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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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jenige praktische Wichtigkeit gewonnen, welche sie ihr erst voreilig beilegten und
hinterher gewissermaßen aufzwingen wollten, wenn man von dem berührten, an
sich doch nicht viel sägenden Bremer Ereigniß absieht. Aber sie ist dadurch für
uns von mehr als oberflächlichem Interesse, daß sie mit den schwierigsten Punkten
unsrer ökonomischen Zukunft eng zusammenhängt und nach jeder Seite hin fruchtbar
anzuregen geeignet ist. Das ist der Grund, weshalb sich trotz mangelnder
Legitimation ihrer Dringlichkeit soviele Federn freiwillig mit ihr beschäftigt haben.
Es muß auch uns weniger zu einem eigenen Votum, als zu einer raschen
Hinweisung ans ihre verschiedenen Seiten vermögen.

Was zunächst die in Betracht kommenden freien Städte betrifft, so ist Lübeck
mit Recht außerhalb der Debatte geblieben, indem es sich weder selbst dazu heran¬
drängte, noch von den übrigen Orten her herbeigezogen wurde. Eingeschlossen
zwischen das feindselige Dänemark und das in lauterem Mittelalter erstarrte
Mecklenburg, aus seinen russischen und schwedischen Handel allmälig fast beschränkt,
hat Lübeck nicht das erforderliche Maß von selbstständiger und inhaltsvoller Be¬
wegung, um neben den immer kräftiger emporstrebenden Schwesterstädten aus
einer Linie genannt zu werden. Aber auch Hamburg und Bremen sind eigentlich
von keiner Seite her als gleichmäßig interesstrt gedacht oder dargestellt worden.
Was Senator Geffcken in seiner schätzbaren kleinen Schrift darüber vorbringt,
soll sich mehr auf eine allgemeine Aehnlichkeit der augenblicklichen Lage, als auf,
eine im Grnnde nicht vorhandene Congruenz der natürlichen Bedingungen
erstrecken. Er suchte eben nur einem überkühncn Angreifer nachdrücklich zu
begegnen, der mit der letzteren auch die erstere in einem Athemzuge geleugnet
hatte. Bremen hat höchstens erst die halbe commercielle Bedeutung Hamburgs
errungen, dient ausschließlich deutschen Staaten zum Emporium und zur Ver¬
mittelung mit überseeische" Ländern, hat seinen Absatz über den Ocean bisher fast
auf die Vereinigten Staaten beschränkt und besitzt in einem starken Verhältniß
eigene Industrie. Hamburg dagegen rühmt sich, der dritte Handelsplatz Europas
und der erste des Continents zu sein; Hamburg ist in mercantiler Versorgung
und Abnahme die gebietende Königin des Nordens, der die Skandinavier und
Russen in einem Grade huldigen, wie ihre deutschen Landsleute es nnr irgend
können; Hamburg weist in seinem transatlantischen Verkehr die Häfen aller vier
Welttheile anf, ohne den einen unter ihnen dauernde und ausschließende Vorzüge
zu schenken, und Hamburg hat sich endlich nicht in solchem Maße dem Gewerbfleiß
neben dem Handel gewidmet, wie das in einem seltenen Beispiel allerdings von
Bremen gilt. Hier ist nun der Punkt, ans den die Vertheidiger des Anschlusses
das größte Gewicht legen und den sie immer wieder mit Heftigkeit betonen.
Indem sie eines jener falschen und verderblichen Axiome, an denen unter andern
Schutzzöllnern namentlich List so reich war, von Staaten und Nationen gar auf
einzelne Städte übertragen, nennen sie Bremens Industrie den zweiten, gleich-


jenige praktische Wichtigkeit gewonnen, welche sie ihr erst voreilig beilegten und
hinterher gewissermaßen aufzwingen wollten, wenn man von dem berührten, an
sich doch nicht viel sägenden Bremer Ereigniß absieht. Aber sie ist dadurch für
uns von mehr als oberflächlichem Interesse, daß sie mit den schwierigsten Punkten
unsrer ökonomischen Zukunft eng zusammenhängt und nach jeder Seite hin fruchtbar
anzuregen geeignet ist. Das ist der Grund, weshalb sich trotz mangelnder
Legitimation ihrer Dringlichkeit soviele Federn freiwillig mit ihr beschäftigt haben.
Es muß auch uns weniger zu einem eigenen Votum, als zu einer raschen
Hinweisung ans ihre verschiedenen Seiten vermögen.

Was zunächst die in Betracht kommenden freien Städte betrifft, so ist Lübeck
mit Recht außerhalb der Debatte geblieben, indem es sich weder selbst dazu heran¬
drängte, noch von den übrigen Orten her herbeigezogen wurde. Eingeschlossen
zwischen das feindselige Dänemark und das in lauterem Mittelalter erstarrte
Mecklenburg, aus seinen russischen und schwedischen Handel allmälig fast beschränkt,
hat Lübeck nicht das erforderliche Maß von selbstständiger und inhaltsvoller Be¬
wegung, um neben den immer kräftiger emporstrebenden Schwesterstädten aus
einer Linie genannt zu werden. Aber auch Hamburg und Bremen sind eigentlich
von keiner Seite her als gleichmäßig interesstrt gedacht oder dargestellt worden.
Was Senator Geffcken in seiner schätzbaren kleinen Schrift darüber vorbringt,
soll sich mehr auf eine allgemeine Aehnlichkeit der augenblicklichen Lage, als auf,
eine im Grnnde nicht vorhandene Congruenz der natürlichen Bedingungen
erstrecken. Er suchte eben nur einem überkühncn Angreifer nachdrücklich zu
begegnen, der mit der letzteren auch die erstere in einem Athemzuge geleugnet
hatte. Bremen hat höchstens erst die halbe commercielle Bedeutung Hamburgs
errungen, dient ausschließlich deutschen Staaten zum Emporium und zur Ver¬
mittelung mit überseeische» Ländern, hat seinen Absatz über den Ocean bisher fast
auf die Vereinigten Staaten beschränkt und besitzt in einem starken Verhältniß
eigene Industrie. Hamburg dagegen rühmt sich, der dritte Handelsplatz Europas
und der erste des Continents zu sein; Hamburg ist in mercantiler Versorgung
und Abnahme die gebietende Königin des Nordens, der die Skandinavier und
Russen in einem Grade huldigen, wie ihre deutschen Landsleute es nnr irgend
können; Hamburg weist in seinem transatlantischen Verkehr die Häfen aller vier
Welttheile anf, ohne den einen unter ihnen dauernde und ausschließende Vorzüge
zu schenken, und Hamburg hat sich endlich nicht in solchem Maße dem Gewerbfleiß
neben dem Handel gewidmet, wie das in einem seltenen Beispiel allerdings von
Bremen gilt. Hier ist nun der Punkt, ans den die Vertheidiger des Anschlusses
das größte Gewicht legen und den sie immer wieder mit Heftigkeit betonen.
Indem sie eines jener falschen und verderblichen Axiome, an denen unter andern
Schutzzöllnern namentlich List so reich war, von Staaten und Nationen gar auf
einzelne Städte übertragen, nennen sie Bremens Industrie den zweiten, gleich-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/146>, abgerufen am 05.02.2025.