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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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artigste", durchdachtesten und wohlangelegteste", wenn auch nicht zum besten durch¬
geführten Vertheidigungskrieges, um die Rettung und das Wohl Rußlands, hat
Psilli die größten Verdienste: das System dieses Krieges ist von ihm erdacht
und von Kaiser Alexander zur Ausführung gebracht wvrdess.

Der würtenbergische Oberst Freiherr von Batz hat gegenwärtig eine syste¬
matische Anleitung Phillis für das Studium der Kriegsoperationen unter Hin¬
weisung auf die Kriegsgeschichte Frankreichs seit Philipp von Valois bis zum
Frieden von Fontaüieblean 1762 uach der französischen Urschrift Phillis heraus¬
gegeben (Stuttgart, Cotta. 1832). Diese Anleitung gibt zunächst Aphorismen
über die Kriegskunst überhaupt, handelt alsdann von der Operationsbasis, der
Operationslinie, den Parallelbewegnngen, der Verpflegung, den Beziehungen der
Festungen zu den Kriegsoperationen, vou dem System für Anlegung von Of¬
fensiv- und Defenfiv-Festungen, verbreitet sich über den Einfluß der geographischen
Lage auf die Militärorganisation der Staaten, insbesondere aus die von Spanien,
Portugal, Frankreich, Sardinien und Preußen, letztere von der Negierung des
großen Kurfürsten an bis zum Friede" vou Tilsit, und schließt mit einer gedrängten
Uebersicht der französischen Kriegsgeschichte. Eine Beilage enthält ein Memoire
über die Art und Weise, auf welche der Krieg gegen Frankreich zu fuhren ist.

Frankreich gilt dem General Psilli in Bezug auf Militärorganisation als
classischer Staat. "Das französische Militärsystcin, sagt er, hat das Land trotz
der Ungeschicklichkeit von Ministern und Generalen mehr als einmal gerettet. So'
manche Regierung hat geglaubt, unter dem Schutze einer zahlreichen Armee vor¬
bereitende, für günstigen Erfolg der Waffen unerläßliche Maßregeln ungestraft
verabsäumen zu dürfen. Provinzen gingen verloren, ohne daß man begreifen
wollte, daß man das, was man noch beibehielt, durch Festungen schützen müsse:
es wurden Eroberungen gemacht, ohne daß man nachher erwog, ob Festungen
zu erbauen seien, um die neuen Eroberungen mit den alten Provinzen dadurch
in sichernden Verband zu bringen. Napoleons Fall beweist nichts gegen die Ge¬
diegenheit des französischen Systems. Ungcmessener Ehrgeiz brachte diesen über¬
spannten Mann soweit vom rechten Wege ab, daß er, um eine übel ausgedachte
allgemeine Monarchie aufzustellen, einen großen Theil der für die Vertheidigung
Frankreichs geschaffenen Militärorganisation weit über dessen Grenzen hinaustrug."

Wir heben schließlich noch hervor, wie Psilli sich in seiner Denkschrift vom -i-
November -1804 über die Bedeutung ausspricht, welche die Regierungsform in
Frankreich für die Lage Europas hat. ,,Zu wünschen wäre, daß die Macht der
Ereignisse es dem Zusammenwirken der Alliirten gestattete, den legitimen König
wieder auf den Thron zu setzen. Hierdurch wäre den Kalamitäten Europas dus
Ziel gesteckt. Erlauben widrige Umstände es nicht, zur Monarchie zurückzugreifen
-- der ursprünglichen Veranlassung des Kriegs -- .so wäre es unklug, beinahe
ein Verbrechen, sie unter allen Umstände" zur Seite zu schieben. Will man den


artigste», durchdachtesten und wohlangelegteste», wenn auch nicht zum besten durch¬
geführten Vertheidigungskrieges, um die Rettung und das Wohl Rußlands, hat
Psilli die größten Verdienste: das System dieses Krieges ist von ihm erdacht
und von Kaiser Alexander zur Ausführung gebracht wvrdess.

Der würtenbergische Oberst Freiherr von Batz hat gegenwärtig eine syste¬
matische Anleitung Phillis für das Studium der Kriegsoperationen unter Hin¬
weisung auf die Kriegsgeschichte Frankreichs seit Philipp von Valois bis zum
Frieden von Fontaüieblean 1762 uach der französischen Urschrift Phillis heraus¬
gegeben (Stuttgart, Cotta. 1832). Diese Anleitung gibt zunächst Aphorismen
über die Kriegskunst überhaupt, handelt alsdann von der Operationsbasis, der
Operationslinie, den Parallelbewegnngen, der Verpflegung, den Beziehungen der
Festungen zu den Kriegsoperationen, vou dem System für Anlegung von Of¬
fensiv- und Defenfiv-Festungen, verbreitet sich über den Einfluß der geographischen
Lage auf die Militärorganisation der Staaten, insbesondere aus die von Spanien,
Portugal, Frankreich, Sardinien und Preußen, letztere von der Negierung des
großen Kurfürsten an bis zum Friede» vou Tilsit, und schließt mit einer gedrängten
Uebersicht der französischen Kriegsgeschichte. Eine Beilage enthält ein Memoire
über die Art und Weise, auf welche der Krieg gegen Frankreich zu fuhren ist.

Frankreich gilt dem General Psilli in Bezug auf Militärorganisation als
classischer Staat. „Das französische Militärsystcin, sagt er, hat das Land trotz
der Ungeschicklichkeit von Ministern und Generalen mehr als einmal gerettet. So'
manche Regierung hat geglaubt, unter dem Schutze einer zahlreichen Armee vor¬
bereitende, für günstigen Erfolg der Waffen unerläßliche Maßregeln ungestraft
verabsäumen zu dürfen. Provinzen gingen verloren, ohne daß man begreifen
wollte, daß man das, was man noch beibehielt, durch Festungen schützen müsse:
es wurden Eroberungen gemacht, ohne daß man nachher erwog, ob Festungen
zu erbauen seien, um die neuen Eroberungen mit den alten Provinzen dadurch
in sichernden Verband zu bringen. Napoleons Fall beweist nichts gegen die Ge¬
diegenheit des französischen Systems. Ungcmessener Ehrgeiz brachte diesen über¬
spannten Mann soweit vom rechten Wege ab, daß er, um eine übel ausgedachte
allgemeine Monarchie aufzustellen, einen großen Theil der für die Vertheidigung
Frankreichs geschaffenen Militärorganisation weit über dessen Grenzen hinaustrug."

Wir heben schließlich noch hervor, wie Psilli sich in seiner Denkschrift vom -i-
November -1804 über die Bedeutung ausspricht, welche die Regierungsform in
Frankreich für die Lage Europas hat. ,,Zu wünschen wäre, daß die Macht der
Ereignisse es dem Zusammenwirken der Alliirten gestattete, den legitimen König
wieder auf den Thron zu setzen. Hierdurch wäre den Kalamitäten Europas dus
Ziel gesteckt. Erlauben widrige Umstände es nicht, zur Monarchie zurückzugreifen
— der ursprünglichen Veranlassung des Kriegs — .so wäre es unklug, beinahe
ein Verbrechen, sie unter allen Umstände» zur Seite zu schieben. Will man den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/458>, abgerufen am 05.02.2025.