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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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in Aussicht stellt. Ist nämlich diese Richtung einmal eingeschlagen, so knüpft sich
daran weiter das Project, die Seeverbindnng zwischen Trieft und Syrien durch
die kürzere Laudverbindung vermittelst einer Eisenbahnlinie, welche quer durch die
Donaufürstenthümer über Konstantinopel und den Bosporus nach dem Euphrat
führen würde, zu ersetzen.

Ehe wir das Project selbst näher betrachten, mögen noch einige Bemerkungen
zur Ergänzung dessen, was bereits über die Wichtigkeit des Projects für den
Handelsverkehr und die Civilisation gesagt worden ist, vorangehen.

Der Zug des europäische" Handels geht jetzt ohne Zweifel überwiegend
nach Westen. Der Verkehr mit der neuen Welt ist ein Lebensbedürfniß für
Europa geworden. Von allen Rohstoffen nud Consnmtibilien welche wir verbrauchen,
liefert Amerika die größten Massen.

Die Civilisation schreitet von Osten nach Westen -- das ist eine bis zur
Trivialität wiederholte Phrase, welche durch den bisherigen Verlans der Geschichte
allerdings bestätigt wird, jedoch als ein ganz räumliches Gesetz mit dem inneren
Wesen des Civilisationsprocesses in keinem Zusammenhange steht.

Der Zug des europäischen Handels geht allerdings "ach Westen, weil bei
dem bisherigen Zustand des Commnnicationswesens das Meer verband, während
das Land entferntere Gegenden trennte, nud dem Handel folgte die Civilisation.
Die ersten Sitze der Civilisation waren im Mittelpunkte die größten und zusam¬
menhängendsten unter den fünf Ländermassen, die wir Welttheile nennen. Der
Handel war damals ausschließlich Landhandel, Karavaucnhandel, die Civilisation
wanderte uach Europa, dem Lande der Buchten und Mecreseinschnitte, als die
Schiffahrt zuerst in ihrer unvollkommensten Gestalt als Küstenschiffahrt auftrat, die
Civilisation breitete sich allmälig über zwei Welttheile vom Bosporus bis nach
Californien aus/ als die Schiffahrt sich zur Seeschiffahrt erhob, und bei jeder
dieser Veränderungen begann eine neue Periode der Weltgeschichte. Wird alles
bleiben wie es ist, wenn die Rollen wieder wechseln, wenn das Land besser ver¬
bindet wie das Meer, die Entfernung vom Mittelpunkte des europäischen Con-
tinents, wir wollen sagen, von Leipzig, Berlin, Augsburg, Wien nach Bussorah
und Bombay in derselben Zeit zurückgelegt wird, wie die Reise nach New-Aork
oder Rio de Janeiro? Hinter den reichen indischen Territorien liegt der fünfte
Welttheil, der im raschen Aufschwünge selbst Amerika zu übertreffen beginnt und
die fruchtbaren, früher dicht bevölkerten, doch jetzt zum Theil verödeten Länder
zwischen dem mittelländischen Meere und dem persischen Meerbusen werden die Ver¬
bindungslinie zwischen Europa und dem indisch - austral-astatischen Archipelagus
sein. Ist es so sicher, daß man auch dann wird behaupten können, der europäische
Handel geht nach Westen, der Lauf der Civilisation geht von Osten nach Westen?
Wir werden uns niemals von Amerika entfernen, um uus nach Asien zu wenden.
Doch wir werden nach beiden Seiten zugleich schaue" und dies wird ein uner-


in Aussicht stellt. Ist nämlich diese Richtung einmal eingeschlagen, so knüpft sich
daran weiter das Project, die Seeverbindnng zwischen Trieft und Syrien durch
die kürzere Laudverbindung vermittelst einer Eisenbahnlinie, welche quer durch die
Donaufürstenthümer über Konstantinopel und den Bosporus nach dem Euphrat
führen würde, zu ersetzen.

Ehe wir das Project selbst näher betrachten, mögen noch einige Bemerkungen
zur Ergänzung dessen, was bereits über die Wichtigkeit des Projects für den
Handelsverkehr und die Civilisation gesagt worden ist, vorangehen.

Der Zug des europäische« Handels geht jetzt ohne Zweifel überwiegend
nach Westen. Der Verkehr mit der neuen Welt ist ein Lebensbedürfniß für
Europa geworden. Von allen Rohstoffen nud Consnmtibilien welche wir verbrauchen,
liefert Amerika die größten Massen.

Die Civilisation schreitet von Osten nach Westen — das ist eine bis zur
Trivialität wiederholte Phrase, welche durch den bisherigen Verlans der Geschichte
allerdings bestätigt wird, jedoch als ein ganz räumliches Gesetz mit dem inneren
Wesen des Civilisationsprocesses in keinem Zusammenhange steht.

Der Zug des europäischen Handels geht allerdings »ach Westen, weil bei
dem bisherigen Zustand des Commnnicationswesens das Meer verband, während
das Land entferntere Gegenden trennte, nud dem Handel folgte die Civilisation.
Die ersten Sitze der Civilisation waren im Mittelpunkte die größten und zusam¬
menhängendsten unter den fünf Ländermassen, die wir Welttheile nennen. Der
Handel war damals ausschließlich Landhandel, Karavaucnhandel, die Civilisation
wanderte uach Europa, dem Lande der Buchten und Mecreseinschnitte, als die
Schiffahrt zuerst in ihrer unvollkommensten Gestalt als Küstenschiffahrt auftrat, die
Civilisation breitete sich allmälig über zwei Welttheile vom Bosporus bis nach
Californien aus/ als die Schiffahrt sich zur Seeschiffahrt erhob, und bei jeder
dieser Veränderungen begann eine neue Periode der Weltgeschichte. Wird alles
bleiben wie es ist, wenn die Rollen wieder wechseln, wenn das Land besser ver¬
bindet wie das Meer, die Entfernung vom Mittelpunkte des europäischen Con-
tinents, wir wollen sagen, von Leipzig, Berlin, Augsburg, Wien nach Bussorah
und Bombay in derselben Zeit zurückgelegt wird, wie die Reise nach New-Aork
oder Rio de Janeiro? Hinter den reichen indischen Territorien liegt der fünfte
Welttheil, der im raschen Aufschwünge selbst Amerika zu übertreffen beginnt und
die fruchtbaren, früher dicht bevölkerten, doch jetzt zum Theil verödeten Länder
zwischen dem mittelländischen Meere und dem persischen Meerbusen werden die Ver¬
bindungslinie zwischen Europa und dem indisch - austral-astatischen Archipelagus
sein. Ist es so sicher, daß man auch dann wird behaupten können, der europäische
Handel geht nach Westen, der Lauf der Civilisation geht von Osten nach Westen?
Wir werden uns niemals von Amerika entfernen, um uus nach Asien zu wenden.
Doch wir werden nach beiden Seiten zugleich schaue» und dies wird ein uner-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/92>, abgerufen am 23.07.2024.