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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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feindlich entgegen, auch dort werde sich das "Volk" ihrer Bedrängniß annehmen;
man müsse also vorarlbergsche Truppen von Oestreich erbitten und dann Oestreich
um seine Vermittlung angehen. -- Wer die Verhältnisse nnr einigermaßen kennt,
kann die Wichtigkeit solcher Erscheinungen und Aeußerungen nicht verkennen.
Man mußte sich unwillkürlich fragen: lag im letzten Wunsche etwa der Grund
zeer Anstiftung jener Aufregungen?

Gleichzeitig hieß es anch wirklich, Oestreich habe seine Vermittelung angebo¬
ten; fast ebenso gleichzeitig wurde diese Nachricht von den intimen Blättern der
östreichischen Politik in Abrede gestellt. Die Wahrheit ist in der Mitte gelegen.
Es braucht oftmals etwas nicht angeboten zu werden, was man doch so nahe legt,
daß selbst der höflichste Adonis als Zurücksetzung oder Mißtrauen gedeutet zu
werden vermag. Wir können uns uuter den heutigen Preßverhältnissen nicht
näher ans den eben angeregten Umstand einlassen. Soviel scheint sicher, daß die
Darstellung der Streitverhältnisse, welche am 1. Dezember in der Karlsr. Ztg.
erschienen und der badischen Presse, die Erörterung freigeben sollte, deshalb
zurückgestellt worden ist, weil nnn von Frankfurt her neue Veranlassungen zur
Aufnahme östreichischer Vermittelung erfolgten. Im Publicum würde man über
das Eingehen auf diesen Plan keineswegs erfreut sein; denn man hat durchaus
kein Vertrauen zu den Persönlichkeiien, von denen er jetzt abermals ausgeht.
Ueberdies gedenkt man der östreichischen Vermittelung im orientalischen Streite,
welche, wenn sie angenommen worden wäre, die Türkei mit gebundenen Händen
an Rußland geliefert haben würde. Directe russische Souveränetät hätten wir
nun allerdings nicht zu besorgen. Aber Baden glaubt belehrt zu sein, daß auch
directe Einflüsse einer "befreundeten" Gesandtschaft der natürlichen Convalescenz
des noch immer mannigfach kranken Staates nichts weniger als förderlich ist.
-- Man hat nun wol auch von preußischer Vermittelung gesprochen und sie findet
im Publicum den weitesten Anklang; allein vor der Hand scheint Preußen weiter
gar keine Notiz von unsern Zuständen zu nehmen, als daß- es der Kölner
"Deutschen Volkshalle" eine Sprache gegen Baden erschwert, die zur wildesten
Zeit der Jahre 1848 und 49 von der röthesten Demokratie nicht roher gehand¬
habt worden ist. Directe Beziehungen zwischen der Regierung und dem päpst¬
lichen Stuhle einzuleiten, erschiene wol am räthlichsten. Natürlich kann dies nicht
eher geschehen, als bis wieder vollkommen die factischen Verhältnisse, wie sie vor
dem Kirchenstreit waren, hergestellt sind. Außerdem haben die ultramontanen
Blätter lügenhaft verbreitet, der päpstliche Nuntius aus Wien, der Bischof von
Strasburg?c. hätten Vermittelungen zwischen der Negierung und dem Erzbischof
eingeleitet; man ließ sie sogar schon im Lande herumreisen. Nur schade, daß
davon nichts wahr ist und schon darum nichts wahr sein kann, weil dann das
bürgerliche Verhältniß des Erzbischofs zum Staat zuerst in Frage träte. In
diesem ist er jedoch Unterthan und von einem gegen die Staatsgesetze offen auf-


feindlich entgegen, auch dort werde sich das „Volk" ihrer Bedrängniß annehmen;
man müsse also vorarlbergsche Truppen von Oestreich erbitten und dann Oestreich
um seine Vermittlung angehen. — Wer die Verhältnisse nnr einigermaßen kennt,
kann die Wichtigkeit solcher Erscheinungen und Aeußerungen nicht verkennen.
Man mußte sich unwillkürlich fragen: lag im letzten Wunsche etwa der Grund
zeer Anstiftung jener Aufregungen?

Gleichzeitig hieß es anch wirklich, Oestreich habe seine Vermittelung angebo¬
ten; fast ebenso gleichzeitig wurde diese Nachricht von den intimen Blättern der
östreichischen Politik in Abrede gestellt. Die Wahrheit ist in der Mitte gelegen.
Es braucht oftmals etwas nicht angeboten zu werden, was man doch so nahe legt,
daß selbst der höflichste Adonis als Zurücksetzung oder Mißtrauen gedeutet zu
werden vermag. Wir können uns uuter den heutigen Preßverhältnissen nicht
näher ans den eben angeregten Umstand einlassen. Soviel scheint sicher, daß die
Darstellung der Streitverhältnisse, welche am 1. Dezember in der Karlsr. Ztg.
erschienen und der badischen Presse, die Erörterung freigeben sollte, deshalb
zurückgestellt worden ist, weil nnn von Frankfurt her neue Veranlassungen zur
Aufnahme östreichischer Vermittelung erfolgten. Im Publicum würde man über
das Eingehen auf diesen Plan keineswegs erfreut sein; denn man hat durchaus
kein Vertrauen zu den Persönlichkeiien, von denen er jetzt abermals ausgeht.
Ueberdies gedenkt man der östreichischen Vermittelung im orientalischen Streite,
welche, wenn sie angenommen worden wäre, die Türkei mit gebundenen Händen
an Rußland geliefert haben würde. Directe russische Souveränetät hätten wir
nun allerdings nicht zu besorgen. Aber Baden glaubt belehrt zu sein, daß auch
directe Einflüsse einer „befreundeten" Gesandtschaft der natürlichen Convalescenz
des noch immer mannigfach kranken Staates nichts weniger als förderlich ist.
— Man hat nun wol auch von preußischer Vermittelung gesprochen und sie findet
im Publicum den weitesten Anklang; allein vor der Hand scheint Preußen weiter
gar keine Notiz von unsern Zuständen zu nehmen, als daß- es der Kölner
„Deutschen Volkshalle" eine Sprache gegen Baden erschwert, die zur wildesten
Zeit der Jahre 1848 und 49 von der röthesten Demokratie nicht roher gehand¬
habt worden ist. Directe Beziehungen zwischen der Regierung und dem päpst¬
lichen Stuhle einzuleiten, erschiene wol am räthlichsten. Natürlich kann dies nicht
eher geschehen, als bis wieder vollkommen die factischen Verhältnisse, wie sie vor
dem Kirchenstreit waren, hergestellt sind. Außerdem haben die ultramontanen
Blätter lügenhaft verbreitet, der päpstliche Nuntius aus Wien, der Bischof von
Strasburg?c. hätten Vermittelungen zwischen der Negierung und dem Erzbischof
eingeleitet; man ließ sie sogar schon im Lande herumreisen. Nur schade, daß
davon nichts wahr ist und schon darum nichts wahr sein kann, weil dann das
bürgerliche Verhältniß des Erzbischofs zum Staat zuerst in Frage träte. In
diesem ist er jedoch Unterthan und von einem gegen die Staatsgesetze offen auf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/511>, abgerufen am 06.02.2025.