Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.Männer durchschauten einer des andern Dämon, oder wie man es sonst nennen "Kerner, Lenau, Graf Alexander tauschten ihre Lieder gegen einander um Ein hübsches Urtheil gab Lenau über den Sohn der Wildniß: "Zwei Seelen Lenau duldete es nicht, wenn man ihn cavaliercment behandelte, wie es die Vou den beiden Liebesverhältnissen Lenaus, namentlich von dem Wiener Die schreckliche Katastrophe, während welcher Frau vou Suffow in Stuttgart Lenau hat viele Freunde in Deutschland, sie werden dies Gedenkbuch alle mit Eine kleine, bescheidene Bemerkung, die aber nicht speciell ans Frau von Suckow gehe" soll.
Sie erzählt Seite "Lenau bot, indem er seine Todcsbestimmnngcu machte, seine Freunde möchten alle Briefe von ihm verbrennen, ja nichts drucken lassen; er wünsche nicht, daß die Nachwelt etwas Anderes von ihm erhalte, als seine Gedichte." -- Nun leben wir freilich in einem Zeitalter der Oeffentlichkeit, aber sollte der Wille eines Freundes in dieser Beziehung uicht heiliger few, als das Bedürfniß des Publicums? Männer durchschauten einer des andern Dämon, oder wie man es sonst nennen „Kerner, Lenau, Graf Alexander tauschten ihre Lieder gegen einander um Ein hübsches Urtheil gab Lenau über den Sohn der Wildniß: „Zwei Seelen Lenau duldete es nicht, wenn man ihn cavaliercment behandelte, wie es die Vou den beiden Liebesverhältnissen Lenaus, namentlich von dem Wiener Die schreckliche Katastrophe, während welcher Frau vou Suffow in Stuttgart Lenau hat viele Freunde in Deutschland, sie werden dies Gedenkbuch alle mit Eine kleine, bescheidene Bemerkung, die aber nicht speciell ans Frau von Suckow gehe» soll.
Sie erzählt Seite „Lenau bot, indem er seine Todcsbestimmnngcu machte, seine Freunde möchten alle Briefe von ihm verbrennen, ja nichts drucken lassen; er wünsche nicht, daß die Nachwelt etwas Anderes von ihm erhalte, als seine Gedichte." — Nun leben wir freilich in einem Zeitalter der Oeffentlichkeit, aber sollte der Wille eines Freundes in dieser Beziehung uicht heiliger few, als das Bedürfniß des Publicums? <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0079" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96784"/> <p xml:id="ID_188" prev="#ID_187"> Männer durchschauten einer des andern Dämon, oder wie man es sonst nennen<lb/> will, vollkommen. Lenau trieb Spaß mit der Geisterseherei, obgleich er zuweilen<lb/> seinem Freunde auch zu Munde redete. Die übrigen, namentlich die Damen,<lb/> Frau von Suckow voran, somnambnlisirten nach der Möglichkeit. —</p><lb/> <p xml:id="ID_189"> „Kerner, Lenau, Graf Alexander tauschten ihre Lieder gegen einander um<lb/> und um. Alles schien angesteckt vom lyrischen Fieber. Wer dichtete nicht damals?<lb/> Theobald, selbst die kleine Emma. Die Luft war tönend von Reimen. Da, als<lb/> man einmal am Tische saß, sich die frisch entsproßten Gedichte vorlesend, kam<lb/> auch ganz zuletzt der ehrliche Hausknecht, welcher aufgewartet, ein grobes Papier<lb/> in der Hand, schüchtern und kleinlaut. Auch er hatte seinen Vers gedreht: auf<lb/> den treuen Dvctorsgaul vor dem alten Chäslein." —</p><lb/> <p xml:id="ID_190"> Ein hübsches Urtheil gab Lenau über den Sohn der Wildniß: „Zwei Seelen<lb/> und ein Gedanke! Das würde ja schrecklich langweilig sein. Zwei Herzen und<lb/> ein Schlag! Das gibt keinen Rhythmus." —</p><lb/> <p xml:id="ID_191"> Lenau duldete es nicht, wenn man ihn cavaliercment behandelte, wie es die<lb/> Geldaristokratie mitunter versuchte. Einmal wurde er auf der Promenade einer<lb/> Dame vorgestellt, die einen ästhetischen Salon hat. „Sie sagte mir nun vou<lb/> ihrer Freude, mich kennen zu lernen, und dann: Werden Sie mir nicht anch<lb/> einmal in meinen Soireen das Vergnügen schenken? — Nur so hingeworfen.<lb/> Da wollte ich ihr auch eine Sottise machen und setzte mich neben sie auf die<lb/> Armlehne der Bank, sah zu ihr herunter und sagte: New, ich muß ihnen sehr<lb/> danken; und baumelte mit dem Fuß. Nach einer Weile stand ich auf und<lb/> empfahl mich. Ich dachte: Bist dn im Negligi, so will ichs auch sei»!" —</p><lb/> <p xml:id="ID_192"> Vou den beiden Liebesverhältnissen Lenaus, namentlich von dem Wiener<lb/> mit einer Dame, die einen dämonischen Einfluß auf ihn gehabt zu haben scheint<lb/> und ans die er in seinen Albigensern, wie in seinem Wahnsinn, mehrmals zu<lb/> sprechen kommt, wird sehr viel erzählt, aber nichts, was man verstehen könnte.