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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Verhältniß mit den nördlichen Staaten gestanden hat, wahrscheinlich nichts
nehmen, sondern eine neue Zeit für dieselbe herbeiführen.

Ueber die innere Einrichtung der nordamerikanischen Volksschule haben wir
uns hier nicht verbreiten können. Es herrscht darin natürlich eine sehr große
Verschiedenheit in den einzelnen Staaten und Gegenden. Im allgemeinen finden
sich darin freilich viele Mängel, die Schulen der größeren Städte von Neuyork
und Massachusetts geben jedoch den unsrigen nichts nach. Die meisten Uebelstände
entspringen aus dem Mangel an tüchtigen Lehrern, dem man erst in neuerer Zeit
abzuhelfen bemüht gewesen ist. Der Fortschritt ist hier rascher als in Einopa,
da die ganze Schulorgauisation eine öffentliche ist, jede neue Einrichtung, die
sich irgendwo bewährt hat, unmittelbar zur allgemeinen Kenntniß gelangt und
Nachahmung findet, besonders aber weil die Stetigkeit der Entwickelung des
Schulwesens gegen den Wechsel der Systeme, der in Enropa so hänfig statt¬
gefunden hat, bei der gänzlichen Uebereinstimmung der Whigs und der Demo¬
kraten ans diesem Gebiete ziemlich geschützt ist. Vielleicht wird man hier, wo
kein Reglement von oben jede Kleinigkeit verzeichnet, zuerst diejenige Organisation
finden, die geeignet ist, die Schule für das praktische Leben brauchbarer zu
machen, als bisher sowol diesseits als jenseits des Oceans der Fall gewesen ist.
Zu rühmen ist der bedeutende Aufwand, welcher für schöne, geräumige, helle
Schulgebäude gewiß nicht ohne Vortheil für die physische Entwickelung der Ju¬
gend gemacht wird, und die amerikanische Schule in den meisten Fällen vor der
cisatlantischen auszeichnet.

Was uus hier hauptsächlich zu zeigen am Herzen lag, ist das Princip der
nordamerikanischen Volksschule, das gleiche Anrecht aller ans ein gewisses Maß
der geistigen und sittlichen Bildung, diese allerdings nothwendige Grundlage eines
dauerhaften demokratischen Gemeinwesens. Die Ausübung gleicher Rechte -und
Pflichten setzt ein gewisses Maß gleicher geistiger Fähigkeiten voraus, und wenn
ihr grübelt, warum die amerikanische Demokratie bei aller Verschiedenheit des Be¬
sitzes und der Lebensstellung der Individuen auf so festen Grundlagen ruht, so
denkt uuter andern auch daran, daß die politische Gleichberechtigung nnr eine Fort¬
setzung jeuer socialen Gleichberechtigung ist, die den Sohn des Lohnarbeiters
mit dem des Handwerkers, des Kaufmanns und des Fabrikanten, der Aermeren
mit dem Wohlhabenderen schon im frühesten Alter auf einer Schulbank versammelt.




Wochenbericht.
X"X Vom Main,

-- Man schrieb einmal 1848. Als
damals das Nationalparlamcnt Deutschlands seinen Sitz nahm zu Frankfurt a.M., da stellte
sich der echte Fraukfortcr an, als habe seine stolze Krönungsstadt keinen nennenswerthe"


Verhältniß mit den nördlichen Staaten gestanden hat, wahrscheinlich nichts
nehmen, sondern eine neue Zeit für dieselbe herbeiführen.

Ueber die innere Einrichtung der nordamerikanischen Volksschule haben wir
uns hier nicht verbreiten können. Es herrscht darin natürlich eine sehr große
Verschiedenheit in den einzelnen Staaten und Gegenden. Im allgemeinen finden
sich darin freilich viele Mängel, die Schulen der größeren Städte von Neuyork
und Massachusetts geben jedoch den unsrigen nichts nach. Die meisten Uebelstände
entspringen aus dem Mangel an tüchtigen Lehrern, dem man erst in neuerer Zeit
abzuhelfen bemüht gewesen ist. Der Fortschritt ist hier rascher als in Einopa,
da die ganze Schulorgauisation eine öffentliche ist, jede neue Einrichtung, die
sich irgendwo bewährt hat, unmittelbar zur allgemeinen Kenntniß gelangt und
Nachahmung findet, besonders aber weil die Stetigkeit der Entwickelung des
Schulwesens gegen den Wechsel der Systeme, der in Enropa so hänfig statt¬
gefunden hat, bei der gänzlichen Uebereinstimmung der Whigs und der Demo¬
kraten ans diesem Gebiete ziemlich geschützt ist. Vielleicht wird man hier, wo
kein Reglement von oben jede Kleinigkeit verzeichnet, zuerst diejenige Organisation
finden, die geeignet ist, die Schule für das praktische Leben brauchbarer zu
machen, als bisher sowol diesseits als jenseits des Oceans der Fall gewesen ist.
Zu rühmen ist der bedeutende Aufwand, welcher für schöne, geräumige, helle
Schulgebäude gewiß nicht ohne Vortheil für die physische Entwickelung der Ju¬
gend gemacht wird, und die amerikanische Schule in den meisten Fällen vor der
cisatlantischen auszeichnet.

