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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Küste von Albanien, um einige Bataillone Garde (Thassa) an Bord zu nehmen,
die zur Zeit des Krieges gegen den Kara dagh (Montenegro) dorthin gesendet
wurden, und deren man jetzt zur Verstärkung der Garnison von Stambul und
des Bosporus benöthigt ist. -- Wie ich Ihnen andeutete, waren vor kurzem die
Festungen, an der Donau sowol wie im Balkan, ohne in Anschlag kommende
Besatzung. Im besonderen fehlte es der Festungsartillerie an Bedienungsmann¬
schaften. Man hat inbezug hierauf einen Ausweg darin gesucht, daß man
S02A Mann ausgebildete Artilleristen aus den Schlössern der Dardanellen ge¬
nommen und dieselben nach Varna transportirt hat.

Nach demselben Bestimmungsort sind am 2. d. Mes. zwei Regimenter Redif,
die in Adrianopel standen, abmarschirt.

Indem ich Ihnen schreibe, werde ich durch Pferdegetrappel ans Fenster ge¬
rufen. Es sind die Söhne Abd-ni-Medschids, die, voran die vier ältesten, hin¬
terher ein kaum vierjähriger Knabe, ans prächtigen, reich gezäumten' Pferden und
von einem Schwarm von Dienern umgeben, im Galopp an meiner Wohnung
vorübersausen. Besonders spaßhaft war es, den jüngsten zu schauen. Zwei aus
Leibeskräften nebenherlaufende Neger hielten seine Füße in den Steigbügeln,
indeß ein dritter Mohr das Pferd anhieb. Das Aussehen der jungen Prinzen
war frisch und gesund; der zu zweit reitende oder besser zu sagen jagende hand¬
habte seinen Rappen mit anerkeunenswerthem Geschick. Nur mit Mühe konnte
schließlich ein alter Pascha, wie es schien der Gouverneur der kaiserlichen Söhne,
diesen folgen.

Doch zurück zu meinem Gegenstande.

Im Gegensatz zu dem, was eben jetzt zur Ausführung kommt, ist es die
Ansicht Lord Stratfords, daß die Osmanen am besten thun würden, wenn sie
ihre Heereskräfte aus Adrianopel zurückzögen. Diesem Gedanken lieg^t die Ab¬
sicht eines Widerstandes nahe am Ziel der Operationen zu Grunde und Motiv
dafür ist die größere Wahrscheinlichkeit, hier mit gesammelten Massen auftreten
zu können. Wie dem indeß auch immer sein möge, man wird den Rath nicht
befolgen. Was man thun wird, läßt sich noch nicht absehen, indeß ist es wahr¬
scheinlich, daß man vorerst die Festungen zu sichern und mit einem Widerstand
hinter Wall und Graben beginnen wird. ,

Ans meinen Mittheilungen über die osmanische Armee werden sich Ihre
Leser erinnern, daß die Türkei über 6 Armeecorps zu verfügen hat. Hiervon sind
indeß nur drei vollkommen orgmüsirt. Eins davon muß in Stambul und zur Be¬
wachung des Bosporus zurück verbleiben. Im Felde sind demnach nur zwei ver¬
wendbar. Man wird indeß ein jedes dnrch völlige Einziehung des Redif ans
i'0,000 Mann bringen. Die Operationsarmee wird sich also in Summa auf
80,000 Mann belaufen.

Dagegen wird Rußland mit etwa 1S0,000 Mann die Feindseligkeiten eröffnen.


Küste von Albanien, um einige Bataillone Garde (Thassa) an Bord zu nehmen,
die zur Zeit des Krieges gegen den Kara dagh (Montenegro) dorthin gesendet
wurden, und deren man jetzt zur Verstärkung der Garnison von Stambul und
des Bosporus benöthigt ist. — Wie ich Ihnen andeutete, waren vor kurzem die
Festungen, an der Donau sowol wie im Balkan, ohne in Anschlag kommende
Besatzung. Im besonderen fehlte es der Festungsartillerie an Bedienungsmann¬
schaften. Man hat inbezug hierauf einen Ausweg darin gesucht, daß man
S02A Mann ausgebildete Artilleristen aus den Schlössern der Dardanellen ge¬
nommen und dieselben nach Varna transportirt hat.

Nach demselben Bestimmungsort sind am 2. d. Mes. zwei Regimenter Redif,
die in Adrianopel standen, abmarschirt.

Indem ich Ihnen schreibe, werde ich durch Pferdegetrappel ans Fenster ge¬
rufen. Es sind die Söhne Abd-ni-Medschids, die, voran die vier ältesten, hin¬
terher ein kaum vierjähriger Knabe, ans prächtigen, reich gezäumten' Pferden und
von einem Schwarm von Dienern umgeben, im Galopp an meiner Wohnung
vorübersausen. Besonders spaßhaft war es, den jüngsten zu schauen. Zwei aus
Leibeskräften nebenherlaufende Neger hielten seine Füße in den Steigbügeln,
indeß ein dritter Mohr das Pferd anhieb. Das Aussehen der jungen Prinzen
war frisch und gesund; der zu zweit reitende oder besser zu sagen jagende hand¬
habte seinen Rappen mit anerkeunenswerthem Geschick. Nur mit Mühe konnte
schließlich ein alter Pascha, wie es schien der Gouverneur der kaiserlichen Söhne,
diesen folgen.

Doch zurück zu meinem Gegenstande.

Im Gegensatz zu dem, was eben jetzt zur Ausführung kommt, ist es die
Ansicht Lord Stratfords, daß die Osmanen am besten thun würden, wenn sie
ihre Heereskräfte aus Adrianopel zurückzögen. Diesem Gedanken lieg^t die Ab¬
sicht eines Widerstandes nahe am Ziel der Operationen zu Grunde und Motiv
dafür ist die größere Wahrscheinlichkeit, hier mit gesammelten Massen auftreten
zu können. Wie dem indeß auch immer sein möge, man wird den Rath nicht
befolgen. Was man thun wird, läßt sich noch nicht absehen, indeß ist es wahr¬
scheinlich, daß man vorerst die Festungen zu sichern und mit einem Widerstand
hinter Wall und Graben beginnen wird. ,

Ans meinen Mittheilungen über die osmanische Armee werden sich Ihre
Leser erinnern, daß die Türkei über 6 Armeecorps zu verfügen hat. Hiervon sind
indeß nur drei vollkommen orgmüsirt. Eins davon muß in Stambul und zur Be¬
wachung des Bosporus zurück verbleiben. Im Felde sind demnach nur zwei ver¬
wendbar. Man wird indeß ein jedes dnrch völlige Einziehung des Redif ans
i'0,000 Mann bringen. Die Operationsarmee wird sich also in Summa auf
80,000 Mann belaufen.

Dagegen wird Rußland mit etwa 1S0,000 Mann die Feindseligkeiten eröffnen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/77>, abgerufen am 03.07.2024.