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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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des Geistes ihre Existenz, dann ihre Nahrung und Stärke zu finde". Um die
ausschließlich literarischen Journale zu übergehen, in denen die beiden Schulen ihre
Theorien entwickelten, so waren der Courier, der Beobachter (Anmärkaren) und
der neue Argus, gegründet 1820 von Johannson und Schentz, hauptsächlich
politischen Inhalts und beschäftigten sich mit den innern Angelegenheiten des
Landes. Acht oder neun Jahre später war Gustav Hierta Gründer des
"Bürgers" i" Schweden, der erste wirkliche Repräsentant der politischen Presse.

Die öffentliche Meinung hatte, gleich bei ihren ersten Schritten in einer für
sie noch neuen Welt, die sonderbaren Anomalien bemerkt, welche in der Consti-
tution von -1809 enthalten waren. Eine wirkliche Agitation, zwar noch zaghaft,
aber begierig eine thätige Propaganda zu gründen, hatte sich bereits unter der
Regierung Karls XIII. gezeigt. Die Ständeversammlungen, welche in der ersten
Hälfte der Regierung Karl Johanns von -18-18 bis -1830 zusammentraten, drück¬
ten von Zeit zu Zeit den Wunsch ans, das System der Repräsentation möge
baldigst modificirt werden, allein der neue König hatte eine Dynastie zu gründen.
Abgeneigt einer jeden Reform, welche die Unzufriedenheit eines bedeutenden Thei¬
les der Nation erregen konnte, widersetzte er sich diesem Wunsche und bewilligte
allein 1828 die Zulassung von Deputirten der Universitäten. Dies war zu we¬
nig, um den öffentlichen Geist zu befriedigen und war genug, um ihn in seinen
Hoffnungen zu ermuthigen. Die Wünsche der Schweden sprachen sich laut aus,
sowol in den Journalen, als ans dem Landtage von -1828, wo ihre Hauptorgane
die Grafen Ankarswärd, Horn und Schwerin waren. Als die europäische Krisis
von -1830 eintrat, konnte die Regierung wahrnehmen, daß sie nicht mehr allein
mit einer öffentlichen Meinung, die von einem bereits mächtigen Bürgerthum klar
ausgesprochen wurde, sondern mit einer wirklichen Opposition zu thun habe.

Die Revolution von -1830 machte in Schweden einen tiefen Eindruck. Die
liberale Partei sprach laut ihr Bedauern aus, daß Karl XII. nicht mehr auf dem
schwedischen Throne saß. Schwede"" Degen würde die Verfassung Enropas
modificirt haben! "Man mußte, sagte sie, das theure Snomi, das schmerzlich
entbehrte Finnland wieder erobern; man hätte nicht einen russischen Soldaten
von Abo bis Petersburg gefunden: die finnischen Brüder hätten schon auf der
ganzen Küste Branntwein für die schwedische Armee vorräthig! Von dort wäre
man nach Polen gegangen, und diese Vormauer der germanischen Nationen wäre
nicht unterlegen." Inmitten dieser Aufregung entstand das bedeutendste schwe¬
dische Journal, das Aftonblad oder das Abendblatt. Hans Johann Hierta
war der Gründer desselben. Die Umstände waren ihm außerordentlich günstig.
Der "Breger" und die "Stockholmer Post" waren eben eingegangen und die
öffentliche Meinung, in verschiedenen Richtungen aufgeregt, kümmerte sich mehr
als je um die öffentlichen Angelegenheiten. Geschickt bestrebte sich Hierta erst
die allgemeine Neugier zu befriedigen, bevor er daran dachte, gewissen besondern


des Geistes ihre Existenz, dann ihre Nahrung und Stärke zu finde». Um die
ausschließlich literarischen Journale zu übergehen, in denen die beiden Schulen ihre
Theorien entwickelten, so waren der Courier, der Beobachter (Anmärkaren) und
der neue Argus, gegründet 1820 von Johannson und Schentz, hauptsächlich
politischen Inhalts und beschäftigten sich mit den innern Angelegenheiten des
Landes. Acht oder neun Jahre später war Gustav Hierta Gründer des
„Bürgers" i» Schweden, der erste wirkliche Repräsentant der politischen Presse.

Die öffentliche Meinung hatte, gleich bei ihren ersten Schritten in einer für
sie noch neuen Welt, die sonderbaren Anomalien bemerkt, welche in der Consti-
tution von -1809 enthalten waren. Eine wirkliche Agitation, zwar noch zaghaft,
aber begierig eine thätige Propaganda zu gründen, hatte sich bereits unter der
Regierung Karls XIII. gezeigt. Die Ständeversammlungen, welche in der ersten
Hälfte der Regierung Karl Johanns von -18-18 bis -1830 zusammentraten, drück¬
ten von Zeit zu Zeit den Wunsch ans, das System der Repräsentation möge
baldigst modificirt werden, allein der neue König hatte eine Dynastie zu gründen.
Abgeneigt einer jeden Reform, welche die Unzufriedenheit eines bedeutenden Thei¬
les der Nation erregen konnte, widersetzte er sich diesem Wunsche und bewilligte
allein 1828 die Zulassung von Deputirten der Universitäten. Dies war zu we¬
nig, um den öffentlichen Geist zu befriedigen und war genug, um ihn in seinen
Hoffnungen zu ermuthigen. Die Wünsche der Schweden sprachen sich laut aus,
sowol in den Journalen, als ans dem Landtage von -1828, wo ihre Hauptorgane
die Grafen Ankarswärd, Horn und Schwerin waren. Als die europäische Krisis
von -1830 eintrat, konnte die Regierung wahrnehmen, daß sie nicht mehr allein
mit einer öffentlichen Meinung, die von einem bereits mächtigen Bürgerthum klar
ausgesprochen wurde, sondern mit einer wirklichen Opposition zu thun habe.

Die Revolution von -1830 machte in Schweden einen tiefen Eindruck. Die
liberale Partei sprach laut ihr Bedauern aus, daß Karl XII. nicht mehr auf dem
schwedischen Throne saß. Schwede«« Degen würde die Verfassung Enropas
modificirt haben! „Man mußte, sagte sie, das theure Snomi, das schmerzlich
entbehrte Finnland wieder erobern; man hätte nicht einen russischen Soldaten
von Abo bis Petersburg gefunden: die finnischen Brüder hätten schon auf der
ganzen Küste Branntwein für die schwedische Armee vorräthig! Von dort wäre
man nach Polen gegangen, und diese Vormauer der germanischen Nationen wäre
nicht unterlegen." Inmitten dieser Aufregung entstand das bedeutendste schwe¬
dische Journal, das Aftonblad oder das Abendblatt. Hans Johann Hierta
war der Gründer desselben. Die Umstände waren ihm außerordentlich günstig.
Der „Breger" und die „Stockholmer Post" waren eben eingegangen und die
öffentliche Meinung, in verschiedenen Richtungen aufgeregt, kümmerte sich mehr
als je um die öffentlichen Angelegenheiten. Geschickt bestrebte sich Hierta erst
die allgemeine Neugier zu befriedigen, bevor er daran dachte, gewissen besondern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/14>, abgerufen am 05.02.2025.