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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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der türkischen Negierung, die periodische Presse in ihre Staaten einzuführen,
vollständig gelungen sind und die Versuche, welche in dieser Beziehung in Aegypten
angestellt sind, weit hinter sich gelassen haben. Bianchi, der Dolmetscher Louis
Philipps für die orientalischen Sprachen, erklärt diesen Unterschied folgender¬
maßen: "Wenn die hohe Pforte, nach dem Beispiel des Vicekönigs von Aegypten,
seit 20 Jahren eine Mission junger Ottomanen in Paris gegründet hätte, so
würde die Türkei seit dieser Zeit nicht nur mit Schriften sich bereichert haben,
welche ihre geistige Bildungsstufe erfordert, sondern der Sultan würde anch
gegenwärtig über eine Menge fähiger und unterrichteter Leute verfügen, welche
er den Feinden der Reform entgegenstellen konnte und die ihm in seinen Ver¬
wickelungen mit der europäischen Politik die nützlichsten Dienste leisten würden.
Vereinzelte Sendungen einiger jungen Leute "ach Paris und London waren
eine Maßregel, die ein so großes und wichtiges Resultat nicht herbeiführen konnte."

Wir kommen ans die periodische Presse der Türkei. Obgleich Pre߬
freiheit in der Türkei nicht besteht, so begünstigt die Regierung die periodische
Presse doch insofern, als sie neue Ideen verbreitet, ohne der Regierung Schwierig¬
keiten zu bereiten, und was die Hauptsache ist, ohne den Gesandten der fremden
Mächte in Pera Anstoß zu geben.

Der Gründer des Journalismus in der Türkei war ein Franzose, Alexandre
Blacqne, der -I82S in Smyrna den "Spectatenr de lOrient" gründete. Diese
Zeitung, welche sich bald "Courier de Smyrna" nannte, war das erste periodische
und politische Blatt in der Türkei und übte als solches einen entschiedenen Einfluß
auf die Ereignisse in den letzten Zeiten des griechischen Aufstandes von -I82S
bis -1828. Damals, als die ganze europäische Presse für die Unabhängigkeit
Griechenlands leidenschaftlich Partei nahm und den Kreuzzug gegen die Türken
predigte, vertheidigte allein der Courier vou Smyrna die Rechte und Interessen
der Pforte und trug durch seiue heftige Opposition gegen die hellenische Negie¬
rung nicht wenig zum Sturze und vielleicht zum Morde Capo dIstrias bei.

1831 wurde Blacqne vom Sultan Mahmud nach Konstantinopel berufen
und gründete dort den "Moniteur Ottomar", die officielle Zeitung der hohe"
Pforte in französischer Sprache. Am -I-i. Mai -1832 erschien der Tciqvimi
veqna'i, (Tafel der Ereignisse), gewissermaßen die Reproduction des Moniteur
Ottomar in türkischer Sprache. Dieses Blatt wird mit großer Sorgfalt redigirt
und steht nnter der Leitung des Reichshistoriographen.

Mehre fremde Gesandte in Pera freilich geriethen über dies Ereigniß in
Unruhe, die einen aus Besorgniß über das geistige Erwachen der Türkei, die
audern aus Eifersucht gegen Frankreich und den französischen Einfluß. Es wurden
sogar deshalb Noten an die Pforte gerichtet. Aber Sultan Mahmud blieb
standhaft, der Moniteur Ottomar hielt sich trotz der Schwierigkeiten, welche ihm
die Mißstimmung der Gesandtschaften bereitete. Aber-1836 starb Blacqne plötzlich


("r.>iizl'0teil, IV. ->8ö3, 28

der türkischen Negierung, die periodische Presse in ihre Staaten einzuführen,
vollständig gelungen sind und die Versuche, welche in dieser Beziehung in Aegypten
angestellt sind, weit hinter sich gelassen haben. Bianchi, der Dolmetscher Louis
Philipps für die orientalischen Sprachen, erklärt diesen Unterschied folgender¬
maßen: „Wenn die hohe Pforte, nach dem Beispiel des Vicekönigs von Aegypten,
seit 20 Jahren eine Mission junger Ottomanen in Paris gegründet hätte, so
würde die Türkei seit dieser Zeit nicht nur mit Schriften sich bereichert haben,
welche ihre geistige Bildungsstufe erfordert, sondern der Sultan würde anch
gegenwärtig über eine Menge fähiger und unterrichteter Leute verfügen, welche
er den Feinden der Reform entgegenstellen konnte und die ihm in seinen Ver¬
wickelungen mit der europäischen Politik die nützlichsten Dienste leisten würden.
Vereinzelte Sendungen einiger jungen Leute »ach Paris und London waren
eine Maßregel, die ein so großes und wichtiges Resultat nicht herbeiführen konnte."

Wir kommen ans die periodische Presse der Türkei. Obgleich Pre߬
freiheit in der Türkei nicht besteht, so begünstigt die Regierung die periodische
Presse doch insofern, als sie neue Ideen verbreitet, ohne der Regierung Schwierig¬
keiten zu bereiten, und was die Hauptsache ist, ohne den Gesandten der fremden
Mächte in Pera Anstoß zu geben.

