Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.sehr oft, und nach der Ermordung des Herzogs von Berry äußerte er mit pro¬ Nach der Entfernung O'Mearas schloß sich Napoleon Monate lang in seine sehr oft, und nach der Ermordung des Herzogs von Berry äußerte er mit pro¬ Nach der Entfernung O'Mearas schloß sich Napoleon Monate lang in seine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0436" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97141"/> <p xml:id="ID_1298" prev="#ID_1297"> sehr oft, und nach der Ermordung des Herzogs von Berry äußerte er mit pro¬<lb/> phetischer Voraussicht, daß nach dem Tode Ludwig XVIIl. der Kampf zwischen<lb/> dem Herzog von Orleans und den napoleoniden ausbrechen und die bvurbonische<lb/> Dynastie gestürzt werden würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1299" next="#ID_1300"> Nach der Entfernung O'Mearas schloß sich Napoleon Monate lang in seine<lb/> Gemächer ein, wodnvch Sir Hudson Löwe in eine höchst unangenehme Lage kam.<lb/> Seine Instruction lautete, er sollte sich zweimal täglich versichern, daß Napoleon<lb/> noch auf der Insel sei. Aber jetzt sah ihn der Ordvnanzoffizier oft ganze<lb/> Wochen nicht, und der Statthalter mußte sich von Montholon ins Gesicht sagen<lb/> lassen, daß er gar nicht wissen könne, ob Napoleon noch in seinem Gewahrsam<lb/> sei. Rücksichten auf Gesundheit und Bequemlichkeit mußten vor dem Bedürfniß,<lb/> dem Statthalter das Leben schwer zu machen, zurücktreten, und Napoleon kam<lb/> lieber nicht über die Schwelle und behielt lieber die Laden vor deu Fenster», als<lb/> daß er sich dem Ordonanzoffizier gezeigt hätte. Dieser mußte oft acht und zehn<lb/> Stunden lang um das Haus herumstreichen, sich die Spöttereien der Dienstboten<lb/> gefallen lassen, an Thüren klopfen, die ihn nicht, aufgethan wurden, ohne den<lb/> Kaiser zu Gesicht zu bekommen, während letzterer durch Locher, die in den Fen¬<lb/> sterläden angebracht waren, ihm zusah und sich seiner Verlegenheit freute. Wenn<lb/> der Statthalter bei Napoleons Begleitern darauf draug, dem Ordvnanzoffizier<lb/> Gelegenheit zu geben, Napoleon zu sehen, so rieth man diesem, durch das<lb/> Schlüsselloch zu gucken, und zuletzt mußte er froh sei», wenn er gelegentlich<lb/> einen verstohlenen Blick durch ein offen gelassenes Jeuster werfen und Napoleon<lb/> auf diese Weise sehen konnte. Diese Taktik setzte der Exkaiser fast ein ganzes<lb/> Jahr laug, vom October 1818 bis zum October 1819, fort, und man kann sich<lb/> nur über die Nachsicht und die Geduld, die der'Statthalter bei dieser Gelegen¬<lb/> heit zeigte, wundern. Endlich wurden dem Exkaiser die selbst auferlegten Unbe¬<lb/> quemlichkeiten doch zu arg, und er erschien auf einmal wieder fast jeden Tag im<lb/> Freien und wurde ein eifriger Gärtner. Bänme wurden versetzt, Nasenwände<lb/> erbaut, Wasserbehälter und Wasserfälle angelegt. Oft schon um 6 Uhr erschien<lb/> er in einem weißen Zengrvcke und einem großen Strohhut im Garten, und das<lb/> Signal zum Beginn der Arbeit wurde mit einer Glocke gegeben. 'Alles mußte<lb/> mit helfen, Napoleon selbst nahm manchmal den Spaten oder die Gießkanne zur<lb/> Hand, Bertrand und Montholon gruben, und die Kinder trugen Wasser herbei.<lb/> Dann wurde im Grünen gefrühstückt. Der Gärtner und Herr war oft launenhaft,<lb/> denn zuweilen wurde heute eingerissen, was gestern gebaut worden, und morgen<lb/> wieder gebant. Im ganzen schien aber sein Ziel zu sein, sich den Blicken an¬<lb/> derer soviel als möglich zu entziehen, denn er umgab sein Haus so dicht mit<lb/> Bäumen, daß mau kaum die Fenster sehen konnte. Eine andere Unterhaltung<lb/> für ihn war der kleine Krieg, den er gegen die Hausthiere, die sich in seinen<lb/> Garten verirrten!, führte. Kein Huhu und keine Ziege durften sich auf seinem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0436]
sehr oft, und nach der Ermordung des Herzogs von Berry äußerte er mit pro¬
phetischer Voraussicht, daß nach dem Tode Ludwig XVIIl. der Kampf zwischen
dem Herzog von Orleans und den napoleoniden ausbrechen und die bvurbonische
Dynastie gestürzt werden würde.
