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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Allerdings wird beim weiteren Vormarsch diese Anzahl sich vermindern, indeß
bedeutend nnr dann, wenn man eine Armee in der Flanke des Angriffs operiren
läßt und außerdem die Festungen einen erheblichen Widerstand entgegensetzen.
Unter letzteren rechnet man am meisten aus Varna, Schumla, Silistria und
Rustschuck.

Varna hat recht schlechte Profile, keinen ausreichenden Wallgang und flache
Gräben, außerdem ein Escargement, welches kaum eine Bresche nöthig macht
und sehr bequem mit Leitern zu ersteigen ist. Dagegen liegt es vortrefflich, den
linken Flügel an den Dewnosee und den rechten ans Meer gelehnt.

Schumla hat nur als Bergposition und nicht als Festung Bedeutung.

Silistria und Rustschuck sind ziemlich erhalten, werden indeß von naheliegen-
Höhen eingesehen.

Eine andere Armee würde es kaum unternehmen, dergleichen Festungen zu
vertheidigen. Die Türken indeß sind ganz die Leute darnach, um hier einen
äußersten Widerstand zu versuchen.




Die Forderungen Rußlands an die Türkei.

Alle Geschicklichkeit, die in der Vertheidigung einer unhaltbaren Sache be¬
bewiesen werden kann, ist in der von der Gazette de Petersbourg mitgetheilten
Circnlarnote des Grafen Nesselrode aufgeboten, um die Berechtigung der durch
den Fürsten Menschikoff in Konstantinopel gestellten Forderungen darzuthun; wir
wissen trotzdem nicht, welches Maß von Unwissenheit Jemand besitzen muß, falls
er nicht zu den Agenten Rußlands in der deutschen Presse gehört, um sich einen
Augenblick durch die Vonseiten des russischen Diplomaten vorgebrachten Gründe
täuschen zu lassen.

Der erste Kunstgriff, dessen sich jene Note mit nicht geringer Gewandtheit
bedient, ist, zwei Fragen fortwährend zu vermischen, die in gar keiner Beziehung
zueinander stehen, die allgemeinen Rechte der griechischen Kirche und ihrer Be-
kenner im ganzen Reiche des Großherrn und die Rechte der griechischen Kirche
in Jerusalem iubetreff der heiligen Orte. Nehmen wir an, daß alles wahr
ist, was Herr v. Nesselrode rücksichtlich der letztern behauptet. Vor zwei Jahren
ist Rußland, ans Anlaß verschiedener Beeinträchtigungen der alten Vorrechte
seiner Kirche in Jerusalem, in Unterhandlungen mit dem Divan getreten und hat
einen Fernau des Sultans zur Abstellung dieser Mißbräuche erwirkt. Es wurden
ihm dabei unverbrüchliche Versprechungen über die Ausführung und treue Be¬
obachtung jenes Fermans gegeben. Diese Versprechungen sind unmittelbar darauf
gebrochen worden. Nicht nnr hat der türkische Kommissar dem russischen Consul


Allerdings wird beim weiteren Vormarsch diese Anzahl sich vermindern, indeß
bedeutend nnr dann, wenn man eine Armee in der Flanke des Angriffs operiren
läßt und außerdem die Festungen einen erheblichen Widerstand entgegensetzen.
Unter letzteren rechnet man am meisten aus Varna, Schumla, Silistria und
Rustschuck.

Varna hat recht schlechte Profile, keinen ausreichenden Wallgang und flache
Gräben, außerdem ein Escargement, welches kaum eine Bresche nöthig macht
und sehr bequem mit Leitern zu ersteigen ist. Dagegen liegt es vortrefflich, den
linken Flügel an den Dewnosee und den rechten ans Meer gelehnt.

Schumla hat nur als Bergposition und nicht als Festung Bedeutung.

Silistria und Rustschuck sind ziemlich erhalten, werden indeß von naheliegen-
Höhen eingesehen.

Eine andere Armee würde es kaum unternehmen, dergleichen Festungen zu
vertheidigen. Die Türken indeß sind ganz die Leute darnach, um hier einen
äußersten Widerstand zu versuchen.




Die Forderungen Rußlands an die Türkei.