Der Gründer des Journalismus in der Türkei war ein Franzose, Alexandre
Blacqne, der -I82S in Smyrna den „Spectatenr de lOrient" gründete. Diese
Zeitung, welche sich bald „Courier de Smyrna" nannte, war das erste periodische
und politische Blatt in der Türkei und übte als solches einen entschiedenen Einfluß
auf die Ereignisse in den letzten Zeiten des griechischen Aufstandes von -I82S
bis -1828. Damals, als die ganze europäische Presse für die Unabhängigkeit
Griechenlands leidenschaftlich Partei nahm und den Kreuzzug gegen die Türken
predigte, vertheidigte allein der Courier vou Smyrna die Rechte und Interessen
der Pforte und trug durch seiue heftige Opposition gegen die hellenische Negie¬
rung nicht wenig zum Sturze und vielleicht zum Morde Capo dIstrias bei.

1831 wurde Blacqne vom Sultan Mahmud nach Konstantinopel berufen
und gründete dort den „Moniteur Ottomar", die officielle Zeitung der hohe»
Pforte in französischer Sprache. Am -I-i. Mai -1832 erschien der Tciqvimi
veqna'i, (Tafel der Ereignisse), gewissermaßen die Reproduction des Moniteur
Ottomar in türkischer Sprache. Dieses Blatt wird mit großer Sorgfalt redigirt
und steht nnter der Leitung des Reichshistoriographen.

Mehre fremde Gesandte in Pera freilich geriethen über dies Ereigniß in
Unruhe, die einen aus Besorgniß über das geistige Erwachen der Türkei, die
audern aus Eifersucht gegen Frankreich und den französischen Einfluß. Es wurden
sogar deshalb Noten an die Pforte gerichtet. Aber Sultan Mahmud blieb
standhaft, der Moniteur Ottomar hielt sich trotz der Schwierigkeiten, welche ihm
die Mißstimmung der Gesandtschaften bereitete. Aber-1836 starb Blacqne plötzlich


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[0225] der türkischen Negierung, die periodische Presse in ihre Staaten einzuführen, vollständig gelungen sind und die Versuche, welche in dieser Beziehung in Aegypten angestellt sind, weit hinter sich gelassen haben. Bianchi, der Dolmetscher Louis Philipps für die orientalischen Sprachen, erklärt diesen Unterschied folgender¬ maßen: „Wenn die hohe Pforte, nach dem Beispiel des Vicekönigs von Aegypten, seit 20 Jahren eine Mission junger Ottomanen in Paris gegründet hätte, so würde die Türkei seit dieser Zeit nicht nur mit Schriften sich bereichert haben, welche ihre geistige Bildungsstufe erfordert, sondern der Sultan würde anch gegenwärtig über eine Menge fähiger und unterrichteter Leute verfügen, welche er den Feinden der Reform entgegenstellen konnte und die ihm in seinen Ver¬ wickelungen mit der europäischen Politik die nützlichsten Dienste leisten würden. Vereinzelte Sendungen einiger jungen Leute »ach Paris und London waren eine Maßregel, die ein so großes und wichtiges Resultat nicht herbeiführen konnte." Wir kommen ans die periodische Presse der Türkei. Obgleich Pre߬ freiheit in der Türkei nicht besteht, so begünstigt die Regierung die periodische Presse doch insofern, als sie neue Ideen verbreitet, ohne der Regierung Schwierig¬ keiten zu bereiten, und was die Hauptsache ist, ohne den Gesandten der fremden Mächte in Pera Anstoß zu geben. Der Gründer des Journalismus in der Türkei war ein Franzose, Alexandre Blacqne, der -I82S in Smyrna den „Spectatenr de lOrient" gründete. Diese Zeitung, welche sich bald „Courier de Smyrna" nannte, war das erste periodische und politische Blatt in der Türkei und übte als solches einen entschiedenen Einfluß auf die Ereignisse in den letzten Zeiten des griechischen Aufstandes von -I82S bis -1828. Damals, als die ganze europäische Presse für die Unabhängigkeit Griechenlands leidenschaftlich Partei nahm und den Kreuzzug gegen die Türken predigte, vertheidigte allein der Courier vou Smyrna die Rechte und Interessen der Pforte und trug durch seiue heftige Opposition gegen die hellenische Negie¬ rung nicht wenig zum Sturze und vielleicht zum Morde Capo dIstrias bei. 1831 wurde Blacqne vom Sultan Mahmud nach Konstantinopel berufen und gründete dort den „Moniteur Ottomar", die officielle Zeitung der hohe» Pforte in französischer Sprache. Am -I-i. Mai -1832 erschien der Tciqvimi veqna'i, (Tafel der Ereignisse), gewissermaßen die Reproduction des Moniteur Ottomar in türkischer Sprache. Dieses Blatt wird mit großer Sorgfalt redigirt und steht nnter der Leitung des Reichshistoriographen. Mehre fremde Gesandte in Pera freilich geriethen über dies Ereigniß in Unruhe, die einen aus Besorgniß über das geistige Erwachen der Türkei, die audern aus Eifersucht gegen Frankreich und den französischen Einfluß. Es wurden sogar deshalb Noten an die Pforte gerichtet. Aber Sultan Mahmud blieb standhaft, der Moniteur Ottomar hielt sich trotz der Schwierigkeiten, welche ihm die Mißstimmung der Gesandtschaften bereitete. Aber-1836 starb Blacqne plötzlich («r.>iizl'0teil, IV. ->8ö3, 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/225>, abgerufen am 06.02.2025.