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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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her: "Es gibt zwei Arten von Leuten, welche Regierungen verwenden", sagte
er, "die eine, welche sie ehren, und die andere, welche sie entehren;
er gehört zu den letzteren; sie haben ihm das Amt eines Henker¬
knechts gegeben". Ich gab zur Antwort: "Ich verstehe ein derartiges
Manöver recht gut -- man versucht mit Infamie zu brandmarken, wenn man
nicht mit anderen Waffen angreife" kann. Mir ist so etwas vollkommen gleich-
giltig. Ich habe mich zu meiner ^gegenwärtigen Stelle nicht gedrängt, aber da
sie mir angeboten wurde, hielt ich es für meine heilige Pflicht, sie anzunehmen".

- "Dann würde" Sie auch", sagte er, "dem Befehl gehorsam sein, mich zu ermor-
den, wen" er Ihnen ertheilt würde?" "Nein, Sir." -- ----Zum Schluß
wandte sich Napoleon an deu Statthalter, und sagte zu ihm (Wir folgen immer
noch dem Bericht Sir Hudson Loach): "Sie sind Generallieutenant, aber ver¬
richten Ihr Amt, als wären Sie eine Schildwache; es ist nicht mit Ihnen aus¬
zukommen; Sie sind ein höchst halsstarriger Manu. Wen" Sie, fürchte", daß
ich entfliehe" konnte, warum binden Sie mich dann nicht?" Ich gab ihm zur
Autwort, ich führte uur meine Jiistrnctivuen aus, und wenn mein Benehmen
Mißbilligung fände, so könnte ich leicht abberufen werden. "Sie haben dieselben
Instructionen, wie Sir George Cockburn", gab er zur Antwort; "er hat es mir
selbst gesagt." Er beschwerte sich, daß man ihn wie einen Kriegsgefangenen
behandelte; die Minister hätte" kein Recht, ihn anders zu behandeln, als der
Parlamentsbeschlnß vorschreibe; die Nation sei geneigt, ihn gut zu behandeln,
aber die Minister handelten im entgegengesetzten Sinne; er beschuldigte mich,
ein bloßes Werkzeug des blinden Hasses Lord Bathnrsts zu sein. Ich bemerkte:
"Lord Bathurst weiß nicht, was blinder Haß ist, Sir." Er beschwerte sich
darüber, daß wir ihn General nennen, sagte, er sei Kaiser, nud wenn Englaud
und Europa nicht mehr sein und "iema"d mehr Lord Bathnrst kennen würde,
werde er immer noch der Kaiser sein. Er sagte mir, er ginge mir stets ans
dem Wege, um mich nicht zu sehen, und hätte auch deshalb zweimal vorgege¬
ben, im Bade zu sein. "Sie wollen Geld; ich habe keins, außer in den Hän¬
den meiner Freunde; aber ich kann meine Briefe ' nicht abschicken." Er griff
mich wegen des Billets an, welches Graf Bertrand zurückerhalten hatte, und
sagte: "Sie hatten kein Recht, ihm Hausarrest zu gebe"; Sie haben nie Ar¬
meen befehligt; Sie sind nichts gewese", als der Schreiber eines Generalstabs.
Ich hatte geglaubt, mich unter den Engländern wohl zu befinden, aber Sie sind
kein Engländer." Er fuhr in diesem Tone fort, als ich ihn mit den Worten
unterbrach: "Sie reizen mich zum Lächeln, Sir." "Warum lächeln, Sir?" gab er
zur Antwort, indem er sich überrascht von dieser Bemerkung umdrehte, mich an¬
sah und hinzufügte: "ich sage, was ich denke". "Ja, Sir", gab ich mit einem
Tone, der das, was ich dachte, verrieth, und indem ich ihn ansah, zur Antwort:
"Sie zwingen mich zu lächeln; Ihr falsches Auffassen meines Charakters und


