Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.glieder des gegenwärtigen englischen Ministeriums vorzulegen. Wir beginnen Der gegenwärtige Premier stammt von den Gordons von Hatto, welche glieder des gegenwärtigen englischen Ministeriums vorzulegen. Wir beginnen Der gegenwärtige Premier stammt von den Gordons von Hatto, welche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0444" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97149"/> <p xml:id="ID_1315" prev="#ID_1314"> glieder des gegenwärtigen englischen Ministeriums vorzulegen. Wir beginnen<lb/> mit dem Haupt des Cabinets, dem ersten Lord des Schatzes, Lord Aberdeen,<lb/> und dem Minister des Auswärtigen, Lord Clarendon, als den beiden, die bei<lb/> der gegenwärtigen Weltlage den Lesern am interessanteste» sein müssen, und kom¬<lb/> men auf andere vielleicht später zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_1316" next="#ID_1317"> Der gegenwärtige Premier stammt von den Gordons von Hatto, welche<lb/> Familie den Titel Aberdeen seit 1682 führt. 1784 geboren, empfing Lord Aber-<lb/> deen seine Bildung in Hcirrow »ut Cambridge, und zeichnete sich schon frühzeitig<lb/> so sehr ans, daß er in seinem 22. Jahre von der schottischen Pairschaft in das<lb/> englische Parlament gewählt wurde. Dieselbe Ehre widerfuhr ihm in den Sitzun¬<lb/> gen 1807 und 1812. Für einen talentvollen Patricier ist es jedoch nicht immer<lb/> vortheilhaft, im englischen Oberhause seine politische Laufbahn anzufangen. Das<lb/> wenig zahlreiche Publicum gibt nur selten Gelegenheit zu einer schwungreicher<lb/> und feurigen Beredtsamkeit, die zwar auf eine zahlreiche Zuhörerschaft Eindruck<lb/> macht, aber el» paar Dutzend ältlichen Herrn gegenüber fast lächerlich wird.<lb/> Diese Rücksicht mag Lord Aberdeen bestimmt haben, frühzeitig die diplomatische<lb/> Laufbahn zu 'betreten. Ohne vorher auf dem auswärtigen Amte angestellt ge¬<lb/> wesen zu sei», wurde er 1813 »ach Wien geschickt, um den Kaiser Franz von<lb/> dem Bü»d»iß mit Napoleon abtrünnig zu machen. Es gelang ihm bald, das<lb/> Vertrauen des östreichischen Cabinets z» gewinne», n»d er führte seine schwierige<lb/> Mission mit großem Geschick zu el»em'glücklichen Ende. 1814 unterzeichnete er<lb/> den Frieden von Paris mit, und wurde nach seiner Rückkehr i»S Vaterland zum<lb/> englischen Pair mit dem Titel Viscount Gordon erhoben. Von 181S bis 1828<lb/> fand, trotz der ununterbrochenen Herrschaft der Tones, Lord Aberdeen keine amt¬<lb/> liche Aisstellnng. Dies ist leicht erklärlich. Sein Fach waren die auswärtigen<lb/> Angelegenheiten: einen untergeordnete» Posten wollte er nicht annehmen, und so<lb/> lauge Castlereagh und Ca»»i»g lebte», war für ihn kein Platz im Cabinet.<lb/> 1828 aber trat er als Staatssekretär des Auswärtigen in das Wellingtonsche<lb/> Ministerium, und seit jener Zeit gilt er allgemein für den Vertreter der conser-<lb/> vativen auswärtige» Politik Englands. Seine Hauptstärke ist seine genaue Be¬<lb/> kanntschaft mit den Persönlichkeiten, die an den europäischen Höfen Einfluß auf die<lb/> Politik haben, und seine Vertrautheit mit der in den verschiedenen Cabineten vor¬<lb/> herrschenden Denkweise. Parteigeist bringt sein Temperament nie aus dem Gleich¬<lb/> gewicht. I» seinen Ansichten über auswärtige A»gclege»heite» ist er kein Sy-<lb/> stemjäger, und Theoriens»ehe läßt ih» nie die Wirklichkeit a»S dem Auge ver¬<lb/> lieren. Die allgemeine Anwendbarkeit von Nepräsentativinstitntionen ist ihm<lb/> durchaus kein Evangelium, und er bezweifelt sehr, daß sie für die heißblütigen<lb/> Völker des südlichen Europas passen. Da er bei der letzten großen Herstellung<lb/> des politische» Gleichgewichts eine Hauptrolle gespielt hat,, so hat er eine Art<lb/> persönliches Interesse ein der Erhaltung des Weltfriedens. Das Aeußere Lord</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0444]
glieder des gegenwärtigen englischen Ministeriums vorzulegen. Wir beginnen
mit dem Haupt des Cabinets, dem ersten Lord des Schatzes, Lord Aberdeen,
und dem Minister des Auswärtigen, Lord Clarendon, als den beiden, die bei
der gegenwärtigen Weltlage den Lesern am interessanteste» sein müssen, und kom¬
men auf andere vielleicht später zurück.
