Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.sprochen. Es ist das eine gute Zeit für die Schriftsteller, die infolge ihrer amtlichen 63 *
sprochen. Es ist das eine gute Zeit für die Schriftsteller, die infolge ihrer amtlichen 63 *
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0505" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96680"/> <p xml:id="ID_1760" prev="#ID_1759" next="#ID_1761"> sprochen. Es ist das eine gute Zeit für die Schriftsteller, die infolge ihrer amtlichen<lb/> Stellung in Herrn v. Manteuffel das alleinige Heil des preußischen Staats<lb/> suchen. Das literarische Cabinet ist eifrig beschäftigt, den principiellen Gegensatz<lb/> zwischen seinem Meister und den Junkern hervorzuheben und darauf hinzudeuten,<lb/> daß der liberalen Entwickelung des Staats die größte Gefahr drohe, wenn die<lb/> Liberalen oder, um den alten officiellen Ausdruck zu gebrauchen, die Revolu¬<lb/> tionärs in Schlafrock und Pantoffeln, die Demagogen in Glacehandschuhen, sich<lb/> nicht beeilten, sich unter die Fahne des StaatSrettcrS zu scharen. Der Kunst¬<lb/> griff ist so verbraucht, daß wir uus eigentlich darüber wundern sollten, daß selbst<lb/> einzelne liberale Zeitungen sich noch immer dadurch verblenden lassen, wenn die<lb/> Zeit der Verwunderung nicht längst vorübergegangen wäre. Indessen diesmal<lb/> tritt doch zugleich ein ernsthafterer Umstand mit ein, der unsere Aufmerk¬<lb/> samkeit ans sich ziehen muß. Es wird gesagt, die Bethmann- Hvllwegianer seien<lb/> geneigt, den früher von ihnen so sehr angefeindeten Minister zu unterstützen, und<lb/> zunächst werde einer der ihrigen, Graf Goltz, in das Ministerium des Auswär¬<lb/> tigen eintreten. Wenn diese Nachricht sich bestätigte, so könnten wir sie mir<lb/> mit dem größten Bedauern aufnehmen. Wir wollen kein übertriebenes Gewicht<lb/> darauf legen, daß sich früher in einem ähnlichen Zwist zwischen dem Gouver¬<lb/> nement und der Kreuzzeitung das preußische Wochenblatt auf das entschiedenste<lb/> officiell erklärt hat, seine Partei werde nie und unter keinen Umständen mit<lb/> Herrn v. Manteuffel gehen. Es ist zwar immer sehr schlimm, wenn derartige<lb/> entschiedene Erklärungen später zurückgenommen werden müssen, und namentlich<lb/> gravirend für einen Staatsmann, der längst über die Anfänge seiner Laufbahn<lb/> hinaus ist; trotzdem würde in dem Falle, daß die Sachlage sich wirklich geändert<lb/> hätte, dieser bloße Ehrenpunkt nicht von einem entscheidenden Einfluß sein<lb/> können. Aber die Sachlage hat sich nicht verändert. Daß eine Verwaltung, an<lb/> deren Spitze etwa der General Gerlach oder ein ähnlicher steht, für die unmit-<lb/> telbaren Verhältnisse des Staats nachtheiliger sein würde, als die gegenwärtige,<lb/> darüber hat wol nie ein Zweifel stattgefunden; denn wenn auch selbst die Ex¬<lb/> treme der doctrinären Partei, sobald sie einmal wirklich aus Nuder kämen, sehr<lb/> bald einsehen würden, daß diese Doctrinen sich nach den Umständen modificiren<lb/> müssen, so würden sie doch unzweifelhaft weitergehen und namentlich ihre Pläne<lb/> schneller ins Werk setzen als die gegenwärtige Regierung; es würde unter den<lb/> Beamten noch eifriger aufgeräumt werden, als jetzt, und man würde noch pro-<lb/> noncirtere Parteinamen überall an der Spitze der Geschäfte sehen. Ob indessen<lb/> in den höheren Regionen der Beamtenwelt darin noch sehr viel zu verschlimmern<lb/> wäre, und ob nicht grade die hastigen Versuche, lediglich mit Junkern zu regie¬<lb/> ren, schneller und entscheidender zu der Einsicht führen würden, man könne die<lb/> altpreußischen Elemente, namentlich die geschulte Bureaukratie, bei der Staats-<lb/> regierung nicht entbehren, und man müsse ihr daher Concessionen machen, das</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 63 *</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0505]