Grenzbote". IV. -I8öZ. >

her: „Es gibt zwei Arten von Leuten, welche Regierungen verwenden", sagte
er, „die eine, welche sie ehren, und die andere, welche sie entehren;
er gehört zu den letzteren; sie haben ihm das Amt eines Henker¬
knechts gegeben". Ich gab zur Antwort: „Ich verstehe ein derartiges
Manöver recht gut — man versucht mit Infamie zu brandmarken, wenn man
nicht mit anderen Waffen angreife» kann. Mir ist so etwas vollkommen gleich-
giltig. Ich habe mich zu meiner ^gegenwärtigen Stelle nicht gedrängt, aber da
sie mir angeboten wurde, hielt ich es für meine heilige Pflicht, sie anzunehmen".

- „Dann würde» Sie auch", sagte er, „dem Befehl gehorsam sein, mich zu ermor-
den, wen» er Ihnen ertheilt würde?" „Nein, Sir." — —--Zum Schluß
wandte sich Napoleon an deu Statthalter, und sagte zu ihm (Wir folgen immer
noch dem Bericht Sir Hudson Loach): „Sie sind Generallieutenant, aber ver¬
richten Ihr Amt, als wären Sie eine Schildwache; es ist nicht mit Ihnen aus¬
zukommen; Sie sind ein höchst halsstarriger Manu. Wen» Sie, fürchte», daß
ich entfliehe» konnte, warum binden Sie mich dann nicht?" Ich gab ihm zur
Autwort, ich führte uur meine Jiistrnctivuen aus, und wenn mein Benehmen
Mißbilligung fände, so könnte ich leicht abberufen werden. „Sie haben dieselben
Instructionen, wie Sir George Cockburn", gab er zur Antwort; „er hat es mir
selbst gesagt." Er beschwerte sich, daß man ihn wie einen Kriegsgefangenen
behandelte; die Minister hätte» kein Recht, ihn anders zu behandeln, als der
Parlamentsbeschlnß vorschreibe; die Nation sei geneigt, ihn gut zu behandeln,
aber die Minister handelten im entgegengesetzten Sinne; er beschuldigte mich,
ein bloßes Werkzeug des blinden Hasses Lord Bathnrsts zu sein. Ich bemerkte:
„Lord Bathurst weiß nicht, was blinder Haß ist, Sir." Er beschwerte sich
darüber, daß wir ihn General nennen, sagte, er sei Kaiser, nud wenn Englaud
und Europa nicht mehr sein und »iema»d mehr Lord Bathnrst kennen würde,
werde er immer noch der Kaiser sein. Er sagte mir, er ginge mir stets ans
dem Wege, um mich nicht zu sehen, und hätte auch deshalb zweimal vorgege¬
ben, im Bade zu sein. „Sie wollen Geld; ich habe keins, außer in den Hän¬
den meiner Freunde; aber ich kann meine Briefe ' nicht abschicken." Er griff
mich wegen des Billets an, welches Graf Bertrand zurückerhalten hatte, und
sagte: „Sie hatten kein Recht, ihm Hausarrest zu gebe»; Sie haben nie Ar¬
meen befehligt; Sie sind nichts gewese», als der Schreiber eines Generalstabs.
Ich hatte geglaubt, mich unter den Engländern wohl zu befinden, aber Sie sind
kein Engländer." Er fuhr in diesem Tone fort, als ich ihn mit den Worten
unterbrach: „Sie reizen mich zum Lächeln, Sir." „Warum lächeln, Sir?" gab er
zur Antwort, indem er sich überrascht von dieser Bemerkung umdrehte, mich an¬
sah und hinzufügte: „ich sage, was ich denke". „Ja, Sir", gab ich mit einem
Tone, der das, was ich dachte, verrieth, und indem ich ihn ansah, zur Antwort:
„Sie zwingen mich zu lächeln; Ihr falsches Auffassen meines Charakters und


Grenzbote». IV. -I8öZ. >
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/433>, abgerufen am 06.02.2025.