Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.seinem Operationsobject machen. Deshalb nahm Phull für Rußland zwei Heere Phull begleitete den Kaiser zur Armee und wurde in Wilna zum General- Phull war ein Mann voll tiefer Gedanken, großartiger Ansichten und von Greuzbvtcn, IV. 1863. 37
seinem Operationsobject machen. Deshalb nahm Phull für Rußland zwei Heere Phull begleitete den Kaiser zur Armee und wurde in Wilna zum General- Phull war ein Mann voll tiefer Gedanken, großartiger Ansichten und von Greuzbvtcn, IV. 1863. 37
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seinem Operationsobject machen. Deshalb nahm Phull für Rußland zwei Heere
an und bestimmte für jedes derselben eine Nückzugslinie. Die nordwestliche Armee
sollte sich in Wilna, die südwestliche in Dnbno oder Kutzk concentriren. Falls
Napoleon den Hauptangriff auf die Wilnaer Armee richte, sollte diese defensiv,
die zweite Armee dagegen offensiv verfahren und im Rücken von Napoleons
Hauptmacht operiren und ihr alle Zufuhr abschneiden. Der Rückzug der ersten
Armee sollte aber uur bis in ein stark befestigtes Lager an der Dura sortgesetzt
werden dürfen, während welcher Zeit Napoleon aus Mangel an Lebensmitteln
und durch die Augriffe der zweiten Armee beunruhigt, zum Rückzug genöthigt
sein würde.
Phull begleitete den Kaiser zur Armee und wurde in Wilna zum General-
qnartiermeister ernannt. Im Lager bei Drissa aber singen die Ansichten des
Kaisers über den adopirten Feldzugsplan Phulls zu schwanken an: Phull als sein
Rathgeber wurde von den Russen für die Ursache der damals schon bedenklich ge¬
wordenen Lage der Dinge gehalten und in dem Grade angefeindet und verab¬
scheut, daß der Kaiser ihn gar nicht mehr zu cvnsnltircn wagte. Am 14 Juli
wurde das von Phull in Vorschlag gebrachte, aber von andern mangelhaft aus¬
geführte befestigte Lager von Drissa abgebrochen: der Kaiser verließ die Armee
und berief auch Phull, gegen den tumultuarische Austritte ausgebrochen waren,
von derselben ab. Nach dem Kriege ernannte ihn der Kaiser zum Gesandten im
Haag. Als solchen traf ihn noch 1819 der General von Müffling im Haag.
Phull las ihm damals seinen Operationsplai? zur Campagne von 1812 mit allen
Details vor. Der erste Abschnitt ging bis zur Concentrirung im Lager von
Drissa, die übrigen Abschnitte setzten den Rückzug nach Moskau sort. Wäre dieser
Plan, der nicht allein theoretisch richtig war, sondern auch praktisch aus die Cha¬
rakterstärke und die wenigen Bedürfnisse des russischen Landmanns und daher auf
die Möglichkeit sür ihn, ein Nomadenleben in seinen Wäldern zu führe«, sich
gründete, zur Ausführung gekommen, so würde es schwerlich weder zu einer
Schlacht vou Mosaisk, noch zu der Katastrophe vou Moskau gekommen sein.
Allein die höheren russischen Offiziere waren umsoweniger befähigt, diesen Plan
richtig aufzufassen und auszuführen, als der Kaiser nur den ersten Abschnitt des¬
selben bis ins Lager von Drissa als Disposition ausgegeben, über das Weitere
Phull aber das größte Geheimniß anbefohlen hatte. — Bald nach 1819 nahm
Phull seinen Abschied und lebte vou seiner ansehnlichen Pension erst in Berlin,
dann in Stuttgart, wo er am 26. April 1826 starb.
Phull war ein Mann voll tiefer Gedanken, großartiger Ansichten und von
durchaus edlem Charakter, auch besaß er große Gelehrsamkeit, viel Phantasie und
Verstandesschärfe, allein er war in den gewöhnlichen Berufsgeschäften oft un¬
praktisch, was ihm in Verbindung mit seinen hypochondrischen Zuständen oft einen
wahren Widerwillen gegen alle Geschäfte einflößte. Um das Gelingen des groß-
Greuzbvtcn, IV. 1863. 37
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