Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.bedrohte ihn öffentlich; ein leidenschaftlicher Kampf entbrannte. An der Spitze Die Dichter und Schriftsteller der Moldau, Bessarabiens und Siebenbürgens Zwischen den beiden Parteien der alten und jungen Walachen vermochte sich Bibesco war freilich nicht der Candidat der "jungeu Walachen", aber er be¬ bedrohte ihn öffentlich; ein leidenschaftlicher Kampf entbrannte. An der Spitze Die Dichter und Schriftsteller der Moldau, Bessarabiens und Siebenbürgens Zwischen den beiden Parteien der alten und jungen Walachen vermochte sich Bibesco war freilich nicht der Candidat der „jungeu Walachen", aber er be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0453" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97158"/> <p xml:id="ID_1341" prev="#ID_1340"> bedrohte ihn öffentlich; ein leidenschaftlicher Kampf entbrannte. An der Spitze<lb/> der Romanisten stand Campiniano, der Bruder des bereits erwähnten Parla¬<lb/> mentsmitgliedes. Sie nannten sich die „jungen Walachen" im Gegensatz zu den<lb/> „alten Walachen", der russischen Partei, deren Häupter Villava, Georg Bibesco,<lb/> sein Bruder Stirbcy und der alte PhilippeSco waren. Campiniano kämpfte nicht<lb/> allein für den Romanismus als Deputirter, sondern leistete ihm auch große<lb/> Dienste durch Förderung der Nationalliteratur. Er gründete die philhar¬<lb/> monische Gesellschaft und verband mit derselben später ein Nationaltheater, wo<lb/> zrerst Liebhaber, dann Schauspieler nationale Komödien, Dramen und mich Ueber-<lb/> tragungen von Voltaire, Alfieri und neueren Dichtern darstellten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1342"> Die Dichter und Schriftsteller der Moldau, Bessarabiens und Siebenbürgens<lb/> leisteten Campiniano wirksamen Beistand. Unter den moldauischen Schrift¬<lb/> stellern ist in erster Reihe zu nennen Ncgruci, Verfasser eines epischen Ge¬<lb/> dichts über den Heros der Moldau, Stephan den Großen und von Novellen,<lb/> die etwas von der Lebhaftigkeit und Freiheit der Märchen haben. Kogalni-<lb/> ceno hat eine Chronik der Moldau-Walachei und eine französisch geschriebene<lb/> Geschichte der Fürstentümer herausgegeben. Unter den lyrischen Dichtern der<lb/> Moldau nennen wir Sion und Alenandri, der die Volkspoesie mit ehrenwerther<lb/> Originalität und großem Erfolge anbaut. In der Walachei hat Gliade durch<lb/> patriotische Oben und Gesänge, anch durch linguistische Arbeiten und Ueber-<lb/> setzungen von Voltaire und Lamartine sich ausgezeichnet. Anmuthige lyrische<lb/> Gedichte haben ferner Kirlova, Alcxandresco, Boliaco, Posctti und Bolintineano<lb/> geliefert. Die Volkschrouiken sind erforscht worden von Laurianu und Bal¬<lb/> le hev. Letzterer hat eine militärische Geschichte der Fürstentümer und das<lb/> „historische Magazin" herausgegeben. Seit 1829 bestehen in der Moldau-Wala¬<lb/> chei auch zahlreiche politische und literarische Zeitschriften, obgleich ihnen die Cen¬<lb/> sur Schwierigkeiten genug bereitete. Ebenso gibt es artistische, medicinische,<lb/> commercielle Blätter und eine Ackerbauzeitung, welche die Priester den Bauern<lb/> uach dem Gottesdienst des Sonntags vorlesen müssen. Die romanische Literatur<lb/> wirkt besonders auf das Volk: sie kleidet sich in das Gewand von Legenden und<lb/> Gesängen, welche die Bauern, wie die alten Gedichte, mündlich sich mittheilen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1343"> Zwischen den beiden Parteien der alten und jungen Walachen vermochte sich<lb/> Fürst 'Ghika nicht zu behaupten. Eine Krisis trat ein und endigte mit der von<lb/> der Türkei und Rußland ausgesprochenen Absetzung Ghikas. Georg Bibesco,<lb/> der ihn mit großer