Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Verfassung stellten die Herzogthümer an Zahl wie an Rechten der Vertreter
auf gleiche Linie mit denen des Königreichs; sie ging, wie gegenwärtig kein ehr¬
licher Däne mehr verkennt, in offene Revolution über, als im Februar 1848 der
republikanische Sturm von Paris her seine Wellen auch mich Kopenhagen ent¬
sendet hatte. In den Herzogthümern ward die Gesammtverfassung mit starkem
Mißmuth ausgenommen; man fürchtete allmälige Incorporation der Herzogthü¬
mer, Unersprießlichkeit der Verhandlungen wegen der Verschiedenheit in Sprache,
Sitten und Interesse, und den Einfluß der Residenz auf die dort zu haltende
Versammlung. Der Köder constitutioneller Freiheit, hingeworfen in den ohne¬
hin vieldeutigen Verheißungen: "beschließender Mitwirkung bei Veränderungen
im Steuerwesen und bei der Finanzverwaltung, sowie bei der Erlassung von
Gesetzen, welche die gemeinschaftlichen Angelegenheiten des Königreichs und der
Herzogthümer betreffe"," war nicht lockend genug, um das nationale Gefühl in
den Hintergrund treten zu lassen. Noch loderte die Flamme, welche der offene
Brief von 1846 angefacht hatte; mit der Leidenschaft gegen Dänemark erglühte
die Sehnsucht nach Deutschland; lieber mit den Türken Gemeinschaft als mit den
Dänen! rief der feurige Historiker Droysien aus. -- Der König-Herzog legte
seine Erkenntniß der Wichtigkeit des Acts dadurch an den Tag, daß er, nach
Unterzeichnung des Patents vom 28. Januar 1848, die Feder mit den Worten
fallen ließ: "Weg ist das Kvuigsgcsetz; nun wollen wir etwas pusten" (pausi-
reu, Athem schöpfen).-- In den Herzogthümern begann man indessen doch, die
erfahrenen Männer zu wählen, welche, achtzehn Schleswig-Holsteiner mit eben¬
soviel Dänen, denen acht Schleswig-Holsteiner und acht Dänen durch königliche
Ernennung zuzugefellen waren, im Monat März in Kopenhagen den Verfassungs-
entwurf prüfen sollten; aber es ward gewählt unter entschiedenem Protest gegen
Anerkennung des Gesammtstaats und gegen das Ausgeben irgend eines Landes¬
rechts. Die Prüfung machte der Monarch selbst entbehrlich; er zerriß am 24. März
18L8 den Gesammtstaat. Inniger und fester als je zuvor durch diesen Staats¬
streich verbunden, gaben die Herzogthümer, unter dem Zuruf von ganz Deutsch¬
land, sich selbst eine Verfassung, am 13. September 1848; sie entsprach den
verbrieften Rechten des Landes und seines Herzogs, und die glücklichen Zeiten
Herzogs Adolphs schienen zurückgegeben aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhun¬
derts, vor der Union mit Dänemark. -- Die Dänen sprangen aus dem zwei-
hundertjährigen Absolutismus heraus in eine blutrothe demokratische Constitution,
am ö. Juni 1849. -- Die Kriegsführung und die Friedensschlüsse -- mögen
sie für immer mit tiefem Schweigen bedeckt bleiben! "Die Herzogthümer
dürfen das volle Vertrauen fassen, daß kein wahrhaftes Recht werde gekränkt
werden", verheißt die Olmützer Denkschrift vom 3. December 1850, und die
Bundes-Kommissare bezeichneten am 7ten Januar 18S1 als ihre Ausgabe:
Herstellung eines Zustandes, welcher dem Bunde erlaube, das Recht des


der Verfassung stellten die Herzogthümer an Zahl wie an Rechten der Vertreter
auf gleiche Linie mit denen des Königreichs; sie ging, wie gegenwärtig kein ehr¬
licher Däne mehr verkennt, in offene Revolution über, als im Februar 1848 der
republikanische Sturm von Paris her seine Wellen auch mich Kopenhagen ent¬
sendet hatte. In den Herzogthümern ward die Gesammtverfassung mit starkem
Mißmuth ausgenommen; man fürchtete allmälige Incorporation der Herzogthü¬
mer, Unersprießlichkeit der Verhandlungen wegen der Verschiedenheit in Sprache,
Sitten und Interesse, und den Einfluß der Residenz auf die dort zu haltende
Versammlung. Der Köder constitutioneller Freiheit, hingeworfen in den ohne¬
hin vieldeutigen Verheißungen: „beschließender Mitwirkung bei Veränderungen
im Steuerwesen und bei der Finanzverwaltung, sowie bei der Erlassung von
Gesetzen, welche die gemeinschaftlichen Angelegenheiten des Königreichs und der
Herzogthümer betreffe»," war nicht lockend genug, um das nationale Gefühl in
den Hintergrund treten zu lassen. Noch loderte die Flamme, welche der offene
Brief von 1846 angefacht hatte; mit der Leidenschaft gegen Dänemark erglühte
die Sehnsucht nach Deutschland; lieber mit den Türken Gemeinschaft als mit den
