Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.terks, für die er den nicht schlechten Spitznamen "AuSkläricht" erfunden hat, Bei dem allen finden sich immer sehr viel vortreffliche und lehrreiche Be¬ terks, für die er den nicht schlechten Spitznamen „AuSkläricht" erfunden hat, Bei dem allen finden sich immer sehr viel vortreffliche und lehrreiche Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0423" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97128"/> <p xml:id="ID_1272" prev="#ID_1271"> terks, für die er den nicht schlechten Spitznamen „AuSkläricht" erfunden hat,<lb/> und in den mechanischen Tendenzen der Revolution den systematischen Fortschritt<lb/> einer und derselben Idee: nämlich der Hervorhebung des bien Mdlie und des<lb/> momentan Zweckmäßiger über die hergebrachten sittlichen Formen und Traditio¬<lb/> nen. Er klagt die Blüte des Handels, der bürgerlichen Betriebsamkeit und<lb/> den Frieden an, daß sie den Aberglauben des Menschen an irdisches Glück her¬<lb/> eingerufen haben; er nennt den Satz, daß der Staat znM Wohl des Volkes<lb/> da sei (Bd. i. S. -167) eine Dummchen; er findet es höchst verwerflich, daß<lb/> die moderne Staatstheorie die Fürsten zwingen wolle, ihre subjectiven Stim¬<lb/> mungen allgemeinen Rncksickten unterzuordnen; er findet in dem Repräsentativ¬<lb/> system die Atomisinmg des Staats und die ausschließliche Berechtigung der ungeglie¬<lb/> derten Masse. „Wer da will", sagt er Bd. 6. S. 233, „daß das momentan Zweck¬<lb/> mäßige herrsche, der will, daß die Gewalt herrsche, d. h. er will im Wesen die Revo¬<lb/> lution." Aber er bleibt darin keineswegs consequent, weil er nnr stark im Verneinen<lb/> ist. Sobald ein Fürst es mit der Revolution zu thun hat, räth er ihm unbedingt<lb/> das momentan Zweckmäßige'an, d. h. in der Regel die rechtlose Gewaltthat.<lb/> Er hat keine wahre Ehrfurcht vor dem Rechte, wie daS bei einem Supranatnralisten<lb/> auch nicht wol möglich ist. Das Recht erscheint bei ihm als absolut, wen» es<lb/> dem verhaßten bien publie widerspricht, aber vollkommen ohnmächtig, wenn es<lb/> die modernen liberalen Ideen beschützen soll. Es zeigt sich in diesen Aus¬<lb/> einandersetzungen jene Romantik, die der historischen Schule anklebt: sie hat<lb/> vollkommen recht darin, daß die Staaten nicht in berechneter Absichtlichkeit für<lb/> das allgemeine Wohl ihrer Bürger eingerichtet sind; sobald aber der Staat dnrch<lb/> die wachsende Bildung und die Verwickelung der Umstände in die Lage kommt,<lb/> mit Bewußtsein an seinem innern Fortschritt zu arbeiten, so wird er doch wol<lb/> keinen andern Maßstab finden können als das sehr geschmälte öffentliche Wohl.<lb/> Sehr charakteristisch ist es für Leo, daß er überall einen sehr energischen Wider¬<lb/> willen gegen die Humanität -zur Schau trägt, weil diese gleichfalls eine Errungen-<lb/> schaft der Aufklärungszeit war, und es ist das nicht blos Theorie, sondern zum<lb/> Theil auch angeborener brutaler Jnstinct. So findet er z. B. die Revolution, welche<lb/> Gustav III. in Schwede» unternahm, ihrem materiellen Inhalte nach als vollkommen<lb/> gerechtfertigt, er verwirft sie aber dciinvch, theils weil Gustav III. als Encyklopä¬<lb/> dist immer unrecht haben muß, theils weil er sie in modernen, humanen, un¬<lb/> blutigen Formen ausführte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1273" next="#ID_1274"> Bei dem allen finden sich immer sehr viel vortreffliche und lehrreiche Be¬<lb/> merkungen. Leo ist in seiner Polemik zwar ein Sophist, aber ein sehr ge¬<lb/> schickter. Mit der Kritik der Quellen nimmt er es nicht genau; er nimmt<lb/> so ziemlich alles ans, was in sein System paßt und die einseitigsten Schrift¬<lb/> steller find ihm die liebsten. Für die Revolutionszeit ist ihm die H'anptqnelle<lb/> die „Geschichte der Staatsverändcrung in Frankreich unter König Ludwig XVI.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0423]