sprochen. Es ist das eine gute Zeit für die Schriftsteller, die infolge ihrer amtlichen
Stellung in Herrn v. Manteuffel das alleinige Heil des preußischen Staats
suchen. Das literarische Cabinet ist eifrig beschäftigt, den principiellen Gegensatz
zwischen seinem Meister und den Junkern hervorzuheben und darauf hinzudeuten,
daß der liberalen Entwickelung des Staats die größte Gefahr drohe, wenn die
Liberalen oder, um den alten officiellen Ausdruck zu gebrauchen, die Revolu¬
tionärs in Schlafrock und Pantoffeln, die Demagogen in Glacehandschuhen, sich
nicht beeilten, sich unter die Fahne des StaatSrettcrS zu scharen. Der Kunst¬
griff ist so verbraucht, daß wir uus eigentlich darüber wundern sollten, daß selbst
einzelne liberale Zeitungen sich noch immer dadurch verblenden lassen, wenn die
Zeit der Verwunderung nicht längst vorübergegangen wäre. Indessen diesmal
tritt doch zugleich ein ernsthafterer Umstand mit ein, der unsere Aufmerk¬
samkeit ans sich ziehen muß. Es wird gesagt, die Bethmann- Hvllwegianer seien
geneigt, den früher von ihnen so sehr angefeindeten Minister zu unterstützen, und
zunächst werde einer der ihrigen, Graf Goltz, in das Ministerium des Auswär¬
tigen eintreten. Wenn diese Nachricht sich bestätigte, so könnten wir sie mir
mit dem größten Bedauern aufnehmen. Wir wollen kein übertriebenes Gewicht
darauf legen, daß sich früher in einem ähnlichen Zwist zwischen dem Gouver¬
nement und der Kreuzzeitung das preußische Wochenblatt auf das entschiedenste
officiell erklärt hat, seine Partei werde nie und unter keinen Umständen mit
Herrn v. Manteuffel gehen. Es ist zwar immer sehr schlimm, wenn derartige
entschiedene Erklärungen später zurückgenommen werden müssen, und namentlich
gravirend für einen Staatsmann, der längst über die Anfänge seiner Laufbahn
hinaus ist; trotzdem würde in dem Falle, daß die Sachlage sich wirklich geändert
hätte, dieser bloße Ehrenpunkt nicht von einem entscheidenden Einfluß sein
können. Aber die Sachlage hat sich nicht verändert. Daß eine Verwaltung, an
deren Spitze etwa der General Gerlach oder ein ähnlicher steht, für die unmit-
telbaren Verhältnisse des Staats nachtheiliger sein würde, als die gegenwärtige,
darüber hat wol nie ein Zweifel stattgefunden; denn wenn auch selbst die Ex¬
treme der doctrinären Partei, sobald sie einmal wirklich aus Nuder kämen, sehr
bald einsehen würden, daß diese Doctrinen sich nach den Umständen modificiren
müssen, so würden sie doch unzweifelhaft weitergehen und namentlich ihre Pläne
schneller ins Werk setzen als die gegenwärtige Regierung; es würde unter den
Beamten noch eifriger aufgeräumt werden, als jetzt, und man würde noch pro-
noncirtere Parteinamen überall an der Spitze der Geschäfte sehen. Ob indessen
in den höheren Regionen der Beamtenwelt darin noch sehr viel zu verschlimmern
wäre, und ob nicht grade die hastigen Versuche, lediglich mit Junkern zu regie¬
ren, schneller und entscheidender zu der Einsicht führen würden, man könne die
altpreußischen Elemente, namentlich die geschulte Bureaukratie, bei der Staats-
regierung nicht entbehren, und man müsse ihr daher Concessionen machen, das
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