Dänen! rief der feurige Historiker Droysien aus. — Der König-Herzog legte
seine Erkenntniß der Wichtigkeit des Acts dadurch an den Tag, daß er, nach
Unterzeichnung des Patents vom 28. Januar 1848, die Feder mit den Worten
fallen ließ: „Weg ist das Kvuigsgcsetz; nun wollen wir etwas pusten" (pausi-
reu, Athem schöpfen).— In den Herzogthümern begann man indessen doch, die
erfahrenen Männer zu wählen, welche, achtzehn Schleswig-Holsteiner mit eben¬
soviel Dänen, denen acht Schleswig-Holsteiner und acht Dänen durch königliche
Ernennung zuzugefellen waren, im Monat März in Kopenhagen den Verfassungs-
entwurf prüfen sollten; aber es ward gewählt unter entschiedenem Protest gegen
Anerkennung des Gesammtstaats und gegen das Ausgeben irgend eines Landes¬
rechts. Die Prüfung machte der Monarch selbst entbehrlich; er zerriß am 24. März
18L8 den Gesammtstaat. Inniger und fester als je zuvor durch diesen Staats¬
streich verbunden, gaben die Herzogthümer, unter dem Zuruf von ganz Deutsch¬
land, sich selbst eine Verfassung, am 13. September 1848; sie entsprach den
verbrieften Rechten des Landes und seines Herzogs, und die glücklichen Zeiten
Herzogs Adolphs schienen zurückgegeben aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhun¬
derts, vor der Union mit Dänemark. — Die Dänen sprangen aus dem zwei-
hundertjährigen Absolutismus heraus in eine blutrothe demokratische Constitution,
am ö. Juni 1849. — Die Kriegsführung und die Friedensschlüsse — mögen
sie für immer mit tiefem Schweigen bedeckt bleiben! „Die Herzogthümer
dürfen das volle Vertrauen fassen, daß kein wahrhaftes Recht werde gekränkt
werden", verheißt die Olmützer Denkschrift vom 3. December 1850, und die
Bundes-Kommissare bezeichneten am 7ten Januar 18S1 als ihre Ausgabe:
Herstellung eines Zustandes, welcher dem Bunde erlaube, das Recht des


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0060" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96765"/>
          <p xml:id="ID_139" prev="#ID_138" next="#ID_140"> der Verfassung stellten die Herzogthümer an Zahl wie an Rechten der Vertreter<lb/>
auf gleiche Linie mit denen des Königreichs; sie ging, wie gegenwärtig kein ehr¬<lb/>
licher Däne mehr verkennt, in offene Revolution über, als im Februar 1848 der<lb/>
republikanische Sturm von Paris her seine Wellen auch mich Kopenhagen ent¬<lb/>
sendet hatte. In den Herzogthümern ward die Gesammtverfassung mit starkem<lb/>
Mißmuth ausgenommen; man fürchtete allmälige Incorporation der Herzogthü¬<lb/>
mer, Unersprießlichkeit der Verhandlungen wegen der Verschiedenheit in Sprache,<lb/>
Sitten und Interesse, und den Einfluß der Residenz auf die dort zu haltende<lb/>
Versammlung. Der Köder constitutioneller Freiheit, hingeworfen in den ohne¬<lb/>
hin vieldeutigen Verheißungen: &#x201E;beschließender Mitwirkung bei Veränderungen<lb/>
im Steuerwesen und bei der Finanzverwaltung, sowie bei der Erlassung von<lb/>
Gesetzen, welche die gemeinschaftlichen Angelegenheiten des Königreichs und der<lb/>
Herzogthümer betreffe»," war nicht lockend genug, um das nationale Gefühl in<lb/>
den Hintergrund treten zu lassen. Noch loderte die Flamme, welche der offene<lb/>
Brief von 1846 angefacht hatte; mit der Leidenschaft gegen Dänemark erglühte<lb/>
die Sehnsucht nach Deutschland; lieber mit den Türken Gemeinschaft als mit den<lb/>
Dänen! rief der feurige Historiker Droysien aus. &#x2014; Der König-Herzog legte<lb/>
seine Erkenntniß der Wichtigkeit des Acts dadurch an den Tag, daß er, nach<lb/>
Unterzeichnung des Patents vom 28. Januar 1848, die Feder mit den Worten<lb/>
fallen ließ: &#x201E;Weg ist das Kvuigsgcsetz; nun wollen wir etwas pusten" (pausi-<lb/>
reu, Athem schöpfen).&#x2014; In den Herzogthümern begann man indessen doch, die<lb/>
erfahrenen Männer zu wählen, welche, achtzehn Schleswig-Holsteiner mit eben¬<lb/>
soviel Dänen, denen acht Schleswig-Holsteiner und acht Dänen durch königliche<lb/>
Ernennung zuzugefellen waren, im Monat März in Kopenhagen den Verfassungs-<lb/>
entwurf prüfen sollten; aber es ward gewählt unter entschiedenem Protest gegen<lb/>
Anerkennung des Gesammtstaats und gegen das Ausgeben irgend eines Landes¬<lb/>
rechts. Die Prüfung machte der Monarch selbst entbehrlich; er zerriß am 24. März<lb/>
