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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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meßlicher Gewinn sein. Die bisherige fast ausschließliche Richtung des europäischen
Handels nach dem Westen hat die besten Säfte und Kräfte der alten Welt nach
den äußersten Endpunkten des Westen und Nordwesten hingeleitet. Dabei ist
das südliche' und östliche Europa fast in Erstarrung gesunken. Wenn wir umher¬
blicken, von den Ostseeprovinzen bis nach dem Golf von Genua, von Danzig
über Nürnberg und Augsburg bis "ach Florenz und Venedig, wie viel Bilder
vergangener Größe und gesunkenen Wohlstandes ! Aus dieser Einseitigkeit werdeu
wir heraustreten, alte, halbverstorbeue Keime werden wieder aufleben, wenn der
Handel, seine Thätigkeit mit ungeschwächter Kraft nach Osten und nach
Westen zugleich zu richten vermag, und in den Binnenländern wird sich
wieder ein reges Leben entfalten, wenn der Zug des Verkehrs, statt auf großen
Umwegen zu Wasser die Verbindung der Länder zu bewirken, quer durch den Kon¬
tinent geht.

Es ist eine merkwürdige und folgenreiche Erscheinung, welche noch nicht die
verdiente Aufmerksamkeit gefunden hat, daß in den Productionsverhältnissen der
Erde eine bedeutende Veränderung seit zwei Jahrzehnjeu beginnt. Der Antheil
Asiens und noch mehr der des indisch-austral-astatischen Archipelagus an der Ge-
sammtproduction ist in rapider Steigerung begriffen. In den britischen und hol¬
ländischen Kolonien des indischen Oceans, die durch eine engherzige Colonial-
politik so sehr im Fortschritte gehemmt werden, zeigt sich ein Aufschwung der
Production für den Welthandel, der sich selbst in Amerika nicht nachweisen läßt,
und der ungemein großartige Resultate verspricht, wenn früher oder später die
Aufhebung der holländischen und britischen Handelscompaguien und ihrer Mono¬
pole eintritt. Von dem für den Welthandel wichtigste" Erzeugniß der Kolonien,
dem Zucker, erzeugte in den Jahren 1828 bis 1830 nach Macculloch Amerika
für die Ausfuhr 453,000 Tons oder 89 Pret., Asien 55,000 Tons oder 11 Pret.
Die Handelsberichte des Jahres 1851 schätzten die Production zu 25,350,000 Ctr.,
wovon schon 5,700,000 Ctr. oder 22Vs Pret. auf Asten fielen. Der zweitwich¬
tigste Artikel ist die Baumwolle. Die asiatische Production ist hier mindestens
hinter der amerikanischen nicht zurückgeblieben. Das Gesammterzeugniß schätzte
man gegen Ende der 20er Jahre zu 1,300,000 Ballen, jetzt möge" es 2,800,000
Ballen sein. Der Antheil Asiens mit Einschluß von Aegypten belief sich früher
auf 170,000 Ballen, und beträgt jetzt durchschnittlich 400,000 Ballen. Von den
222 Millionen Pfd. Kaffee, die in den Jahren 1829 bis 1831 nach Enropa
kamen, erzeugte nach Macculloch Asien 66 Millionen Pfund, wovon nur ^Mil¬
lionen an,f Arabien sielen, Amerika 153 Millionen Pfd., die Insel Bourbon 3
Millionen Pfd. Jetzt beträgt die Gesammtprodnction durchschnittlich 5 Vs Millionen
Centner, wovon 1,800,000 Ctr. auf Asien fallen. Der Antheil der asiatischen
Production belief sich demnach in den letzten 20er Jahren auf weniger als 30
Pret., und beträgt jetzt nahe an 33 Pret. An Reis führten die britischen Be-


meßlicher Gewinn sein. Die bisherige fast ausschließliche Richtung des europäischen
Handels nach dem Westen hat die besten Säfte und Kräfte der alten Welt nach
den äußersten Endpunkten des Westen und Nordwesten hingeleitet. Dabei ist
das südliche' und östliche Europa fast in Erstarrung gesunken. Wenn wir umher¬
blicken, von den Ostseeprovinzen bis nach dem Golf von Genua, von Danzig
über Nürnberg und Augsburg bis »ach Florenz und Venedig, wie viel Bilder
vergangener Größe und gesunkenen Wohlstandes ! Aus dieser Einseitigkeit werdeu
wir heraustreten, alte, halbverstorbeue Keime werden wieder aufleben, wenn der
Handel, seine Thätigkeit mit ungeschwächter Kraft nach Osten und nach
Westen zugleich zu richten vermag, und in den Binnenländern wird sich
wieder ein reges Leben entfalten, wenn der Zug des Verkehrs, statt auf großen
Umwegen zu Wasser die Verbindung der Länder zu bewirken, quer durch den Kon¬
tinent geht.

