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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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dies eine Frage von größter Bedeutung von Europa und sie verbirgt sich hinter
der rothen und phantastischen Wolke, welche auf einige Gegenden Südamerikas
unglücklicherweise sich gelagert hat.




Der Anschlns? der Hansestädte an den Zollverein.

Die anhaltende und ziemlich lebhafte Debatte, zu welcher die Frage des
hansestädtischen Anschlusses an den Zollverein in unserer Tagespresse Veranlassung
gegeben hat, ist ein Beweis von der überraschend schnell entwickelten Theilnahme,
welche man in Deutschland gegenwärtig den wirthschaftlichen Verhältnissen und
Problemen zuwendet. Denn in ihrer praktischen Bedeutung war die Frage noch
kaum einer so eifrigen Verhandlung werth. Wenn auch die Senate Hamburgs
und Bremens acht ohne einige Zweifel und Besorgnisse gewesen zu sein scheinen,
so haben doch den besten Quellen zufolge die gegenüberstehenden Regierungen,
und darunter Preußen und Hannover als die zumeist betheiligten, an keine irgend
ernstlichen Aufforderungen zum Anschluß, vielweniger an unliebe Drohungen ge¬
dacht. Der Kampf wurde auf Seiten der Anschlußfrennde lediglich von wenigen
pnblicistischen Plänklcrn geführt, die sich theils von Kiel und Berlin aus in der
"Allgemeinen Zeitung", theils in Dr. Andre's Handelsblatt vernehmen ließen,
während die Gegner schon deshalb aus gröberem Geschütz und mit wirksameren
Waffen erwidern konnten, weil hinter ihnen die überwiegenden Sympathien ihrer
Bevölkerung und die ebensowenig zweifelhaften, aber stiller geleiteten Bestrebungen
der hansestädtischen Senate standen. Für dieses Verhältniß genügt es in Er¬
innerung zu bringen, daß dem Redacteur des "Bremer Handelsblatts" eine
immerhin ehrenwerthe Gestnnnngstrene bereits seine Stelle und das fernere Ver¬
trauen seiner Auftraggeber gekostet hat, und daß von zwei fast gleichzeitig erschie¬
nenen Broschüren wider den Anschluß die Hamburgische einen Senator, die Bre¬
mische einen Regierungssecretär zum Verfasser hatte. Neuerdings ist von Ham-
burg her berichtet worden, daß bei der handelspolitischen Einsicht des dortigen
Senators Geffcken selbst Herr v. Manteuffel hinsichtlich der schwebenden Zoll¬
frage sich Raths erholen mochte. Das Verhalten Preußens den Hansestädten
gegenüber kann sich dadurch in seiner bisherigen Richtung nur befestigt haben.

Was uns demnach bewegt, diesem Gegenstand zu einer scheinbar so späten
Stunde noch einige Betrachtungen zu scheuten, ist nicht die Annahme von seiner
thatsächlichen Dringlichkeit. Daß den widerstrebenden Städten eine wirkliche
Gefahr drohe, z"in Beitritt moralisch oder materiell gezwungen zu werden, werden
selbst die, denen es völlig erwünscht wäre, heute nicht mehr zu hoffen sich getrauen.
Die Frage hat, zum großen Leidwesen ihrer Einfädler und Anschürer, nicht die-


Grenzlwten. IV. 18ö3. 18

dies eine Frage von größter Bedeutung von Europa und sie verbirgt sich hinter
der rothen und phantastischen Wolke, welche auf einige Gegenden Südamerikas
unglücklicherweise sich gelagert hat.




Der Anschlns? der Hansestädte an den Zollverein.

Die anhaltende und ziemlich lebhafte Debatte, zu welcher die Frage des
hansestädtischen Anschlusses an den Zollverein in unserer Tagespresse Veranlassung
gegeben hat, ist ein Beweis von der überraschend schnell entwickelten Theilnahme,
welche man in Deutschland gegenwärtig den wirthschaftlichen Verhältnissen und
Problemen zuwendet. Denn in ihrer praktischen Bedeutung war die Frage noch
kaum einer so eifrigen Verhandlung werth. Wenn auch die Senate Hamburgs
und Bremens acht ohne einige Zweifel und Besorgnisse gewesen zu sein scheinen,
so haben doch den besten Quellen zufolge die gegenüberstehenden Regierungen,
und darunter Preußen und Hannover als die zumeist betheiligten, an keine irgend
ernstlichen Aufforderungen zum Anschluß, vielweniger an unliebe Drohungen ge¬
dacht. Der Kampf wurde auf Seiten der Anschlußfrennde lediglich von wenigen
pnblicistischen Plänklcrn geführt, die sich theils von Kiel und Berlin aus in der
„Allgemeinen Zeitung", theils in Dr. Andre's Handelsblatt vernehmen ließen,
während die Gegner schon deshalb aus gröberem Geschütz und mit wirksameren
Waffen erwidern konnten, weil hinter ihnen die überwiegenden Sympathien ihrer
Bevölkerung und die ebensowenig zweifelhaften, aber stiller geleiteten Bestrebungen
der hansestädtischen Senate standen. Für dieses Verhältniß genügt es in Er¬
innerung zu bringen, daß dem Redacteur des „Bremer Handelsblatts" eine
immerhin ehrenwerthe Gestnnnngstrene bereits seine Stelle und das fernere Ver¬
trauen seiner Auftraggeber gekostet hat, und daß von zwei fast gleichzeitig erschie¬
nenen Broschüren wider den Anschluß die Hamburgische einen Senator, die Bre¬
mische einen Regierungssecretär zum Verfasser hatte. Neuerdings ist von Ham-
burg her berichtet worden, daß bei der handelspolitischen Einsicht des dortigen
Senators Geffcken selbst Herr v. Manteuffel hinsichtlich der schwebenden Zoll¬
frage sich Raths erholen mochte. Das Verhalten Preußens den Hansestädten
gegenüber kann sich dadurch in seiner bisherigen Richtung nur befestigt haben.

Was uns demnach bewegt, diesem Gegenstand zu einer scheinbar so späten
Stunde noch einige Betrachtungen zu scheuten, ist nicht die Annahme von seiner
thatsächlichen Dringlichkeit. Daß den widerstrebenden Städten eine wirkliche
Gefahr drohe, z»in Beitritt moralisch oder materiell gezwungen zu werden, werden
selbst die, denen es völlig erwünscht wäre, heute nicht mehr zu hoffen sich getrauen.
Die Frage hat, zum großen Leidwesen ihrer Einfädler und Anschürer, nicht die-


Grenzlwten. IV. 18ö3. 18
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/145>, abgerufen am 05.02.2025.