Nach der Entfernung O'Mearas schloß sich Napoleon Monate lang in seine
Gemächer ein, wodnvch Sir Hudson Löwe in eine höchst unangenehme Lage kam.
Seine Instruction lautete, er sollte sich zweimal täglich versichern, daß Napoleon
noch auf der Insel sei. Aber jetzt sah ihn der Ordvnanzoffizier oft ganze
Wochen nicht, und der Statthalter mußte sich von Montholon ins Gesicht sagen
lassen, daß er gar nicht wissen könne, ob Napoleon noch in seinem Gewahrsam
sei. Rücksichten auf Gesundheit und Bequemlichkeit mußten vor dem Bedürfniß,
dem Statthalter das Leben schwer zu machen, zurücktreten, und Napoleon kam
lieber nicht über die Schwelle und behielt lieber die Laden vor deu Fenster», als
daß er sich dem Ordonanzoffizier gezeigt hätte. Dieser mußte oft acht und zehn
Stunden lang um das Haus herumstreichen, sich die Spöttereien der Dienstboten
gefallen lassen, an Thüren klopfen, die ihn nicht, aufgethan wurden, ohne den
Kaiser zu Gesicht zu bekommen, während letzterer durch Locher, die in den Fen¬
sterläden angebracht waren, ihm zusah und sich seiner Verlegenheit freute. Wenn
der Statthalter bei Napoleons Begleitern darauf draug, dem Ordvnanzoffizier
Gelegenheit zu geben, Napoleon zu sehen, so rieth man diesem, durch das
Schlüsselloch zu gucken, und zuletzt mußte er froh sei», wenn er gelegentlich
einen verstohlenen Blick durch ein offen gelassenes Jeuster werfen und Napoleon
auf diese Weise sehen konnte. Diese Taktik setzte der Exkaiser fast ein ganzes
Jahr laug, vom October 1818 bis zum October 1819, fort, und man kann sich
nur über die Nachsicht und die Geduld, die der'Statthalter bei dieser Gelegen¬
heit zeigte, wundern. Endlich wurden dem Exkaiser die selbst auferlegten Unbe¬
quemlichkeiten doch zu arg, und er erschien auf einmal wieder fast jeden Tag im
Freien und wurde ein eifriger Gärtner. Bänme wurden versetzt, Nasenwände
erbaut, Wasserbehälter und Wasserfälle angelegt. Oft schon um 6 Uhr erschien
er in einem weißen Zengrvcke und einem großen Strohhut im Garten, und das
Signal zum Beginn der Arbeit wurde mit einer Glocke gegeben. 'Alles mußte
mit helfen, Napoleon selbst nahm manchmal den Spaten oder die Gießkanne zur
Hand, Bertrand und Montholon gruben, und die Kinder trugen Wasser herbei.
Dann wurde im Grünen gefrühstückt. Der Gärtner und Herr war oft launenhaft,
denn zuweilen wurde heute eingerissen, was gestern gebaut worden, und morgen
wieder gebant. Im ganzen schien aber sein Ziel zu sein, sich den Blicken an¬
derer soviel als möglich zu entziehen, denn er umgab sein Haus so dicht mit
Bäumen, daß mau kaum die Fenster sehen konnte. Eine andere Unterhaltung
für ihn war der kleine Krieg, den er gegen die Hausthiere, die sich in seinen
Garten verirrten!, führte. Kein Huhu und keine Ziege durften sich auf seinem
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