Es ist eine merkwürdige und folgenreiche Erscheinung, welche noch nicht die
verdiente Aufmerksamkeit gefunden hat, daß in den Productionsverhältnissen der
Erde eine bedeutende Veränderung seit zwei Jahrzehnjeu beginnt. Der Antheil
Asiens und noch mehr der des indisch-austral-astatischen Archipelagus an der Ge-
sammtproduction ist in rapider Steigerung begriffen. In den britischen und hol¬
ländischen Kolonien des indischen Oceans, die durch eine engherzige Colonial-
politik so sehr im Fortschritte gehemmt werden, zeigt sich ein Aufschwung der
Production für den Welthandel, der sich selbst in Amerika nicht nachweisen läßt,
und der ungemein großartige Resultate verspricht, wenn früher oder später die
Aufhebung der holländischen und britischen Handelscompaguien und ihrer Mono¬
pole eintritt. Von dem für den Welthandel wichtigste» Erzeugniß der Kolonien,
dem Zucker, erzeugte in den Jahren 1828 bis 1830 nach Macculloch Amerika
für die Ausfuhr 453,000 Tons oder 89 Pret., Asien 55,000 Tons oder 11 Pret.
Die Handelsberichte des Jahres 1851 schätzten die Production zu 25,350,000 Ctr.,
wovon schon 5,700,000 Ctr. oder 22Vs Pret. auf Asten fielen. Der zweitwich¬
tigste Artikel ist die Baumwolle. Die asiatische Production ist hier mindestens
hinter der amerikanischen nicht zurückgeblieben. Das Gesammterzeugniß schätzte
man gegen Ende der 20er Jahre zu 1,300,000 Ballen, jetzt möge» es 2,800,000
Ballen sein. Der Antheil Asiens mit Einschluß von Aegypten belief sich früher
auf 170,000 Ballen, und beträgt jetzt durchschnittlich 400,000 Ballen. Von den
222 Millionen Pfd. Kaffee, die in den Jahren 1829 bis 1831 nach Enropa
kamen, erzeugte nach Macculloch Asien 66 Millionen Pfund, wovon nur ^Mil¬
lionen an,f Arabien sielen, Amerika 153 Millionen Pfd., die Insel Bourbon 3
Millionen Pfd. Jetzt beträgt die Gesammtprodnction durchschnittlich 5 Vs Millionen
Centner, wovon 1,800,000 Ctr. auf Asien fallen. Der Antheil der asiatischen
Production belief sich demnach in den letzten 20er Jahren auf weniger als 30
Pret., und beträgt jetzt nahe an 33 Pret. An Reis führten die britischen Be-


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[0093] meßlicher Gewinn sein. Die bisherige fast ausschließliche Richtung des europäischen Handels nach dem Westen hat die besten Säfte und Kräfte der alten Welt nach den äußersten Endpunkten des Westen und Nordwesten hingeleitet. Dabei ist das südliche' und östliche Europa fast in Erstarrung gesunken. Wenn wir umher¬ blicken, von den Ostseeprovinzen bis nach dem Golf von Genua, von Danzig über Nürnberg und Augsburg bis »ach Florenz und Venedig, wie viel Bilder vergangener Größe und gesunkenen Wohlstandes ! Aus dieser Einseitigkeit werdeu wir heraustreten, alte, halbverstorbeue Keime werden wieder aufleben, wenn der Handel, seine Thätigkeit mit ungeschwächter Kraft nach Osten und nach Westen zugleich zu richten vermag, und in den Binnenländern wird sich wieder ein reges Leben entfalten, wenn der Zug des Verkehrs, statt auf großen Umwegen zu Wasser die Verbindung der Länder zu bewirken, quer durch den Kon¬ tinent geht. Es ist eine merkwürdige und folgenreiche Erscheinung, welche noch nicht die verdiente Aufmerksamkeit gefunden hat, daß in den Productionsverhältnissen der Erde eine bedeutende Veränderung seit zwei Jahrzehnjeu beginnt. Der Antheil Asiens und noch mehr der des indisch-austral-astatischen Archipelagus an der Ge- sammtproduction ist in rapider Steigerung begriffen. In den britischen und hol¬ ländischen Kolonien des indischen Oceans, die durch eine engherzige Colonial- politik so sehr im Fortschritte gehemmt werden, zeigt sich ein Aufschwung der Production für den Welthandel, der sich selbst in Amerika nicht nachweisen läßt, und der ungemein großartige Resultate verspricht, wenn früher oder später die Aufhebung der holländischen und britischen Handelscompaguien und ihrer Mono¬ pole eintritt. Von dem für den Welthandel wichtigste» Erzeugniß der Kolonien, dem Zucker, erzeugte in den Jahren 1828 bis 1830 nach Macculloch Amerika für die Ausfuhr 453,000 Tons oder 89 Pret., Asien 55,000 Tons oder 11 Pret. Die Handelsberichte des Jahres 1851 schätzten die Production zu 25,350,000 Ctr., wovon schon 5,700,000 Ctr. oder 22Vs Pret. auf Asten fielen. Der zweitwich¬ tigste Artikel ist die Baumwolle. Die asiatische Production ist hier mindestens hinter der amerikanischen nicht zurückgeblieben. Das Gesammterzeugniß schätzte man gegen Ende der 20er Jahre zu 1,300,000 Ballen, jetzt möge» es 2,800,000 Ballen sein. Der Antheil Asiens mit Einschluß von Aegypten belief sich früher auf 170,000 Ballen, und beträgt jetzt durchschnittlich 400,000 Ballen. Von den 222 Millionen Pfd. Kaffee, die in den Jahren 1829 bis 1831 nach Enropa kamen, erzeugte nach Macculloch Asien 66 Millionen Pfund, wovon nur ^Mil¬ lionen an,f Arabien sielen, Amerika 153 Millionen Pfd., die Insel Bourbon 3 Millionen Pfd. Jetzt beträgt die Gesammtprodnction durchschnittlich 5 Vs Millionen Centner, wovon 1,800,000 Ctr. auf Asien fallen. Der Antheil der asiatischen Production belief sich demnach in den letzten 20er Jahren auf weniger als 30 Pret., und beträgt jetzt nahe an 33 Pret. An Reis führten die britischen Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/93>, abgerufen am 03.07.2024.