Was uus hier hauptsächlich zu zeigen am Herzen lag, ist das Princip der
nordamerikanischen Volksschule, das gleiche Anrecht aller ans ein gewisses Maß
der geistigen und sittlichen Bildung, diese allerdings nothwendige Grundlage eines
dauerhaften demokratischen Gemeinwesens. Die Ausübung gleicher Rechte -und
Pflichten setzt ein gewisses Maß gleicher geistiger Fähigkeiten voraus, und wenn
ihr grübelt, warum die amerikanische Demokratie bei aller Verschiedenheit des Be¬
sitzes und der Lebensstellung der Individuen auf so festen Grundlagen ruht, so
denkt uuter andern auch daran, daß die politische Gleichberechtigung nnr eine Fort¬
setzung jeuer socialen Gleichberechtigung ist, die den Sohn des Lohnarbeiters
mit dem des Handwerkers, des Kaufmanns und des Fabrikanten, der Aermeren
mit dem Wohlhabenderen schon im frühesten Alter auf einer Schulbank versammelt.




Wochenbericht.
X"X Vom Main,

— Man schrieb einmal 1848. Als
damals das Nationalparlamcnt Deutschlands seinen Sitz nahm zu Frankfurt a.M., da stellte
sich der echte Fraukfortcr an, als habe seine stolze Krönungsstadt keinen nennenswerthe»


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[0112] Verhältniß mit den nördlichen Staaten gestanden hat, wahrscheinlich nichts nehmen, sondern eine neue Zeit für dieselbe herbeiführen. Ueber die innere Einrichtung der nordamerikanischen Volksschule haben wir uns hier nicht verbreiten können. Es herrscht darin natürlich eine sehr große Verschiedenheit in den einzelnen Staaten und Gegenden. Im allgemeinen finden sich darin freilich viele Mängel, die Schulen der größeren Städte von Neuyork und Massachusetts geben jedoch den unsrigen nichts nach. Die meisten Uebelstände entspringen aus dem Mangel an tüchtigen Lehrern, dem man erst in neuerer Zeit abzuhelfen bemüht gewesen ist. Der Fortschritt ist hier rascher als in Einopa, da die ganze Schulorgauisation eine öffentliche ist, jede neue Einrichtung, die sich irgendwo bewährt hat, unmittelbar zur allgemeinen Kenntniß gelangt und Nachahmung findet, besonders aber weil die Stetigkeit der Entwickelung des Schulwesens gegen den Wechsel der Systeme, der in Enropa so hänfig statt¬ gefunden hat, bei der gänzlichen Uebereinstimmung der Whigs und der Demo¬ kraten ans diesem Gebiete ziemlich geschützt ist. Vielleicht wird man hier, wo kein Reglement von oben jede Kleinigkeit verzeichnet, zuerst diejenige Organisation finden, die geeignet ist, die Schule für das praktische Leben brauchbarer zu machen, als bisher sowol diesseits als jenseits des Oceans der Fall gewesen ist. Zu rühmen ist der bedeutende Aufwand, welcher für schöne, geräumige, helle Schulgebäude gewiß nicht ohne Vortheil für die physische Entwickelung der Ju¬ gend gemacht wird, und die amerikanische Schule in den meisten Fällen vor der cisatlantischen auszeichnet. Was uus hier hauptsächlich zu zeigen am Herzen lag, ist das Princip der nordamerikanischen Volksschule, das gleiche Anrecht aller ans ein gewisses Maß der geistigen und sittlichen Bildung, diese allerdings nothwendige Grundlage eines dauerhaften demokratischen Gemeinwesens. Die Ausübung gleicher Rechte -und Pflichten setzt ein gewisses Maß gleicher geistiger Fähigkeiten voraus, und wenn ihr grübelt, warum die amerikanische Demokratie bei aller Verschiedenheit des Be¬ sitzes und der Lebensstellung der Individuen auf so festen Grundlagen ruht, so denkt uuter andern auch daran, daß die politische Gleichberechtigung nnr eine Fort¬ setzung jeuer socialen Gleichberechtigung ist, die den Sohn des Lohnarbeiters mit dem des Handwerkers, des Kaufmanns und des Fabrikanten, der Aermeren mit dem Wohlhabenderen schon im frühesten Alter auf einer Schulbank versammelt. Wochenbericht. X"X Vom Main, — Man schrieb einmal 1848. Als damals das Nationalparlamcnt Deutschlands seinen Sitz nahm zu Frankfurt a.M., da stellte sich der echte Fraukfortcr an, als habe seine stolze Krönungsstadt keinen nennenswerthe»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/112>, abgerufen am 05.02.2025.