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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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unterdrückt wurde, deren Gelingen ihr selbst den stärksten Schutz gegen Rußland
gewährt haben würde. Die Ciocoi und die Fanarioten, die Bundesgenossen
Rußlands, kamen wieder in den Fürstentümern an das Ruder, decimirten die
Häupter der romanischen Bewegung durch Gefängniß und Verbannung und
rächten sich an dem Volke durch vermehrte Abgaben, Erpressungen und Be¬
drückungen jeder Art. . Die Convention von Balta-Lima, welche zum Vortheil
Rußlands das Staatsrecht der Fürstenthümer vernichtete, besagte zwar: "Man >
wird zu den organischen Verbesserungen schreiten, welche die Lage der Fürsten¬
thümer und die Mißbräuche in denselben erheischen", aber diese Verbesserungen
find niemals erfolgt. Gegenwärtig sind die Fürstenthümer ein "Pfand" Rußlands
und der Schauplatz eines Krieges, der das vielgeprüfte Volk vollends aussaugt.
Aber die Moldau-Walachen halten so treu zum Romanismus, als ihrer Natur
möglich ist; ihre Miliz hat sich geweigert, in das russische Heer einzutreten.




General von Psilli.

Karl Ludwig Freiherr von Phull war der Sohn des kommandirenden Generals
der schwäbischen Kreiütruppen und Herzvglich würtembergischen Generallieutenants
von Psilli. Auf der berühmten Karlsschnle in Stuttgart erzogen, trat er früh¬
zeitig in preußische Kriegsdienste und wir finden ihn 180ö als den ältesten der
drei Generalquartiermeister-Lieutenants, die damals unter dem Chef des preichischeu
Generalstabes, General von Gcusau, standen. Differenzen mit dem Oberbefehls¬
haber der preußischen Armee, dem Herzog von Braunschweig, von dessen taktischer
Unfähigkeit er überzeugt war, veranlaßte" 1806 seinen Uebertritt in russische
Dienste. Kaiser Alexander wählte sich den gelehrten. General zu seinem Lehrer
in der Kriegskunst und Phull war es, der den Plan zu dem berühmten Feldzuge
des Jahres 1812 entwarf. Er ging von dem Gesichtspunkte ans, daß die nu¬
merische Uebermacht Napoleons nur durch ein geschicktes Ausweichen und Zurück¬
ziehen russischerscits neutralisirt werden könne, indem Napoleon dadurch genöthigt
würde, sich immer mehr von seinen Ressourcen zu entfernen, seine Armee in
immer unwirthbarere Länder vorzuschieben und dieselbe dadurch täglich physisch
und moralisch zu schwächen, während die Russen Zeit gewännen, sich immer mehr
zu concentriren und so zu kräftigen. "Mit der Schnelligkeit des Blitzes zu
handeln, sagte er in seiner Denkschrift an den Kaiser, ist das ausschließliche Pri¬
vilegium des Genies. Man muß ihm eine gemessene Beharrlichkeit, Oekonomie
und Ordnung' in allen Maßregeln entgegensetzen, man muß mit Weisheit und
Klugheit verfahren, zwei' Klippen, an denen das Genie oftmals gescheitert ist."
Napoleon konnte entweder das nordwestliche oder das südwestliche Rußland zu


unterdrückt wurde, deren Gelingen ihr selbst den stärksten Schutz gegen Rußland
gewährt haben würde. Die Ciocoi und die Fanarioten, die Bundesgenossen
Rußlands, kamen wieder in den Fürstentümern an das Ruder, decimirten die
Häupter der romanischen Bewegung durch Gefängniß und Verbannung und
rächten sich an dem Volke durch vermehrte Abgaben, Erpressungen und Be¬
drückungen jeder Art. . Die Convention von Balta-Lima, welche zum Vortheil
Rußlands das Staatsrecht der Fürstenthümer vernichtete, besagte zwar: „Man >
wird zu den organischen Verbesserungen schreiten, welche die Lage der Fürsten¬
thümer und die Mißbräuche in denselben erheischen", aber diese Verbesserungen
find niemals erfolgt. Gegenwärtig sind die Fürstenthümer ein „Pfand" Rußlands
und der Schauplatz eines Krieges, der das vielgeprüfte Volk vollends aussaugt.
Aber die Moldau-Walachen halten so treu zum Romanismus, als ihrer Natur
möglich ist; ihre Miliz hat sich geweigert, in das russische Heer einzutreten.




General von Psilli.

Karl Ludwig Freiherr von Phull war der Sohn des kommandirenden Generals
der schwäbischen Kreiütruppen und Herzvglich würtembergischen Generallieutenants
von Psilli. Auf der berühmten Karlsschnle in Stuttgart erzogen, trat er früh¬
zeitig in preußische Kriegsdienste und wir finden ihn 180ö als den ältesten der
drei Generalquartiermeister-Lieutenants, die damals unter dem Chef des preichischeu
Generalstabes, General von Gcusau, standen. Differenzen mit dem Oberbefehls¬
haber der preußischen Armee, dem Herzog von Braunschweig, von dessen taktischer
Unfähigkeit er überzeugt war, veranlaßte» 1806 seinen Uebertritt in russische
Dienste. Kaiser Alexander wählte sich den gelehrten. General zu seinem Lehrer
in der Kriegskunst und Phull war es, der den Plan zu dem berühmten Feldzuge
des Jahres 1812 entwarf. Er ging von dem Gesichtspunkte ans, daß die nu¬
merische Uebermacht Napoleons nur durch ein geschicktes Ausweichen und Zurück¬
ziehen russischerscits neutralisirt werden könne, indem Napoleon dadurch genöthigt
würde, sich immer mehr von seinen Ressourcen zu entfernen, seine Armee in
immer unwirthbarere Länder vorzuschieben und dieselbe dadurch täglich physisch
und moralisch zu schwächen, während die Russen Zeit gewännen, sich immer mehr
zu concentriren und so zu kräftigen. „Mit der Schnelligkeit des Blitzes zu
handeln, sagte er in seiner Denkschrift an den Kaiser, ist das ausschließliche Pri¬
vilegium des Genies. Man muß ihm eine gemessene Beharrlichkeit, Oekonomie
und Ordnung' in allen Maßregeln entgegensetzen, man muß mit Weisheit und
Klugheit verfahren, zwei' Klippen, an denen das Genie oftmals gescheitert ist."
Napoleon konnte entweder das nordwestliche oder das südwestliche Rußland zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/456>, abgerufen am 05.02.2025.