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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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in den Hauptquartieren der Souveräne des Festlandes verwendet gewesen, wo sie
mit dem Namen, dem Range, der Macht, den Titeln des Kaisers Napoleon ver¬
traut geworden sein muß . . . "sagten Sie mir nicht", äußerte der Kaiser eines
Tages, "daß er bei Champaubert und Montmirail gefochten hat? Dann haben
wir wahrscheinlich ein paar Kanonenkugeln miteinander gewechselt, und das ist
in meinen Augen immer ein edles Verhältniß, in welchem zwei Männer zueinan¬
der stehen können!" Auch fiel das erste Zusammentreffen des Statthalters mit
seinem Gefangenen ganz gut aus. Auch die zweite Zusammenkunft ging noch
ruhig vorüber. Aber Reibungen konnten nicht lange ausbleiben, da Napoleon
durchaus nicht als Gefangener betrachtet sein wollte, und jede Beschränkung sei¬
ner Freiheit als eine.persönliche Beleidigung aufnahm, und der Statthalter weder
durch Schmeicheleien, noch durch Beleidigungen und Drohungen von dem Wege
abzubringen war, dessen Einhaltung ihm seine Pflicht vorschrieb. Der erste
Sturm brach los, als eine Reihe kleinlicher und fast kindischer Kunstgriffe, Hudson
Löwe im Widerspruch mit seinen Instructionen zu Anerkennung des Kaiserti'tels
zu bewege", fehlgeschlagen war. Sir Hudson Löwe stattete dem Exkaiser einen
Besuch ab, um ihm zu melden, die Negierung habe befohlen, ihm ein neues Haus
zu bauen, und er bitte sich seine Befehle über diese Angelegenheit aus. Anstatt
darauf zu antworten, erhitzte sich Napoleon bis zur größten Leidenschaftlichkeit,
nannte den Statthalter seinen Kerkermeister, seinen Henker, und schloß mit den
beleidigenden Worten: "Soll ich Ihnen die Wahrheit sagen, Sir? Ich glaube,
daß Sie Befehl habe", mich zu tödten -- ja, mich zu todten. Ja, Sir, Sie
haben Befehl erhalten, alles und jedes zu thun." Der vollständige Bruch faud
aber erst statt, als der Statthalter sich genöthigt sah, gegen Bertrand wegen sei¬
ner Versuche, einen heimlichen Briefwechsel anzuknüpfen, strengere Maßregeln zu
ergreifen, und sich wegen eines höchst beleidigenden Briefes von ihm weigerte,
fernere Mittheilungen von ihm anzunehmen. Hudson Lome stattete damals Na¬
poleon seinen fünften und letzten Besuch in Begleitung des Admirals Sir
Pulteney Malcolm ab. Der Statthalter berichtet über diese merkwürdige Unter¬
redung unter anderem folgendes: Er warf mir vor, daß ich dem Grafen Bertrand
beleidigende Briefe geschrieben und ihn gereizt hätte. Ich machte ihn darauf
aufmerksam, daß er zuerst einen beleidigenden Brief an mich geschrieben; daß er
gesagt hätte, ich machte Napoleons Lage "-M'euss"; daß er mich deö Miß-
brauchs der Gewalt und der Ungerechtigkeit beschuldigt hätte. Ich setzte dann
hinzu: "Ich bin der Unterthan einer freien Regierung. Ich verabscheue jede
Art von Despotie und Tyrannei, und weise jede gegen mein Benehmen in dieser
Hinsicht erhobene Anklage als eine Verleumdung gegen einen Mann zurück, den
man mit den Waffen der Wahrheit nicht angreifen kann." Er hielt eine kleine
Weile inne, als ich diese Bemerkung machte, aber fing bald wieder an, indem er
sich an den Admiral wendete und in noch bitterem Ausdrücken sprach, als vor-


in den Hauptquartieren der Souveräne des Festlandes verwendet gewesen, wo sie
mit dem Namen, dem Range, der Macht, den Titeln des Kaisers Napoleon ver¬
traut geworden sein muß . . . „sagten Sie mir nicht", äußerte der Kaiser eines
Tages, „daß er bei Champaubert und Montmirail gefochten hat? Dann haben
wir wahrscheinlich ein paar Kanonenkugeln miteinander gewechselt, und das ist
in meinen Augen immer ein edles Verhältniß, in welchem zwei Männer zueinan¬
der stehen können!" Auch fiel das erste Zusammentreffen des Statthalters mit
seinem Gefangenen ganz gut aus. Auch die zweite Zusammenkunft ging noch
ruhig vorüber. Aber Reibungen konnten nicht lange ausbleiben, da Napoleon
durchaus nicht als Gefangener betrachtet sein wollte, und jede Beschränkung sei¬
ner Freiheit als eine.persönliche Beleidigung aufnahm, und der Statthalter weder
durch Schmeicheleien, noch durch Beleidigungen und Drohungen von dem Wege
abzubringen war, dessen Einhaltung ihm seine Pflicht vorschrieb. Der erste
Sturm brach los, als eine Reihe kleinlicher und fast kindischer Kunstgriffe, Hudson
Löwe im Widerspruch mit seinen Instructionen zu Anerkennung des Kaiserti'tels
zu bewege», fehlgeschlagen war. Sir Hudson Löwe stattete dem Exkaiser einen
Besuch ab, um ihm zu melden, die Negierung habe befohlen, ihm ein neues Haus
zu bauen, und er bitte sich seine Befehle über diese Angelegenheit aus. Anstatt
darauf zu antworten, erhitzte sich Napoleon bis zur größten Leidenschaftlichkeit,
nannte den Statthalter seinen Kerkermeister, seinen Henker, und schloß mit den