Erbitterung in Reden und französisch geschriebenen Brochüren<lb/> bekämpft hatte, wurde durch die Nationalversammlung zur Fürsteuwürde erhoben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1344" next="#ID_1345"> Bibesco war freilich nicht der Candidat der „jungeu Walachen", aber er be¬<lb/> wegte sich in liberalen Formen und wußte selbst Campiniano zur Annahme eines<lb/> Minister-Portefeuilles zu bewegen. Er war überdies romanischer Abkunft und<lb/> der erste von der Nation gewählte Fürst. Aber er war eine Crearur der Russen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0453]
bedrohte ihn öffentlich; ein leidenschaftlicher Kampf entbrannte. An der Spitze
der Romanisten stand Campiniano, der Bruder des bereits erwähnten Parla¬
mentsmitgliedes. Sie nannten sich die „jungen Walachen" im Gegensatz zu den
„alten Walachen", der russischen Partei, deren Häupter Villava, Georg Bibesco,
sein Bruder Stirbcy und der alte PhilippeSco waren. Campiniano kämpfte nicht
allein für den Romanismus als Deputirter, sondern leistete ihm auch große
Dienste durch Förderung der Nationalliteratur. Er gründete die philhar¬
monische Gesellschaft und verband mit derselben später ein Nationaltheater, wo
zrerst Liebhaber, dann Schauspieler nationale Komödien, Dramen und mich Ueber-
tragungen von Voltaire, Alfieri und neueren Dichtern darstellten.
Die Dichter und Schriftsteller der Moldau, Bessarabiens und Siebenbürgens
leisteten Campiniano wirksamen Beistand. Unter den moldauischen Schrift¬
stellern ist in erster Reihe zu nennen Ncgruci, Verfasser eines epischen Ge¬
dichts über den Heros der Moldau, Stephan den Großen und von Novellen,
die etwas von der Lebhaftigkeit und Freiheit der Märchen haben. Kogalni-
ceno hat eine Chronik der Moldau-Walachei und eine französisch geschriebene
Geschichte der Fürstentümer herausgegeben. Unter den lyrischen Dichtern der
Moldau nennen wir Sion und Alenandri, der die Volkspoesie mit ehrenwerther
Originalität und großem Erfolge anbaut. In der Walachei hat Gliade durch
patriotische Oben und Gesänge, anch durch linguistische Arbeiten und Ueber-
setzungen von Voltaire und Lamartine sich ausgezeichnet. Anmuthige lyrische
Gedichte haben ferner Kirlova, Alcxandresco, Boliaco, Posctti und Bolintineano
geliefert. Die Volkschrouiken sind erforscht worden von Laurianu und Bal¬
le hev. Letzterer hat eine militärische Geschichte der Fürstentümer und das
„historische Magazin" herausgegeben. Seit 1829 bestehen in der Moldau-Wala¬
chei auch zahlreiche politische und literarische Zeitschriften, obgleich ihnen die Cen¬
sur Schwierigkeiten genug bereitete. Ebenso gibt es artistische, medicinische,
commercielle Blätter und eine Ackerbauzeitung, welche die Priester den Bauern
uach dem Gottesdienst des Sonntags vorlesen müssen. Die romanische Literatur
wirkt besonders auf das Volk: sie kleidet sich in das Gewand von Legenden und
Gesängen, welche die Bauern, wie die alten Gedichte, mündlich sich mittheilen.
Zwischen den beiden Parteien der alten und jungen Walachen vermochte sich
Fürst 'Ghika nicht zu behaupten. Eine Krisis trat ein und endigte mit der von
der Türkei und Rußland ausgesprochenen Absetzung Ghikas. Georg Bibesco,
der ihn mit großer Erbitterung in Reden und französisch geschriebenen Brochüren
bekämpft hatte, wurde durch die Nationalversammlung zur Fürsteuwürde erhoben.
Bibesco war freilich nicht der Candidat der „jungeu Walachen", aber er be¬
wegte sich in liberalen Formen und wußte selbst Campiniano zur Annahme eines
Minister-Portefeuilles zu bewegen. Er war überdies romanischer Abkunft und
der erste von der Nation gewählte Fürst. Aber er war eine Crearur der Russen.
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