<lb/> Frau von Suckow scheint selber nichts genaueres darüber zu wissen^).</p><lb/> <p xml:id="ID_193"> Die schreckliche Katastrophe, während welcher Frau vou Suffow in Stuttgart<lb/> anwesend war, wird sehr ausführlich geschildert. Es ist entsetzlich. Ebenso<lb/> sein Aufenthalt in der Irrenanstalt zu Winnethal. — Wir wollen darüber hin¬<lb/> weggehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_194"> Lenau hat viele Freunde in Deutschland, sie werden dies Gedenkbuch alle mit<lb/> Rührung und Theilnahme lesen.</p><lb/> <note xml:id="FID_7" place="foot"> Eine kleine, bescheidene Bemerkung, die aber nicht speciell ans Frau von Suckow gehe» soll.<lb/> Sie erzählt Seite „Lenau bot, indem er seine Todcsbestimmnngcu machte, seine Freunde<lb/> möchten alle Briefe von ihm verbrennen, ja nichts drucken lassen; er wünsche nicht, daß die<lb/> Nachwelt etwas Anderes von ihm erhalte, als seine Gedichte." — Nun leben wir freilich in<lb/> einem Zeitalter der Oeffentlichkeit, aber sollte der Wille eines Freundes in dieser Beziehung<lb/> uicht heiliger few, als das Bedürfniß des Publicums?</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0079]
Männer durchschauten einer des andern Dämon, oder wie man es sonst nennen
will, vollkommen. Lenau trieb Spaß mit der Geisterseherei, obgleich er zuweilen
seinem Freunde auch zu Munde redete. Die übrigen, namentlich die Damen,
Frau von Suckow voran, somnambnlisirten nach der Möglichkeit. —
„Kerner, Lenau, Graf Alexander tauschten ihre Lieder gegen einander um
und um. Alles schien angesteckt vom lyrischen Fieber. Wer dichtete nicht damals?
Theobald, selbst die kleine Emma. Die Luft war tönend von Reimen. Da, als
man einmal am Tische saß, sich die frisch entsproßten Gedichte vorlesend, kam
auch ganz zuletzt der ehrliche Hausknecht, welcher aufgewartet, ein grobes Papier
in der Hand, schüchtern und kleinlaut. Auch er hatte seinen Vers gedreht: auf
den treuen Dvctorsgaul vor dem alten Chäslein." —
Ein hübsches Urtheil gab Lenau über den Sohn der Wildniß: „Zwei Seelen
und ein Gedanke! Das würde ja schrecklich langweilig sein. Zwei Herzen und
ein Schlag! Das gibt keinen Rhythmus." —
Lenau duldete es nicht, wenn man ihn cavaliercment behandelte, wie es die
Geldaristokratie mitunter versuchte. Einmal wurde er auf der Promenade einer
Dame vorgestellt, die einen ästhetischen Salon hat. „Sie sagte mir nun vou
ihrer Freude, mich kennen zu lernen, und dann: Werden Sie mir nicht anch
einmal in meinen Soireen das Vergnügen schenken? — Nur so hingeworfen.
Da wollte ich ihr auch eine Sottise machen und setzte mich neben sie auf die
Armlehne der Bank, sah zu ihr herunter und sagte: New, ich muß ihnen sehr
danken; und baumelte mit dem Fuß. Nach einer Weile stand ich auf und
empfahl mich. Ich dachte: Bist dn im Negligi, so will ichs auch sei»!" —
Vou den beiden Liebesverhältnissen Lenaus, namentlich von dem Wiener
mit einer Dame, die einen dämonischen Einfluß auf ihn gehabt zu haben scheint
und ans die er in seinen Albigensern, wie in seinem Wahnsinn, mehrmals zu
sprechen kommt, wird sehr viel erzählt, aber nichts, was man verstehen könnte.
Frau von Suckow scheint selber nichts genaueres darüber zu wissen^).
Die schreckliche Katastrophe, während welcher Frau vou Suffow in Stuttgart
anwesend war, wird sehr ausführlich geschildert. Es ist entsetzlich. Ebenso
sein Aufenthalt in der Irrenanstalt zu Winnethal. — Wir wollen darüber hin¬
weggehen.
Lenau hat viele Freunde in Deutschland, sie werden dies Gedenkbuch alle mit
Rührung und Theilnahme lesen.
Eine kleine, bescheidene Bemerkung, die aber nicht speciell ans Frau von Suckow gehe» soll.
Sie erzählt Seite „Lenau bot, indem er seine Todcsbestimmnngcu machte, seine Freunde
möchten alle Briefe von ihm verbrennen, ja nichts drucken lassen; er wünsche nicht, daß die
Nachwelt etwas Anderes von ihm erhalte, als seine Gedichte." — Nun leben wir freilich in
einem Zeitalter der Oeffentlichkeit, aber sollte der Wille eines Freundes in dieser Beziehung
uicht heiliger few, als das Bedürfniß des Publicums?
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