18L8 den Gesammtstaat. Inniger und fester als je zuvor durch diesen Staats¬<lb/>
streich verbunden, gaben die Herzogthümer, unter dem Zuruf von ganz Deutsch¬<lb/>
land, sich selbst eine Verfassung, am 13. September 1848; sie entsprach den<lb/>
verbrieften Rechten des Landes und seines Herzogs, und die glücklichen Zeiten<lb/>
Herzogs Adolphs schienen zurückgegeben aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhun¬<lb/>
derts, vor der Union mit Dänemark. &#x2014; Die Dänen sprangen aus dem zwei-<lb/>
hundertjährigen Absolutismus heraus in eine blutrothe demokratische Constitution,<lb/>
am ö. Juni 1849. &#x2014; Die Kriegsführung und die Friedensschlüsse &#x2014; mögen<lb/>
sie für immer mit tiefem Schweigen bedeckt bleiben! &#x201E;Die Herzogthümer<lb/>
dürfen das volle Vertrauen fassen, daß kein wahrhaftes Recht werde gekränkt<lb/>
werden", verheißt die Olmützer Denkschrift vom 3. December 1850, und die<lb/>
Bundes-Kommissare bezeichneten am 7ten Januar 18S1 als ihre Ausgabe:<lb/>
Herstellung eines Zustandes, welcher dem Bunde erlaube,  das Recht des</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0060] der Verfassung stellten die Herzogthümer an Zahl wie an Rechten der Vertreter auf gleiche Linie mit denen des Königreichs; sie ging, wie gegenwärtig kein ehr¬ licher Däne mehr verkennt, in offene Revolution über, als im Februar 1848 der republikanische Sturm von Paris her seine Wellen auch mich Kopenhagen ent¬ sendet hatte. In den Herzogthümern ward die Gesammtverfassung mit starkem Mißmuth ausgenommen; man fürchtete allmälige Incorporation der Herzogthü¬ mer, Unersprießlichkeit der Verhandlungen wegen der Verschiedenheit in Sprache, Sitten und Interesse, und den Einfluß der Residenz auf die dort zu haltende Versammlung. Der Köder constitutioneller Freiheit, hingeworfen in den ohne¬ hin vieldeutigen Verheißungen: „beschließender Mitwirkung bei Veränderungen im Steuerwesen und bei der Finanzverwaltung, sowie bei der Erlassung von Gesetzen, welche die gemeinschaftlichen Angelegenheiten des Königreichs und der Herzogthümer betreffe»," war nicht lockend genug, um das nationale Gefühl in den Hintergrund treten zu lassen. Noch loderte die Flamme, welche der offene Brief von 1846 angefacht hatte; mit der Leidenschaft gegen Dänemark erglühte die Sehnsucht nach Deutschland; lieber mit den Türken Gemeinschaft als mit den Dänen! rief der feurige Historiker Droysien aus. — Der König-Herzog legte seine Erkenntniß der Wichtigkeit des Acts dadurch an den Tag, daß er, nach Unterzeichnung des Patents vom 28. Januar 1848, die Feder mit den Worten fallen ließ: „Weg ist das Kvuigsgcsetz; nun wollen wir etwas pusten" (pausi- reu, Athem schöpfen).— In den Herzogthümern begann man indessen doch, die erfahrenen Männer zu wählen, welche, achtzehn Schleswig-Holsteiner mit eben¬ soviel Dänen, denen acht Schleswig-Holsteiner und acht Dänen durch königliche Ernennung zuzugefellen waren, im Monat März in Kopenhagen den Verfassungs- entwurf prüfen sollten; aber es ward gewählt unter entschiedenem Protest gegen Anerkennung des Gesammtstaats und gegen das Ausgeben irgend eines Landes¬ rechts. Die Prüfung machte der Monarch selbst entbehrlich; er zerriß am 24. März 18L8 den Gesammtstaat. Inniger und fester als je zuvor durch diesen Staats¬ streich verbunden, gaben die Herzogthümer, unter dem Zuruf von ganz Deutsch¬ land, sich selbst eine Verfassung, am 13. September 1848; sie entsprach den verbrieften Rechten des Landes und seines Herzogs, und die glücklichen Zeiten Herzogs Adolphs schienen zurückgegeben aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhun¬ derts, vor der Union mit Dänemark. — Die Dänen sprangen aus dem zwei- hundertjährigen Absolutismus heraus in eine blutrothe demokratische Constitution, am ö. Juni 1849. — Die Kriegsführung und die Friedensschlüsse — mögen sie für immer mit tiefem Schweigen bedeckt bleiben! „Die Herzogthümer dürfen das volle Vertrauen fassen, daß kein wahrhaftes Recht werde gekränkt werden", verheißt die Olmützer Denkschrift vom 3. December 1850, und die Bundes-Kommissare bezeichneten am 7ten Januar 18S1 als ihre Ausgabe: Herstellung eines Zustandes, welcher dem Bunde erlaube, das Recht des

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/60
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/60>, abgerufen am 06.02.2025.