terks, für die er den nicht schlechten Spitznamen „AuSkläricht" erfunden hat,
und in den mechanischen Tendenzen der Revolution den systematischen Fortschritt
einer und derselben Idee: nämlich der Hervorhebung des bien Mdlie und des
momentan Zweckmäßiger über die hergebrachten sittlichen Formen und Traditio¬
nen. Er klagt die Blüte des Handels, der bürgerlichen Betriebsamkeit und
den Frieden an, daß sie den Aberglauben des Menschen an irdisches Glück her¬
eingerufen haben; er nennt den Satz, daß der Staat znM Wohl des Volkes
da sei (Bd. i. S. -167) eine Dummchen; er findet es höchst verwerflich, daß
die moderne Staatstheorie die Fürsten zwingen wolle, ihre subjectiven Stim¬
mungen allgemeinen Rncksickten unterzuordnen; er findet in dem Repräsentativ¬
system die Atomisinmg des Staats und die ausschließliche Berechtigung der ungeglie¬
derten Masse. „Wer da will", sagt er Bd. 6. S. 233, „daß das momentan Zweck¬
mäßige herrsche, der will, daß die Gewalt herrsche, d. h. er will im Wesen die Revo¬
lution." Aber er bleibt darin keineswegs consequent, weil er nnr stark im Verneinen
ist. Sobald ein Fürst es mit der Revolution zu thun hat, räth er ihm unbedingt
das momentan Zweckmäßige'an, d. h. in der Regel die rechtlose Gewaltthat.
Er hat keine wahre Ehrfurcht vor dem Rechte, wie daS bei einem Supranatnralisten
auch nicht wol möglich ist. Das Recht erscheint bei ihm als absolut, wen» es
dem verhaßten bien publie widerspricht, aber vollkommen ohnmächtig, wenn es
die modernen liberalen Ideen beschützen soll. Es zeigt sich in diesen Aus¬
einandersetzungen jene Romantik, die der historischen Schule anklebt: sie hat
vollkommen recht darin, daß die Staaten nicht in berechneter Absichtlichkeit für
das allgemeine Wohl ihrer Bürger eingerichtet sind; sobald aber der Staat dnrch
die wachsende Bildung und die Verwickelung der Umstände in die Lage kommt,
mit Bewußtsein an seinem innern Fortschritt zu arbeiten, so wird er doch wol
keinen andern Maßstab finden können als das sehr geschmälte öffentliche Wohl.
Sehr charakteristisch ist es für Leo, daß er überall einen sehr energischen Wider¬
willen gegen die Humanität -zur Schau trägt, weil diese gleichfalls eine Errungen-
schaft der Aufklärungszeit war, und es ist das nicht blos Theorie, sondern zum
Theil auch angeborener brutaler Jnstinct. So findet er z. B. die Revolution, welche
Gustav III. in Schwede» unternahm, ihrem materiellen Inhalte nach als vollkommen
gerechtfertigt, er verwirft sie aber dciinvch, theils weil Gustav III. als Encyklopä¬
dist immer unrecht haben muß, theils weil er sie in modernen, humanen, un¬
blutigen Formen ausführte.
Bei dem allen finden sich immer sehr viel vortreffliche und lehrreiche Be¬
merkungen. Leo ist in seiner Polemik zwar ein Sophist, aber ein sehr ge¬
schickter. Mit der Kritik der Quellen nimmt er es nicht genau; er nimmt
so ziemlich alles ans, was in sein System paßt und die einseitigsten Schrift¬
steller find ihm die liebsten. Für die Revolutionszeit ist ihm die H'anptqnelle
die „Geschichte der Staatsverändcrung in Frankreich unter König Ludwig XVI.
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