Alle Geschicklichkeit, die in der Vertheidigung einer unhaltbaren Sache be¬
bewiesen werden kann, ist in der von der Gazette de Petersbourg mitgetheilten
Circnlarnote des Grafen Nesselrode aufgeboten, um die Berechtigung der durch
den Fürsten Menschikoff in Konstantinopel gestellten Forderungen darzuthun; wir
wissen trotzdem nicht, welches Maß von Unwissenheit Jemand besitzen muß, falls
er nicht zu den Agenten Rußlands in der deutschen Presse gehört, um sich einen
Augenblick durch die Vonseiten des russischen Diplomaten vorgebrachten Gründe
täuschen zu lassen.

Der erste Kunstgriff, dessen sich jene Note mit nicht geringer Gewandtheit
bedient, ist, zwei Fragen fortwährend zu vermischen, die in gar keiner Beziehung
zueinander stehen, die allgemeinen Rechte der griechischen Kirche und ihrer Be-
kenner im ganzen Reiche des Großherrn und die Rechte der griechischen Kirche
in Jerusalem iubetreff der heiligen Orte. Nehmen wir an, daß alles wahr
ist, was Herr v. Nesselrode rücksichtlich der letztern behauptet. Vor zwei Jahren
ist Rußland, ans Anlaß verschiedener Beeinträchtigungen der alten Vorrechte
seiner Kirche in Jerusalem, in Unterhandlungen mit dem Divan getreten und hat
einen Fernau des Sultans zur Abstellung dieser Mißbräuche erwirkt. Es wurden
ihm dabei unverbrüchliche Versprechungen über die Ausführung und treue Be¬
obachtung jenes Fermans gegeben. Diese Versprechungen sind unmittelbar darauf
gebrochen worden. Nicht nnr hat der türkische Kommissar dem russischen Consul


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[0078] Allerdings wird beim weiteren Vormarsch diese Anzahl sich vermindern, indeß bedeutend nnr dann, wenn man eine Armee in der Flanke des Angriffs operiren läßt und außerdem die Festungen einen erheblichen Widerstand entgegensetzen. Unter letzteren rechnet man am meisten aus Varna, Schumla, Silistria und Rustschuck. Varna hat recht schlechte Profile, keinen ausreichenden Wallgang und flache Gräben, außerdem ein Escargement, welches kaum eine Bresche nöthig macht und sehr bequem mit Leitern zu ersteigen ist. Dagegen liegt es vortrefflich, den linken Flügel an den Dewnosee und den rechten ans Meer gelehnt. Schumla hat nur als Bergposition und nicht als Festung Bedeutung. Silistria und Rustschuck sind ziemlich erhalten, werden indeß von naheliegen- Höhen eingesehen. Eine andere Armee würde es kaum unternehmen, dergleichen Festungen zu vertheidigen. Die Türken indeß sind ganz die Leute darnach, um hier einen äußersten Widerstand zu versuchen. Die Forderungen Rußlands an die Türkei. Alle Geschicklichkeit, die in der Vertheidigung einer unhaltbaren Sache be¬ bewiesen werden kann, ist in der von der Gazette de Petersbourg mitgetheilten Circnlarnote des Grafen Nesselrode aufgeboten, um die Berechtigung der durch den Fürsten Menschikoff in Konstantinopel gestellten Forderungen darzuthun; wir wissen trotzdem nicht, welches Maß von Unwissenheit Jemand besitzen muß, falls er nicht zu den Agenten Rußlands in der deutschen Presse gehört, um sich einen Augenblick durch die Vonseiten des russischen Diplomaten vorgebrachten Gründe täuschen zu lassen. Der erste Kunstgriff, dessen sich jene Note mit nicht geringer Gewandtheit bedient, ist, zwei Fragen fortwährend zu vermischen, die in gar keiner Beziehung zueinander stehen, die allgemeinen Rechte der griechischen Kirche und ihrer Be- kenner im ganzen Reiche des Großherrn und die Rechte der griechischen Kirche in Jerusalem iubetreff der heiligen Orte. Nehmen wir an, daß alles wahr ist, was Herr v. Nesselrode rücksichtlich der letztern behauptet. Vor zwei Jahren ist Rußland, ans Anlaß verschiedener Beeinträchtigungen der alten Vorrechte seiner Kirche in Jerusalem, in Unterhandlungen mit dem Divan getreten und hat einen Fernau des Sultans zur Abstellung dieser Mißbräuche erwirkt. Es wurden ihm dabei unverbrüchliche Versprechungen über die Ausführung und treue Be¬ obachtung jenes Fermans gegeben. Diese Versprechungen sind unmittelbar darauf gebrochen worden. Nicht nnr hat der türkische Kommissar dem russischen Consul

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/78>, abgerufen am 23.07.2024.