beleidigenden Worten: „Soll ich Ihnen die Wahrheit sagen, Sir? Ich glaube,
daß Sie Befehl habe», mich zu tödten — ja, mich zu todten. Ja, Sir, Sie
haben Befehl erhalten, alles und jedes zu thun." Der vollständige Bruch faud
aber erst statt, als der Statthalter sich genöthigt sah, gegen Bertrand wegen sei¬
ner Versuche, einen heimlichen Briefwechsel anzuknüpfen, strengere Maßregeln zu
ergreifen, und sich wegen eines höchst beleidigenden Briefes von ihm weigerte,
fernere Mittheilungen von ihm anzunehmen. Hudson Lome stattete damals Na¬
poleon seinen fünften und letzten Besuch in Begleitung des Admirals Sir
Pulteney Malcolm ab. Der Statthalter berichtet über diese merkwürdige Unter¬
redung unter anderem folgendes: Er warf mir vor, daß ich dem Grafen Bertrand
beleidigende Briefe geschrieben und ihn gereizt hätte. Ich machte ihn darauf
aufmerksam, daß er zuerst einen beleidigenden Brief an mich geschrieben; daß er
gesagt hätte, ich machte Napoleons Lage „-M'euss"; daß er mich deö Miß-
brauchs der Gewalt und der Ungerechtigkeit beschuldigt hätte. Ich setzte dann
hinzu: „Ich bin der Unterthan einer freien Regierung. Ich verabscheue jede
Art von Despotie und Tyrannei, und weise jede gegen mein Benehmen in dieser
Hinsicht erhobene Anklage als eine Verleumdung gegen einen Mann zurück, den
man mit den Waffen der Wahrheit nicht angreifen kann." Er hielt eine kleine
Weile inne, als ich diese Bemerkung machte, aber fing bald wieder an, indem er
sich an den Admiral wendete und in noch bitterem Ausdrücken sprach, als vor-


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[0432] in den Hauptquartieren der Souveräne des Festlandes verwendet gewesen, wo sie mit dem Namen, dem Range, der Macht, den Titeln des Kaisers Napoleon ver¬ traut geworden sein muß . . . „sagten Sie mir nicht", äußerte der Kaiser eines Tages, „daß er bei Champaubert und Montmirail gefochten hat? Dann haben wir wahrscheinlich ein paar Kanonenkugeln miteinander gewechselt, und das ist in meinen Augen immer ein edles Verhältniß, in welchem zwei Männer zueinan¬ der stehen können!" Auch fiel das erste Zusammentreffen des Statthalters mit seinem Gefangenen ganz gut aus. Auch die zweite Zusammenkunft ging noch ruhig vorüber. Aber Reibungen konnten nicht lange ausbleiben, da Napoleon durchaus nicht als Gefangener betrachtet sein wollte, und jede Beschränkung sei¬ ner Freiheit als eine.persönliche Beleidigung aufnahm, und der Statthalter weder durch Schmeicheleien, noch durch Beleidigungen und Drohungen von dem Wege abzubringen war, dessen Einhaltung ihm seine Pflicht vorschrieb. Der erste Sturm brach los, als eine Reihe kleinlicher und fast kindischer Kunstgriffe, Hudson Löwe im Widerspruch mit seinen Instructionen zu Anerkennung des Kaiserti'tels zu bewege», fehlgeschlagen war. Sir Hudson Löwe stattete dem Exkaiser einen Besuch ab, um ihm zu melden, die Negierung habe befohlen, ihm ein neues Haus zu bauen, und er bitte sich seine Befehle über diese Angelegenheit aus. Anstatt darauf zu antworten, erhitzte sich Napoleon bis zur größten Leidenschaftlichkeit, nannte den Statthalter seinen Kerkermeister, seinen Henker, und schloß mit den beleidigenden Worten: „Soll ich Ihnen die Wahrheit sagen, Sir? Ich glaube, daß Sie Befehl habe», mich zu tödten — ja, mich zu todten. Ja, Sir, Sie haben Befehl erhalten, alles und jedes zu thun." Der vollständige Bruch faud aber erst statt, als der Statthalter sich genöthigt sah, gegen Bertrand wegen sei¬ ner Versuche, einen heimlichen Briefwechsel anzuknüpfen, strengere Maßregeln zu ergreifen, und sich wegen eines höchst beleidigenden Briefes von ihm weigerte, fernere Mittheilungen von ihm anzunehmen. Hudson Lome stattete damals Na¬ poleon seinen fünften und letzten Besuch in Begleitung des Admirals Sir Pulteney Malcolm ab. Der Statthalter berichtet über diese merkwürdige Unter¬ redung unter anderem folgendes: Er warf mir vor, daß ich dem Grafen Bertrand beleidigende Briefe geschrieben und ihn gereizt hätte. Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß er zuerst einen beleidigenden Brief an mich geschrieben; daß er gesagt hätte, ich machte Napoleons Lage „-M'euss"; daß er mich deö Miß- brauchs der Gewalt und der Ungerechtigkeit beschuldigt hätte. Ich setzte dann hinzu: „Ich bin der Unterthan einer freien Regierung. Ich verabscheue jede Art von Despotie und Tyrannei, und weise jede gegen mein Benehmen in dieser Hinsicht erhobene Anklage als eine Verleumdung gegen einen Mann zurück, den man mit den Waffen der Wahrheit nicht angreifen kann." Er hielt eine kleine Weile inne, als ich diese Bemerkung machte, aber fing bald wieder an, indem er sich an den Admiral wendete und in noch bitterem Ausdrücken sprach, als vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/432>, abgerufen am 06.02.2025.