8 —9 Tagen von russischen Feld¬<lb/> jägern zurückgelegt zu werden Pflegt, und in diesem Falle auch der elektrische<lb/> Telegraph streckenweise hätte in Anwendung kommmen können. Man meint<lb/> darum mit Recht deu Schluß ziehen zu dürfen, daß vom Petersburger Cabinet<lb/> eine definitive Annahme nicht für statthaft erachtet worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_196"> Die türkischen Rüstungen sind inzwischen der Hauptsache uach beendet worden.<lb/> Sie fragen nach dem Resultat? Kurz zusammengefaßt ist es dies: daß augen¬<lb/> blicklich in der Bulgarei, d. h. auf dem europäischen Kriegstheater zwischen der<lb/> Donau und dem Balkan, 104,000 Mann, und in der Umgegend von Erzerum,<lb/> sowie bei Trapezunt, also auf der dem Kaukasus zugewendeten Fronte, 20,000<lb/> bis 23,000 Mann concentrirt sind. Diese Kraftentwickelung geht bedeutend über<lb/> das Maß hinaus, welches russische und östreichische Organe für möglich erachteten;<lb/> sie bleibt aber nicht minder unter den Schätzungen zurück, die in französischen<lb/> und englischen Blättern gemacht worden sind. Schließlich behalten diejenigen<lb/> Kenner hiesiger Zustände recht, welche die türkische Truppenmacht im Fall eines<lb/> Krieges auf 130,000 Maun anschlugen.</p><lb/> <p xml:id="ID_197" next="#ID_198"> Heute vor acht Tagen wurden die bei Hunkiar-Jspalessi gelagert gewesenen<lb/> egyptischen Truppen, alles in allem im Belaufe von 13,i00 Mann, nach Warna<lb/> übergeführt. Omer Pascha hatte sich in Person nach dieser Festung begeben, um<lb/> der Ausschiffung beizuwohnen. Es hat den Anschein, Egypten werde nicht mehr<lb/> Hilfstruppen senden. Ueber die Art und Weise, in welcher England dabei</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0080]
Unsere Krisis ist langdauernder und der passive Widerstand, den die türkische
Politik den Anmuthungen der vier Großmächte entgegensetzt, ein höherer, als man,
namentlich im westlichen Europa, erwartet zu haben scheint. Es bedarf für Sie
keiner Erwähnung mehr, daß verschiedene Blätter, unter anderen das „Journal
des Debats", im Irrthum waren, wenn sie von der Annahme der Wiener Propo¬
sitionen durch den Sultan wie von einer vollendeten Thatsache redeten. Sie
wissen dagegen durch meine letzten Mittheilungen, daß diese Annahme nnr be¬
dingungsweise und unter Stellung von Vorbehalten geschah, welche die endliche
Entscheidung nochmals um ein bedeutendes hinausschoben. Am 19. v. Mes.
gingen die Erklärungen der Pforte, in Erwiderung auf die ihr gemachten Vor¬
schläge, von hier ab; sie waren am 27. in Wien, und mußten, da sie schnell
expedirt wurden, am 31. desselben Monats bereits in Se. Petersburg einge¬
troffen sein. Unter solchen Umständen mag es einigermaßen in Verwunderung
setzen, daß bis jetzt von letzterem Orte ans hier noch keine Entscheidung auge¬
langt ist; zumal wenn man bedenkt, daß der freilich ungeheuere Weg von der
Capitale Rußlands bis Stambul innerhalb 8 —9 Tagen von russischen Feld¬
jägern zurückgelegt zu werden Pflegt, und in diesem Falle auch der elektrische
Telegraph streckenweise hätte in Anwendung kommmen können. Man meint
darum mit Recht deu Schluß ziehen zu dürfen, daß vom Petersburger Cabinet
eine definitive Annahme nicht für statthaft erachtet worden ist.
Die türkischen Rüstungen sind inzwischen der Hauptsache uach beendet worden.
Sie fragen nach dem Resultat? Kurz zusammengefaßt ist es dies: daß augen¬
blicklich in der Bulgarei, d. h. auf dem europäischen Kriegstheater zwischen der
Donau und dem Balkan, 104,000 Mann, und in der Umgegend von Erzerum,
sowie bei Trapezunt, also auf der dem Kaukasus zugewendeten Fronte, 20,000
bis 23,000 Mann concentrirt sind. Diese Kraftentwickelung geht bedeutend über
das Maß hinaus, welches russische und östreichische Organe für möglich erachteten;
sie bleibt aber nicht minder unter den Schätzungen zurück, die in französischen
und englischen Blättern gemacht worden sind. Schließlich behalten diejenigen
Kenner hiesiger Zustände recht, welche die türkische Truppenmacht im Fall eines
Krieges auf 130,000 Maun anschlugen.
Heute vor acht Tagen wurden die bei Hunkiar-Jspalessi gelagert gewesenen
egyptischen Truppen, alles in allem im Belaufe von 13,i00 Mann, nach Warna
übergeführt. Omer Pascha hatte sich in Person nach dieser Festung begeben, um
der Ausschiffung beizuwohnen. Es hat den Anschein, Egypten werde nicht mehr
Hilfstruppen senden. Ueber die Art und Weise, in welcher England dabei
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