Der gegenwärtige Premier stammt von den Gordons von Hatto, welche
Familie den Titel Aberdeen seit 1682 führt. 1784 geboren, empfing Lord Aber-
deen seine Bildung in Hcirrow »ut Cambridge, und zeichnete sich schon frühzeitig
so sehr ans, daß er in seinem 22. Jahre von der schottischen Pairschaft in das
englische Parlament gewählt wurde. Dieselbe Ehre widerfuhr ihm in den Sitzun¬
gen 1807 und 1812. Für einen talentvollen Patricier ist es jedoch nicht immer
vortheilhaft, im englischen Oberhause seine politische Laufbahn anzufangen. Das
wenig zahlreiche Publicum gibt nur selten Gelegenheit zu einer schwungreicher
und feurigen Beredtsamkeit, die zwar auf eine zahlreiche Zuhörerschaft Eindruck
macht, aber el» paar Dutzend ältlichen Herrn gegenüber fast lächerlich wird.
Diese Rücksicht mag Lord Aberdeen bestimmt haben, frühzeitig die diplomatische
Laufbahn zu 'betreten. Ohne vorher auf dem auswärtigen Amte angestellt ge¬
wesen zu sei», wurde er 1813 »ach Wien geschickt, um den Kaiser Franz von
dem Bü»d»iß mit Napoleon abtrünnig zu machen. Es gelang ihm bald, das
Vertrauen des östreichischen Cabinets z» gewinne», n»d er führte seine schwierige
Mission mit großem Geschick zu el»em'glücklichen Ende. 1814 unterzeichnete er
den Frieden von Paris mit, und wurde nach seiner Rückkehr i»S Vaterland zum
englischen Pair mit dem Titel Viscount Gordon erhoben. Von 181S bis 1828
fand, trotz der ununterbrochenen Herrschaft der Tones, Lord Aberdeen keine amt¬
liche Aisstellnng. Dies ist leicht erklärlich. Sein Fach waren die auswärtigen
Angelegenheiten: einen untergeordnete» Posten wollte er nicht annehmen, und so
lauge Castlereagh und Ca»»i»g lebte», war für ihn kein Platz im Cabinet.
1828 aber trat er als Staatssekretär des Auswärtigen in das Wellingtonsche
Ministerium, und seit jener Zeit gilt er allgemein für den Vertreter der conser-
vativen auswärtige» Politik Englands. Seine Hauptstärke ist seine genaue Be¬
kanntschaft mit den Persönlichkeiten, die an den europäischen Höfen Einfluß auf die
Politik haben, und seine Vertrautheit mit der in den verschiedenen Cabineten vor¬
herrschenden Denkweise. Parteigeist bringt sein Temperament nie aus dem Gleich¬
gewicht. I» seinen Ansichten über auswärtige A»gclege»heite» ist er kein Sy-
stemjäger, und Theoriens»ehe läßt ih» nie die Wirklichkeit a»S dem Auge ver¬
lieren. Die allgemeine Anwendbarkeit von Nepräsentativinstitntionen ist ihm
durchaus kein Evangelium, und er bezweifelt sehr, daß sie für die heißblütigen
Völker des südlichen Europas passen. Da er bei der letzten großen Herstellung
des politische» Gleichgewichts eine Hauptrolle gespielt hat,, so hat er eine Art
persönliches Interesse ein der Erhaltung des Weltfriedens. Das Aeußere Lord
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